16.01.2007

"Film ist nun mal ein Tummelplatz der Hochstapler"

Ende Januar kommt der Film "One Way" in die Schweizer Kinos mit dem deutschen Weltstar Til Schweiger (Bild) in der Hauptrolle. Drehbuchautor und Regisseur ist der Schweizer Reto Salimbeni, der auch als Werbefilmer bekannt ist. Im Interview mit "persoenlich.com" sagen Schweiger und Salimbeni, wie man durch alle Turbulenzen hindurch eine Zwölf-Millionen-Franken-Produktion stemmt.
"Film ist nun mal ein Tummelplatz der Hochstapler"

Herr Schweiger, wie konnte Sie Reto Salimbeni von seinem Filmprojekt überzeugen?

Til Schweiger: Reto hat mir ungefragt sein Drehbuch per E-Mail zugesandt. Der Zufall wollte es, dass ich mich an diesem Tag beim Mischen von ‘Barfuss’ mit Computerproblemen herumschlug und drei Stunden warten musste, bis das System wieder hochgefahren werden konnte. Aus purer Langeweile habe ich das Drehbuch gelesen -- und war sofort total begeistert. Ich hab Reto danach angerufen, wenige Tage später haben wir uns getroffen.

Die Zusammenarbeit basiert also auf einem Zufall?

Til Schweiger: Zufall war, dass alles so schnell gegangen ist. Normalerweise leite ich Drehbücher an mein Büro weiter und lasse sie erst mal lektorieren.

Herr Salimbeni, Ihre zwei bisherigen Filme fanden abseits der grossen Kinowelt statt. War es schwierig, eine "grosse Kiste" wie "One Way" zustande zu bringen?

Reto Salimbeni: Bei meinen beiden Komödien war sehr wenig Geld vorhanden, aber beide haben sich weltweit sehr gut verkauft. Das geht bei Komödien. "One Way" ist aber ein urbanes Drama, in dem der ‘Look’ die Geschichte miterzählt. Deshalb haben wir sehr aufwendig gedreht. Produktionsmässig hatte ich bei "One Way" geradezu Traumverhältnisse: genug Drehzeit, grosse Crew, eigentlich alles, was ich wollte. Ich konnte so arbeiten, wie ich es in der Werbung normalerweise auch kann. Ich empfand ein tiefes Glück während der Arbeit an "One Way", weil ich alles, was ich bei den anderen Filmen und in der Werbung gelernt hatte, hier nun anwenden konnte.

Die Finanzierung soll nicht ohne Probleme abgelaufen sein. Man hört, dass ein mittelloser Scheich aus Dubai Herrn Schweiger übers Ohr gehauen hat.

Til Schweiger: Das stimmt. Als wir bereits in der Preproduktion waren, ist ein Investor abgesprungen und hat seine bereits vertraglich zugesagten 1,3 Millionen Euro zurückgezogen. Wir hätten ihn verklagen können. Nur: So ein Verfahren dauert zwei Jahre. Was hätte es uns genutzt, wenn wir erst dann das Geld bekommen hätten? Wir brauchten das Geld hier und jetzt. Ich habe dann über einen Bekannten erfahren, dass ein sehr reicher Scheich in Kitzbühel weilt, der in den Film investieren wolle. Mit starken Vorbehalten habe ich mich dann auf den Weg zu ihm gemacht. Jedenfalls kam alles ganz anders, als ich mir es vorgestellt habe. Heute kann ich über die Geschichte lachen, aber an jenem Abend in Kitzbühel war es überhaupt nicht komisch.

Muss man mit solchen Dingen rechnen?

Reto Salimbeni: Film ist nun mal ein Tummelplatz der Hochstapler. In diesem Fall war er besonders schwer zu durchschauen, da von einer renommierten Bank eine Garantie vorlag. Der gute Seemann zeigt sich eben erst bei Sturm. Til ist durch das Wegfallen der Finanzierung nicht in Panik geraten und hat das Geld anderweitig gefunden. Du findest keinen Zweiten der mit so viele Engagement und persönlichem Risiko einen Film durchboxt. Ich finde es ärgerlich, wenn man nun vor allem in der deutschen Presse einseitig über die Scheich-Story berichtet, anstatt Tils unternehmerische Glanzleistung anzuerkennen.

Bei "Casino Royale" werden geschätzte hundert Millionen durch Product-Placement umgesetzt. Wie viele Einnahmen können bei Produktionen der Grösse von "One Way" generiert werden?

Til Schweiger: Nicht viel. In Deutschland sind dazu die Bestimmungen nach den jüngsten Skandalen im TV auch zu restriktiv. Auf Product-Placement wird vielfach verzichtet, da die Szenen in der folgenden TV-Ausstrahlung herausgeschnitten werden müssen. Ein Beispiel: Wir wurden ausgestattet von Hugo Boss. In einer ganz kurzen Szene, in der ich vor dem Spiegel stehe, kann man auf meiner Unterhose eindeutig das Hugo-Boss-Logo erkennen. Da die Leute deswegen in Deutschland die Augen verdrehen, haben wir uns entschieden, das Logo nicht zu zeigen -- zumal die Szene im Film entscheidend ist. Denn wenn sich in diesem Moment im Kino alle nur über das Product-Placement lustig machen, ist dies kontraproduktiv.

