18.04.2021

Radio SRF 3

«Die Spielidee ist bestechend simpel»

Das schweizweit bekannte Radiospiel «ABC SRF 3» wird am Donnerstag 30 Jahre alt. Die ganze Woche wird dies gefeiert – unter anderem mit zusätzlichen Spielrunden. Alexander Blunschi, Co-Leiter SRF 3, über das Kultspiel, das trotz Digitalisierung unverändert geblieben ist.
Radio SRF 3: «Die Spielidee ist bestechend simpel»
«Dass wir heute Ideen finden, die in 30 Jahren noch funktionieren, erlaube ich mir nicht zu träumen», so der 40-jährige Alexander Blunschi, Co-Leiter Radio SRF 3. (Bild: SRF 3/Karin Thommen)
von Christian Beck

Herr Blunschi, nehmen wir passend zu Ihrem Namen den Buchstaben «B»: Von was hat die Frau zwei?
Das ist jetzt gemein, aber okay: «Beine».

Ich spiele auf eine Beanstandung an. Meine eingangs gestellte Frage kam 2017 tatsächlich so vor. Der Ombudsmann taxierte sie als sexistisch. Hat diese Beanstandung etwas ausgelöst bei SRF 3?
Der Ombudsmann gab der Beschwerdeführung damals recht, wonach hier auf «Brüste» als mögliche Antwort abgezielt worden sei. SRF 3 hat bereits damals klar signalisiert, dass solche Buchstaben-Wort-Assoziationen nicht unser Niveau sind, auch wenn das ein sehr seltener Ausreisser war. SRF 3 gibt sich seit jeher Mühe, respektvoll zu formulieren – in jeder Hinsicht. Demnach war der Bericht des Ombudsmanns nicht ein Auslöser, sondern ein Verstärker dieser Bemühungen.

Dass es das Spiel «ABC SRF 3» bis zur Ombudsstelle schafft, zeigt mir, dass die Hörerinnen und Hörer das Quiz sehr ernst nehmen …
Glauben Sie mir: SRF-3-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter kriegen selten so schnell so viel Feedback von unserem Publikum wie in den Fällen, in denen bei «ABC SRF 3» etwas nicht korrekt läuft. Unklare Formulierungen, falsche Schiedsrichterentscheide, unkorrekt gezählte Punkte oder Ähnliches lösen sofort Dutzende von Publikumsmeldungen aus. Das Spiel wird enorm ernst genommen, auch von uns intern. Denn 30 Jahre «ABC SRF 3» – das verpflichtet auch.

«Ich finde es grandios, wie stark sich das Publikum mit unserem Sender identifiziert»

Können Sie ein konkretes Beispiel machen?
Ich selbst war vor zig Jahren Schiedsrichter und spielte gemeinsam mit dem damaligen SRF-3-Moderator Sven Epiney. Wir fragten beim Buchstaben «E» nach einer Frauenzeitschrift und zielten auf die deutsche «Emma» ab. Die Hörerin antwortete «Eva» und meinte, damit selbst einen Jux zu machen. Ich als Schiedsrichter gab den Punkt nicht. Darauf erntete ich Dutzende Meldungen, dass es in Ungarn sehr wohl eine Zeitschrift «Eva» gebe. Ich musste mich also auf dem Sender entschuldigen und den Punktestand korrigieren – was ich aber natürlich auch gerne machte, man lernt ja schliesslich gerne dazu. Auch fatal ist es, Punkte falsch zu zählen. Da die SRF-3-Morgensendung auch im Fernsehen auf SRF 2 läuft, schickt uns das Publikum zum Teil Beweisvideos. Die Leute spulen extra im TV zurück, schneiden die Passage mit dem Fehler raus und schicken sie uns. Ich finde es grandios, wie stark sich das Publikum mit unserem Sender identifiziert.

Gab es auch schon andere Pannen in der langen Geschichte?
Ehrlich gesagt, das kommt ab und an mal vor. Schiedsrichter, die zu spät kommen, Moderatorinnen und Moderatoren, die die Fragen falsch lesen, Telefonleitungen, die zusammenbrechen. Radio ist live, ohne doppelten Boden. Das ist der Reiz daran. Auch wir wissen nicht früher als das Publikum, was jetzt dann gleich passiert.

