28.01.2019

E-Sports-Marketing

«Noch ist E-Sports ein Eldorado für kreative Kampagnen»

Hoher Return-on-Invest und eine stark wachsende Zielgruppe: Immer mehr Unternehmen investieren ihr Geld in die Gaming-Community. Experte Daniel Luther sagt im Interview, welche Vorteile E-Sports fürs Marketing bietet und welches Potenzial darin steckt.
E-Sports-Marketing: «Noch ist E-Sports ein Eldorado für kreative Kampagnen»
Daniel Luther war früher selbst E-Sportler und gibt sein Wissen nun an Unternehmen weiter. (Bild: zVg.)
von Michèle Widmer

Herr Luther*, League of Legends, Fifa oder Clash Royal – welches ist Ihr Lieblingsgame?
Aus meiner persönlichen Perspektive würde ich sagen Counter-Strike Global Offensive. Allerdings ist das Spielen bei mir etwas in den Hintergrund gerückt.

Sie beraten Unternehmen im Bereich E-Sports-Marketing. Welches sind in der Schweiz die relevantesten Games?
Hierzulande sind die Spiele League of Legends, Dota oder Counter Strike zentral bei E-Sports. Eine besonders rege und aktive Gaming-Community hat die Fussballsimulation Fifa. Durch die Decke gehen zurzeit Fortnite und Mobile Gaming.

Sie unterscheiden Gaming und E-Sports. Erklären Sie das.
In der klassischen Welt wäre Gaming der Breitensport und E-Sports der Leistungssport. Ein Beispiel: Wenn mein Vater auf seinem Handy Candy Crush spielt, gamet er. Wenn er aber entscheidet, der besten Candy-Crush-Spieler der Welt zu werden, täglich trainiert und in geregelte Ligen und Wettkämpfe eintritt, wird er zum E-Sportler.

Zurzeit reden alle vom grossen Potenzial in E-Sports. Wie gross ist die Community in der Schweiz überhaupt?
Die Szene ist relativ gross. Das kann man an zwei Parametern messen. Zum einen gibt es die Gaming-Plattform Steam, die so etwas wie die Bibliothek des E-Sports ist. Hier können Spieler einen Account anlegen und sich Games herunterladen. In der Schweiz bestehen zurzeit rund eine Million aktive Konten. Andererseits gibt es Twitch, das digitale Fernsehen der E-Sportler. Amazon hat das Portal vor etwas mehr als vier Jahren für rund eine Milliarde Dollar gekauft. Gamer filmen sich selber beim Spielen und laden das Ganze online hoch. Auf twitch.tv werden diese Livestreams dann gebündelt. In der Schweiz hat die Plattform rund 700’000 Aufrufe pro Monat. Ich würde also sagen, dass es in der Schweiz bis zu einer Million Gamer gibt.

«Die Swisscom hält mit der Hero League den Finger einmal ins Wasser»

Und wie stark wächst die Fangemeinde?
E-Sports ist kein Trend mehr, sondern definitiv im Mainstream angekommen. Und die Zahlen sind zunehmend. Die Menschheit wird digitaler und in der Folge gewinnt eine digitale Sportart an Bedeutung. Die junge Generation wird mit E-Sports sozialisiert. Sie rückt den Sport in den Mainstream und in zehn oder zwanzig Jahren wird E-Sports wie Fussball oder Tennis normal dazugehören.

Postfinance, Swisscom oder der TCS: In den letzten Monaten haben zahlreiche Unternehmen in E-Sports investiert. Weshalb ist der Bereich so interessant?
Die Unternehmen erreichen mit ihren klassischen Kommunikationsmitteln die Menschen nicht mehr. Die junge Zielgruppe schaut kein TV und liest keine Zeitungen mehr. Also verschieben sich die Media- und Werbebudgets dort hin, wo der Content entwickelt wird – in die Welt des Gamings und des E-Sports. Das macht Sinn. Denn Wünsche entstehen im Alter von 8 bis 13 Jahren. Kinder haben das Portemonnaie für – sagen wir einen Mercedes – noch nicht. Aber sie entscheiden sich dann, dass sie später einmal einen haben wollen.

Die Swisscom hat mit der Hero League eine eigene Liga lanciert. Wie wichtig ist das für die Branche?
Das muss man etwas einordnen. Die Swisscom hält mit dieser Liga den Finger einmal ins Wasser und wird wertvolle Erfahrungen sammeln. Für die ganze Szene ist es aber gut, dass Unternehmen neue Möglichkeiten schaffen. Der Markt ist noch lange nicht gesättigt.

«Sponsorships werden in der Community sehr positiv bewertet»

Wie gross war der Umsatz in der Schweiz im vergangenen Jahr?
Weltweit wurden im letzten Jahr mit E-Sports rund 1,5 Milliarden Dollar umgesetzt. Nimmt man Gaming dazu, steigt der Betrag auf 90 Milliarden Dollar. In Deutschland betrug der E-Sports-Umsatz 2018 etwa 100 bis 150 Millionen Franken. Für die Schweiz dürfte man diesen Betrag etwa um den Faktor acht herunterbrechen können.