Ärgert Sie die breite Ablehnung des Product-Placements?

Til Schweiger: Ich kann Ihnen sagen, was ich daran schade finde: Wir brauchen ein Jahr, um die 7,5 Millionen Euro zu generieren, die für die Umsetzung des Films nötig sind. ‘Casino Royale’ hatte dagegen ein Budget von 135 Millionen Euro und muss kaum noch Mittel aufwenden, da das ganze Geld schon durch die Werbung eingespielt wird. Obwohl der Film Product-Placement in Reinkultur betreibt, finden es beim Bond-Film alle cool. Das ist unfair!

Eine ganze Reihe der erfolgreichsten internationalen Kinoproduktionen stammt von ehemaligen Kreativen. Was macht Werbefilmer zu starken Spielfilm-Regisseuren?

Reto Salimbeni: In der Werbung lernt man, Geschichten in sehr kurzer Zeit zu erzählen, man lernt viel über die Technik, man muss seine Vision innerhalb verschiedener Entscheidungsträger realisieren. Werbung ist ein sehr kompetitives Geschäft, die Drehtage sind teuer, der Druck ist gross. Ich finde den Druck aber sehr gesund und liebe ihn. Von Ridley Scott bis zu Woody Allen -- heute drehen alle Werbespots.

Ist der Schritt vom Werbefilmer zum Spielfilmregisseur gross?

Reto Salimbeni: Ich habe als 12-jähriger Junge nicht gesagt: "Ich will Werberegisseur werden." Mein Traum damals war es, einmal "Bonanza" zu drehen. In der Schweiz hab ich als Assistent zwei- oder dreimal an einem Spielfilm mitgearbeitet, konnte mich damals aber mit den Filmen nicht identifizieren. Die Umsetzung und die Inhalte waren stets dieselben: Schlecht ausgeleuchtete Menschen sprachen von ihren Problemen. Mich hat das nicht berührt! Das war für mich nicht Kino, eher gefilmtes Theater. Ich wollte Filme im Stile von ‘Midnight Run’ oder "French Connection" drehen, nichts anderes. Per Zufall kam ich dann zur Werbung, wollte aber nicht lange in der Branche bleiben. Ich habe mich dann allerdings in das Spot-Genre verliebt und drehe heute noch leidenschaftlich gerne Spots.

Welche Fähigkeiten mussten Sie als Werbefilmer dazulernen?

Reto Salimbeni: "Ich habe -- wie so viele andere, die sich an einen Spielfilm heranwagen -- anfangs die Dramaturgie unterschätzt. Um über zwei Stunden die Spannung in einer Geschichte zu halten, muss man sich intensiv mit dem Drehbuch auseinandersetzen. In diesem Prozess hatte ich das grosse Glück, als Ghostwriter für zwei Disney-Filme tätig gewesen zu sein. Dabei habe ich viel Sicherheit gewonnen. Ich empfehle jedem jungen Regisseur, sein Material selber zu schreiben, dadurch hat er einen grossen Wettbewerbsvorteil. Ich habe bis jetzt neun Drehbücher geschrieben. Fünf wurden verfilmt, die anderen sind optioniert oder in Planung.

Der Film läuft am Donnerstag in den Kinos an. Ist da ein so ausgebuffter Profi wie Til Schweiger vor der Premiere nervös?

Til Schweiger: Ich bin stets sehr angespannt am Start-Donnerstag. Für mich ist diese Zeit der reinste Horror. Am Nachmittag kommen die ersten Trends, um 22 Uhr hast du die erste Ansage und bereits um Mitternacht weisst du, ob dein Film funktioniert. Es ist ein furchtbares Gefühl, wenn du über Monate hinweg alles gegeben hast und merkst, dass dein Film nicht ankommt. Du schleichst dich am Freitag in die Spätvorstellung im Cinemax Potsdamer Platz in Berlin und siehst, dass im Saal, in welchem 800 Personen Platz haben, bloss vier Leute sitzen. Bei einer Eigenproduktion musste ich dies zum Glück erst einmal erleben.

Rechnen Sie auch mit dem Fall, dass "One Way" beim Publikum durchfallen könnte?

Reto Salimbeni: "One Way" schnitt in den Test-Screenings sehr gut ab. Wir waren zudem in Hollywood für den Discovery Award nominiert. Wir sind deshalb guten Mutes, dass der Film funktionieren wird. Aber letztendlich ist Kino Magie. Man weiss zuvor nie, ob ein Film beim Publikum ankommt.

Til Schweiger: Qualität ist leider noch lange keine Garantie für Erfolg. Denn selbst wenn die Test-Screenings grossartig sind, heisst dies noch lange nicht, dass der Film in den Kinos dann funktioniert. Die Screenings sagen nämlich bloss, ob die Leute den Film, den sie sehen, klasse finden. Sind die Kinos in den ersten Tagen aber leer, weil im Vorfeld kein Marketing für den Film stattgefunden hat, nützt auch die Mundpropaganda nichts. Denn hatte der Film bereits am ersten Tag schlechte Zahlen, fällt er am Montag in der Disposition für das nächste Kino-Wochenende schon raus, weil in der folgenden Woche bereits die nächsten grossen Blockbusters wie "Saw 4" oder "The Ring 3" anlaufen.



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