Wie entstehen eigentlich die Fragen? Sicher haben Sie eine rund 20-köpfige Fragenredaktion …
Es sind 21 Köpfe (lacht). Nein, Spass. Im Verhältnis zur Aufmerksamkeit des Spiels ist der Aufwand minim. Die Produzentin der Sendung wählt den Buchstaben, sucht sich Begriffe, oft kamen diese in vergangenen Spielen so oder ähnlich bereits vor. Basta. In zehn Minuten ist das erledigt.

«Wir stellen zu 90 Prozent ganz simple Fragen»

Trotzdem: Die möglichen Antworten müssen ja gut recherchiert sein.
Der Reiz des Spiels ist es, dass alle Kandidatinnen und Kandidaten alle Fragen beantworten könnten – stünden sie nicht unter dem Stress, dass sie unter Zeitdruck live beim beliebtesten Radiospiel der Schweiz mitspielen und sich dementsprechend blamieren könnten. Insofern stellen wir zu 90 Prozent ganz simple Fragen, die man nicht gross recherchieren muss. Das erwähnte Beispiel «Emma-Eva» ist eine unrühmliche Ausnahme. Ansonsten suchen wir nach einem Nachbarland mit «D» oder das Gegenteil von gross mit «K». Recherche erübrigt sich da weitgehend.

Blenden wir 30 Jahre zurück. Am 22. April 1991 wurde das Kultspiel zum ersten Mal gespielt. Sind Sie neidisch auf die Idee von François «FM» Mürner?
Neidisch? Nein, dankbar und voller Ehrfurcht. Wir heutigen Macher von SRF 3 durften von der DRS-3-Legende FM dieses Spiel erben. Wir hoffen, ihm und dem Spiel gerecht zu werden. Dass wir heute Ideen finden, die in 30 Jahren noch funktionieren, erlaube ich mir nicht zu träumen.

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Worauf führen Sie den Erfolg von «ABC SRF 3» zurück?
Die Spielidee ist bestechend simpel. Zwölf Begriffe zu einem vorgegebenen Buchstaben nennen. Wenn man keine Antwort weiss, fordert man den nächsten Begriff mit «weiter». So ist die Spielanlage. Aber dann kommt die Zeitlimite von 45 Sekunden und der Druck, live im Radio zu sein. Gefühlt hört die halbe Schweiz zu, die Nervosität steigt. Der Kitzel für die passiven Radiohörerinnen und Radiohörer ist fesselnd. Schafft der Kandidat oder die Kandidatin die geforderten zwölf richtigen Antworten oder gibt es einen Absturz? Das Spiel ist auf die zuhörende Mehrheit zugeschnitten, täglich raten zehntausende – heimlich – am Radio mit und werden so wach. Gehirntraining, das Spass macht für alle am Radio. Nur für denjenigen oder diejenige live am Telefon wird es stressig.

Wie hat sich das Quiz seit der Lancierung vor 30 Jahren verändert?
Eigentlich gar nicht. Wir spielen noch stets via Telefon, stellen möglichst simple Fragen und versuchen, die Kandidaten aufs Silbertablett zu heben. So soll clevere Unterhaltung für das ganze SRF-3-Publikum geboten werden. Für viele, die uns anrufen, ist das die grösste Ehre, die es in der Schweizer Radioszene gibt: einmal bei «ABC SRF 3» mitspielen zu können.

Unverändert scheint auch, dass sich Hörerinnen und Hörer zu Beginn des Spiels häufig beklagen, wie schwierig es sei, durchzukommen. Wie viele sind überhaupt schon durchgekommen?
Puh, das ist schwierig zu sagen. Auf der Redaktion haben wir eine Überschlagsrechnung probiert und kamen auf rund 7800 Spiele. Nicht eingerechnet sind Ausfälle wegen Pannen. Wenn wir also 7800 Mal gespielt haben und einige Kandidatinnen schon mehrfach gespielt haben, würde ich sagen, dass wir geschätzt mehr als 7000 Kandidatinnen und Kandidaten hatten. Also so viele wie zum Beispiel in Herzogenbuchsee, Grabs oder Wollerau in etwa wohnen.

