10.12.2010

Reto Schär

Über Internetfallen und den Social Media Hype

Am Donnerstag: Experten-Anlass in Zürich.
Reto Schär: Über Internetfallen und den Social Media Hype

"Die Twitter Nicknames von Coop und UBS werden von anderen Personen blockiert"

Was für potentielle Chancen eröffnen sich Unternehmern dank sozialen Plattformen wie Facebook oder Twitter? Was für Risiken birgt das Web 2.0 tatsächlich? Diesen und weiteren Fragen widmet sich die Veranstaltung "Social Networking", die am 16. Dezember in Zürich stattfindet. Organisiert wird der Event von der Firma Screenpoint. "persoenlich.com" hat sich mit dem Verantwortlichen Reto Schär über Internetfallen und den Social Media Hype unterhalten. Das Interview:

Herr Schär, Social Media beschäftigt die Werbe- und Marketingbranche. Auf was führen Sie diesen Hype zurück?

Sich selber einzubringen und sich sozial auszutauschen sind Grundbedürfnisse jedes Einzelnen. Das war vor ein paar Jahren in der heutigen Form noch nicht möglich. Das "Send-only-Prinzip" ist dank Web 2.0 überwunden, indem Funktionen zur Verfügung gestellt werden, mit denen auf Inhalte des Senders reagiert werden können. Im Social Network herrschen aber eigene kulturelle Gesetze. Die spezielle Herausforderung für Firmen besteht darin, den passenden Mix zu finden zwischen "menschlichem Touch" und Professionalität. Unternehmen, die einen ersten Schritt ins Social Network unternehmen, werden zum einen mit demokratischen Prinzipien konfrontiert und zum anderen steht ein Berg von technischen Herausforderungen vor ihnen. Gute Fachleute in Social Media Marketing, wie z.B. Thomas Hutter sowie erfahrene Techniker sind dabei unerlässlich.

Überall werden Kurse und Workshops angeboten. Wie beurteilen Sie das Angebot? Wie beurteilen Sie die Qualität des Angebotes?

Es steht mir nicht zu, andere in ihren Aktivitäten kritisieren, aber was das Angebot im Social Media-Bereich anbelangt, kann man die Feststellung machen, dass es zwei Arten von Workshops gibt. Die einen sind Werbeveranstaltungen und andere stellen das Thema in den Mittelpunkt. Manchmal wird man an die Zeit um 1997/98 zurück erinnert, bei der die Banken ihr Geld nicht schnell genug loswerden konnten, wenn ein dot.com in der Firma enthalten war. Bei manchen Veranstaltungen vermisse ich manchmal den Fokus auf KMUs. Die Schweizer Wirtschaft ist "KMU-dominant". 99,7 Prozent der Schweizer Unternehmen sind KMU. Es ist zwar spannend zu erfahren, was die "Grossen" mit uns vorhaben, aber ein Unternehmer fragt auch nach Kosten und Nutzen. Um einen Business Case modellieren zu können, muss man auch hier Anhaltspunkte liefern.

Was bieten Sie mit Ihrer Tagung an Mehrwert an?

Wir versuchen Transparenz zu schaffen, in dem wir dort andocken, wo die grossen Social Network-Plattformen ihre Anschlüsse bieten, lassen Sie mich diese "Integration Spots" nennen. Wir präsentieren die Möglichkeiten und Beschränkungen, und zwar auf technischer wie auch auf juristischer Seite. Um Teil des Netzes zu werden, soll aber auch auf Chancen und Risiken hingewiesen werden. Dieser komplementäre Ansatz ist für eine Veranstaltung aussergewöhnlich. Wir zeigen praktische Anwendungsmöglichkeiten und liefern Impulse für neue Projekte.

Wen wollen Sie mit der Veranstaltung ansprechen?

In erster Linie möchten wir Unternehmer, Entscheidungsträger, aber auch engagierte Internet-Nutzer ansprechen, die kurz davor stehen, ein eigenes Web 2.0-Projekt zu prüfen. Aber auch solche Personen dürften aus der Veranstaltung etwas mitnehmen, für die der Begriff "Social Networking" bisher zu wenig griffig war und nach konkreten Funktionen suchen.

