28.06.2020

15 Jahre Zattoo

«Wir wollen wieder expandieren»

Der TV-Streamingdienst feiert das 15. Jubiläum. Zattoo-CEO Nick Brambring, selber schon fast seit den Anfängen dabei, schaut zurück und erzählt, wo die Schwierigkeiten der Vergangenheit lagen und die Herausforderungen der Zukunft sein werden.
15 Jahre Zattoo: «Wir wollen wieder expandieren»
«Zattoo ist nicht mehr das Ergänzungsprodukt für besondere Gelegenheiten wie in den Anfangsjahren. Mit Zattoo lässt sich TV überall und zeitlich flexibel schauen», sagt Nick Brambring im Interview. (Bilder: pixabay, Zattoo, Gaetan Bally, Collage: persoenlich.com/Loric Lehmann)

Herr Brambring, was bedeutet eigentlich «Zattoo»?
Das Wort stammt aus dem Japanischen und bedeutet «eine grosse Menge Menschen». Hinter dem Namen steht die Idee, eine grosse Menge Menschen zum gemeinsamen Live-TV-Erlebnis im Internet zu versammeln. Beim Start von Zattoo spielte die Gemeinsamkeit auch insofern eine Rolle, als dass unsere Streams über ein Peer-to-Peer-Netzwerk ausgeliefert wurden.

Ihr Unternehmen feiert momentan das 15. Jubiläum. Seit knapp 14 Jahren sind Sie schon im Unternehmen tätig. Hätten Sie je gedacht, dass Sie so lange dabei sein werden?
Anfangs sicher nicht, die viereinhalb Jahre Beratung zuvor kamen mir schon lang vor. Für den langen Verbleib war am Ende vor allem das Team entscheidend. Viele Management-Kollegen sind auch schon seit zehn Jahren dabei. In der Zeit haben wir einige Hürden gemeinsam genommen und schauen nun auf eine tolle Geschichte zurück. Da können es gerne noch ein paar Jahre mehr werden.

Wie unterscheidet sich die Firma heute von der bei Ihrem Einstieg?
Damals war Zattoo ein echtes Start-up mit einer tollen Idee, gutem Funding und gigantischen Ambitionen. Wir haben viel Neuland betreten, was toll war. Dabei haben wir auch unsere Grenzen kennengelernt, Fehler gemacht und daraus gelernt. Die Erfahrungen, sowohl technisch als auch kommerziell, geben uns einen grossen Vorteil gegenüber Neueinsteigern in unserer Industrie.

«Ich höre heute noch Anekdoten von Nutzern, die Dank Zattoo ein für sie wichtiges Sportereignis verfolgen konnten»

2006 startete Zattoo mit einem Angebot für die Fussball-WM. Costa Rica gegen Deutschland. Waren Sie da dabei? War das der erste entscheidende Punkt für Zattoo?
Bei dem Spiel war ich tatsächlich im Stadion, von Zattoo hörte ich kurz nach der WM. Der Launch zur WM war damals genau die richtige Idee unserer Gründerin Bea Knecht. Ganz viele Menschen sind nicht nur interessiert, sondern wollen die Spiele auf keinen Fall verpassen. Und das hat die Möglichkeit der «mobilen» Nutzung, in dem Fall über den Laptop, echt gerettet. Ich höre heute noch Anekdoten von Nutzern, die dank Zattoo ein für sie wichtiges Sportereignis verfolgen konnten.

Wie sah das Marketingbudget aus beim Start?
Es gab quasi kein Marketing. Basis war ein hochinnovatives Produkt, das kostenlos zur Verfügung stand. Das hat sich zunächst unter technikaffinen Nutzern herumgesprochen. Dann sprangen die Medien darauf an und Zattoo startete richtig durch.

Dann kam die Finanzkrise 2009: Die grossen Expansionspläne mussten zurückgestellt werden. Im Nachhinein ein guter Entscheid?
Tatsächlich wurden die Expansionspläne bereits 2007 und 2008 in insgesamt acht Ländern umgesetzt, in denen wir ein kostenfreies Consumer-Produkt angeboten haben. Wir haben die hohen Content- und Streaming-Kosten allerdings nicht ansatzweise über Werbung finanzieren können. So haben wir zurückgeschraubt und auf den Aufbau eines profitablen Geschäfts inklusive Subscriptions in der Schweiz und in Deutschland konzentriert. Später kam unser inzwischen international sehr erfolgreiches B2B-Geschäft hinzu.