«Das Adrenalin kickt bei vielen voll ein»

Was sind das für Menschen, die im Radio «ABC SRF 3» spielen möchten? Ich persönlich rate lieber zu Hause mit.
Menschen, die sich der Herausforderung stellen, die einen Kick suchen. Das Adrenalin kickt bei vielen voll ein, wenn die Morgenmoderatorin von SRF 3 tatsächlich das Telefon abnimmt. Das hören Sie ja dann auch zu Hause am Radio. Aber klar, die ganz grosse Mehrheit hört bequem von zu Hause aus zu und rät so mit. Sehr oft hören wir auch von Kandidaten: «Hui, so live am Sender ist es viel schwieriger …».

Apropos zu Hause: «ABC SRF 3» gibt es auch als Partyspiel für die ganze Familie. Wie häufig wurde dieses schon verkauft?
«ABC SRF 3» ist ein grosser Erfolg. Demnächst verkauft der Spieleverlag Carletto Exemplar Nummer 300'000. Das «ABC SRF 3»-Spiel für zu Hause verkauft sich so oft wie andere Spieleklassiker – also wie Schach, Monopoly oder Uno. Der Unterschied ist, dass «ABC SRF 3» aus offensichtlichen Gründen nur in der Deutschschweiz verkauft werden kann.

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Und das Kartenspiel blieb ebenfalls all die Jahre unverändert?
Hier haben wir gemeinsam mit dem Spielverlag immer wieder spezielle Versionen entwickelt. Das jüngste Kind der Familie heisst «… typisch Schweiz». Dabei sind die Begriffe hochdeutsch gewählt, damit das Spiel noch stärker als bisher in Schulen und bei Therapien eingesetzt werden kann. Dies war ein ausdrücklicher Wunsch von Lehrervereinigungen.

«ABC SRF 3» hiess ja bis 2013 «ABC DRS 3». Löste der Namenswechsel keine Protestwelle aus?
Proteste nicht, aber natürlich gab es Zuschriften, die forderten, den Spielnamen zu belassen. Aber im Zuge der Umbenennung des Unternehmens zu SRF und des Senders zu SRF 3 war es nur konsequent, auch das Spiel umzubenennen. Den Entscheid über den Namen fällten übrigens die Userinnen und User via srf3.ch aus einer Auswahl.

Mit dem Namenswechsel musste auch das Signet neu produziert werden. Wem gehören eigentlich diese niedlichen Kinderstimmen?
Die Originalstimme gehört der Tochter von François «FM» Mürner. Sie war damals Primarschülerin, heute ist sie erwachsen und Mutter. Die aktuelle Stimme gehört Emilia Torriani, der Tochter des ehemaligen SRF-3-Moderationschefs und Moderators Mario Torriani. Auch diese Aufnahme ist bereits acht Jahre alt.


Verraten wir an dieser Stelle ein Geheimnis: «ABC SRF 3» feiert eigentlich erst das 25-Jahr-Jubiläum …
Naja, erfunden und eingeführt wurde das Spiel tatsächlich vor 30 Jahren. Von 1997 bis 2002 spielte DRS 3 damals aber das Geschlechtertanzspiel «Tango». «ABC DRS 3» wurde ausgesetzt.

«Wir drehen eine Woche lang den Spiess um»

Gefeiert wird nun die ganze Woche. Was haben Sie vor?
Die Hörerinnen und Hörer, die jeweils mitspielen, müssen sich immer beweisen und laufen Gefahr, sich vor dem ganzen Publikum zu blamieren. Wir drehen eine Woche lang den Spiess um. Neben dem täglichen Spieltermin um 7.50 Uhr führen wir zwei weitere Spielrunden pro Tag ein – dies ab Montag. Bei diesen müssen die Moderatorinnen und Moderatoren von SRF 3 die Fragen der Hörerinnen und Hörer beantworten und sich beweisen. Zudem bringen wir Zahlen, Fakten und Anekdoten – und natürlich darf der Erfinder François «FM» Mürner nicht fehlen.

Welche Frage würden Sie gerne bei «ABC SRF 3» einmal stellen?
Buchstabe «W»: Wie ist die Steigerungsform von weit?



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