Wer sind die Redner? Und wie haben Sie Auswahl getroffen?

Für die Qualität der Vorträge war es wichtig, dass die Redner über Themen erzählen, mit denen sie sich auch beruflich auseinander setzen. Für die juristische Seite haben wir daher nach einer rechtskundigen Person gesucht, welche auch einen Themenschwerpunkt im IT mitbringt, was wir mit Frau Carmen de la Cruz ideal abdecken haben. Zu Chancen und Risiken hat sich Thomas Köhler intensiv beschäftigt und auch sein neuestes Buch diesem Thema gewidmet. Im Bereich der Schnittstellen habe ich in meinem eigenen beruflichen Alltag sehr viel zu tun und decke diesen Bereich selber ab. Dieses Mandat hätte ich auch gerne abgegeben, da meine Firma gleichzeitig der Organisator ist, aber im technischen Bereich sind die Leute leider dünn gesäht.

Ein Schwerpunkt der Veranstaltung sind die rechtlichen Aspekte von sozialen Plattformen. Was muss ich mir als Facebook-User bereits jetzt dringend merken?

Publizieren Sie nichts im Zorn, vor allem nicht gegen Firmen oder Personen, die über mehr Kapital wie Sie verfügen, das Netz ist kein Spielplatz. Weiter sollten Sie bereits heute die Nicknamen ihrer Firma registrieren, auch wenn Sie diese in absehbarer Zeit gar nicht nutzen. Die Unternehmen coop und UBS hätten sich mit dieser Information Kosten und Mühen ersparen können - ihre Twitter Nicknames werden von anderen Personen blockiert. Das gleiche gilt für Facebook und Skype. Rechtswege sind möglich, sind aber immer mit Zeit und Kosten verbunden.

In einem zweiten Teil geht es um technische Möglichkeiten und Prozesse. Was wird dabei oft unter- oder überschätzt?

Unterschätzt wird meiner Meinung nach die Überwindung der internen Prozesswege, das heisst die Kontrolle der Kommunikation. Social Networking hat von Haus aus keine redaktionellen Workflows - darum müssen Sie sich selber kümmern bzw. ein geeignetes System aufstellen. Überschätzt wird dagegen das Potential, falls die Social Network-Komponente als "Insel" verwaist. Erst durch die nahtlose (nahezu) Echtzeit-Integration mit den eigenen Produkten oder Dienstleistungen kann das Pontential ausgeschöpft werden. Auch wird nicht jede Social App automatisch sein Selbstläufer, auch wenn sie gut ist. Hier sind Sie mit cross-medialem Marketing gut beraten. Das Papier hat noch eine Weile nicht ausgedient.

Thomas Koehler stellt am Event sein neues Buch "Die Internetfalle" vor. In was für Fallen sind Sie schon getappt?

(Lacht) Aus einem Enthusiasmus heraus habe ich über eine abgeschlossene Arbeit getweetet, weil ich stolz auf das Ergebnis war. Zum einen dachte ich nicht, dass mein Tweet sich verbreiten würde und zum anderen dachte ich in Treu und Glauben, dem Kunden einen Dienst zu erweisen. Wegen meines Tweets musste die Site vom Netz genommen werden. Das Löschen des Tweets war auch heikel, da einem in solchen Fällen Selbstzensur angelastet wird.

Mit welchen Inhalten wollen Sie die Besucher zum Nachdenken anregen?

Planen Sie ihre Architektur sorgfältig. Starten Sie früh, aber versuchen Sie nicht, Rom an einem Tag zu bauen. Verbessern Sie Ihre Prozesse kontinuierlich. Die Besucher können überlegen, wie sie die gezeigten Funktionen optimal in ihre Kommunikationswege integrieren können.

Ist bereits eine Nachfolgeveranstaltung geplant?

Ja, und zwar im Februar in München, zusammen mit der Unternehmensassistenz Probst. Das genaue Datum werden wir noch veröffentlichen.

(Interview: Corinne Bauer)

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