Ganz konkret: Welche Vorteile bringt E-Sports-Marketing gegenüber klassischem Marketing?
Die Möglichkeit mit dem Konsumenten in Kontakt zu kommen ist sehr gross. Ein Game ist ein Produkt, das stetig konsumiert wird. Einen Film schaue ich mir zum Beispiel nur ein-, vielleicht zweimal an. Ein Spiel hingegen öffnet der Konsument während zwei Jahren vielleicht jeden zweiten Tag. Zudem ist ein Game ein interaktives Instrument. Unternehmen können dem spielenden Kunden einen Mehrwert verschaffen. Ein Beispiel: In einem Game geht es darum, Energy-Drinks-Dosen aufzusammeln. Wenn der Spieler sie trinkt, wird er schneller und fitter. Für Red Bull wäre diese Verknüpfung attraktiv. Und: Sponsorships werden in der Community sehr positiv bewertet. Während beim Fussball der Kommerz sehr kritisch betrachtet wird, gibt es im E-Sport eine hohe Affinität gegenüber Partnern. Die Community weiss, dass die Branche noch relativ jung ist und Verbündete braucht.

Was für Cases sind Ihnen in den letzten Monaten positiv aufgefallen?
Der Computerhersteller Lenovo hat mit einem Vorurteil im E-Sport-Bereich gespielt und das Team Silver Snipers ins Rennen geschickt. Die Gamer waren zusammen im Durchschnitt 80 Jahre alt und nannten sich zum Beispiel «Knitting Knight» oder «Teen Slayer». Mit dieser Aktion konnte der Computerhersteller im hart umkämpften Markt viel Aufmerksamkeit generieren. Und
DHL hat einen seiner Distributionswagen mit dem Namen Effiebot in ein Game integriert. Für Aufsehen sorgte vor Jahren eine Aktion des Smartphone-Herstellers HTC, mit der das neueste Modell inszeniert wurde. Während ein gesponserter Spieler live auf twitch.tv interviewt wurde, klingelte sein Smartphone. Er unterbrach und streckte das neue HTC-Handy in die Kameras, während über 500’000 Leute zuschauten.


Man stelle sich vor Roger Federer oder Lara gut würden das machen.

Das wäre undenkbar. Noch ist E-Sports ein Eldorado für kreative Marketingkampagnen. Es gibt keine Reglemente und Grenzen in diesem Bereich. Das wird sich mit zunehmender Professionalität allerdings ändern.

«Im E-Sport gibt es noch effektive Möglichkeiten für kleine Budgets»

Welche Rolle spielen Influencer im E-Sports-Marketing?
Der E-Sports-Bereich ist für Influencer-Management sehr gut umsetzbar – auch dank der Plattform Twitch. Die Fans können ihre Stars hautnah erleben. Der Messi und der Ronaldo des E-Sports sitzt zuhause auf dem Sofa und überträgt sein Tun täglich acht Stunden live im Internet. Die stetige Interaktion mit anderen Spielern macht die Profis bodenständig und zugänglich.

Wie effektiv sind Marketingaktivitäten in diesem Bereich? Gibt es dazu bereits Zahlen?
Das anerkannte Marktforschungsunternehmen Nielsen Sports begibt sich immer mehr in den Bereich E-Sports. Es beurteilt Sponsorships nach dem Return-on-Invest, unter anderem mit Blick auf das Mediavolumen, das zurückkommt. Pro Euro, den eine Firma als Sponsoringsumme investiert, erhält sie im Fussball ungefähr einen Gegenwert von sechs. Im E-Sports liegt dieses Verhältnis laut Nielsen Sports im Durchschnitt bei 1:18. Also ein dreimal höherer Wert, der zurückkommt. Im E-Sport gibt es im Vergleich zu klassischen Sportarten also noch effektive Möglichkeiten für kleine Budgets.

Es heisst E-Sports werde Fussball in den nächsten Jahren als weltweit grösste Sportart ablösen. Wie realistisch sehen Sie das?
Nein, soweit würde ich nicht gehen. Die Sportart Fussball hat sich historisch entwickelt und E-Sports gibt es in seiner jetzigen Form etwa seit einem Jahrzehnt. Aber man kann klar erkennen: Die eine Sportart wächst und die andere eben nicht. E-Sports wird in Zukunft also sicher eine noch grössere Rolle spielen als jetzt.


* Daniel Luther ist Experte für E-Sports und arbeitet unter anderem für das ESB Marketing Netzwerk. Er berät DAX-Konzerne und Fussballvereine wie den FC Basel und Borussia Mönchengladbach. Der 28-Jährige war früher selbst E-Sportler und gewann 2007 die Weltmeisterschaft in «Call of Duty» in Dallas USA. Danach war er Pro-Gamer für die Teams Dignitas und SK Gaming.

 



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