«Wir spüren nun aber tatsächlich den Wegfall der Sport-Ereignisse – insbesondere der EM»

Seit 2012 baute sich Zattoo ein zweites Standbein mit einem B2B-Geschäft auf. Was beinhaltet dies genau?
Wir stellen Unternehmen auf der ganzen Welt unsere Technologie als White-Label-Lösung zur Verfügung. Kunden sind zum Beispiel der Internet-Provider 1&1 in Deutschland, die Telcos Salt in der Schweiz oder Eir in Irland. Sie beziehen von Zattoo das TV-Produkt als Service, den wir managen. Und sie vertreiben ihn unter eigenem Namen, in der Regel in Verbindung mit ihrem Internetangebot, oft auch mit Telefonie als Triple Play.

Während der Fussball-EM 2016 verzeichnete Zattoo laut eigenen Angaben 1,8 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer. In den letzten Monaten fanden Corona-bedingt jedoch kaum Live-Sport-Events statt: Wie hat sich dies auf die Zuschauerzahlen ausgewirkt?
Der Lockdown hat zunächst die Nutzung nach oben getrieben. So lag die Anzahl der monatlich über Zattoo gestreamten Stunden im März um 19 Prozent höher als noch im Januar. Wir spüren nun aber tatsächlich, wie erwartet, den Wegfall der Sport-Ereignisse, insbesondere der EM. Solche Events hatten stets einen positiven Impact auf unser Werbe- und Subscriptions-Geschäft.

Wie ist das Unternehmen, abgesehen von den fehlenden Sport-Ereignissen, durch die Coronakrise gekommen?
Im Vergleich zu anderen Unternehmen und Betrieben, die es wirklich sehr hart getroffen hat, sind wir vergleichsweise gut durch die Krise gekommen. Nicht nur haben wir ein sehr stabiles Geschäftsmodell, sondern auch interne Prozesse, die gut «Remote» funktionieren. Noch wichtiger als Tools für Videokonferenzen oder ähnliches ist dabei, dass wir stets auf Vertrauen und Eigenverantwortung gesetzt haben. Bei uns zählen nur Ergebnisse, ob die im Büro oder von daheim erzielt werden, spielt keine Rolle.

«Zattoo ist die vollumfängliche Alternative zum klassischen TV-Empfang»

Mit den Smart TVs hat sich für Zattoo ebenfalls ein weiterer attraktiver Kanal entwickelt. Was macht die Nutzung da vom Gesamtkuchen aus?
Die Nutzung auf Connected-TVs, also über Smart-TVs und auch Streaming-Geräte wie Apple TV oder Google Chromecast, nimmt seit Jahren stetig zu und liegt inzwischen bei rund der Hälfte der Gesamtnutzung. Das steht für eine ganz wichtige Entwicklung, die wir vor über fünf Jahren eingeläutet haben: Zattoo ist nicht mehr das Ergänzungsprodukt für besondere Gelegenheiten wie in den Anfangsjahren. Zattoo ist die vollumfängliche Alternative zum klassischen TV-Empfang. Mit Zattoo lässt sich TV überall und zeitlich flexibel schauen.

Was wird für Zattoo in den nächsten Jahren die grösste Herausforderung?
Eine laufende und immer grösser werdende Herausforderung ist das Produkt attraktiv zu halten. Die Ansprüche der Nutzer wachsen aufgrund Services wie Netflix stetig. So erwarten sie auch vom TV-Dienst gute Empfehlungen, einfache Nutzerführung und so weiter. Viele TV-Operators werden da nicht mitgehen können. Hier liegt eine riesige Chance für unser B2B-Geschäft und dem «TV-as-a-Service»-Geschäft. Dieses wollen wir noch viel stärker ausserhalb des DACH-Marktes, wo wir führend sind, expandieren. Es erwartet uns wieder Neuland, wie ganz zu Anfang, nur diesmal betreten wir es mit viel mehr Erfahrung.


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KOMMENTARE

Theo Meier
29.06.2020 09:23 Uhr
Ich benutze und schätze Zattoo seit Jahren, auch bei meinen Auslandaufenthalten. Eine Schwachstelle ist jedoch, dass Zattoo beinahe ausschliesslich auf Samsung Smart TV Geräten funktioniert. Während ich mir Netflix auf jedem Smart TV Fernseher ansehen kann. Schade, lässt sich jedoch sicher irgendwann korrigieren.
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