24.02.2023

Sandra Studer

«Ich bin ein bisschen alles und nichts»

Die 54-Jährige ist seit drei Jahrzehnten auf den Schweizer Bühnen und im Fernsehen präsent – professionell und absolut skandalfrei. Aktuell ist sie im Schweizer Musical «Sister Äct» zu sehen. Im Herbst kommt das Stück zurück auf die Bühne. Ein Gespräch über ihre vielfältige Karriere.
Sandra Studer: «Ich bin ein bisschen alles und nichts»
Ist Sängerin, Schauspielerin und Moderatorin: Sandra Studer. (Bilder: Marc Wetli)
von Matthias Ackeret

Frau Studer, mehr als 60'000 Menschen haben das Musical «Sister Äct» bisher besucht (persoenlich.com berichtete). Wie erklären Sie sich diesen grossen Erfolg?
Viele kennen den Film. Die Geschichte der Nonnen, die eine Nachtklubsängerin verstecken müssen, ist originell, witzig und auch berührend. Zudem liefern Regisseur Dominik Flaschka und die Autoren Roman Riklin und Eric Hättenschwiler mit «Sister Äct» die schweizerdeutsche Version und verlegen das Stück mitten in die 1970er-Jahre in Zürich. Es ist eine Produktion mit toller Musik, liebevoll und frech geschriebenen Texten, und man hat als Publikum grossen Spass. Ich glaube, das nehmen die Menschen gerade sehr dankbar an: In diesen belasteten Zeiten zweieinhalb Stunden zu lachen, unterhalten und berührt zu werden. Und so funktioniert dann eben auch die Mundpropaganda. Wir sind sehr glücklich, dass das Theater voll ist.

Sie sind eine der vielfältigsten Schauspielerinnen und Sängerinnen. Wie ist eigentlich Ihre offizielle Bezeichnung?
Ich bin ein bisschen alles und nichts. Ich weiss manchmal auch nicht, was ich sagen soll, wenn ich nach meiner Berufsbezeichnung gefragt werde. Ich moderiere, aber eigentlich gar nicht so oft, ich singe, finde es aber fast anmassend, mich als Sängerin zu bezeichnen, und ich schauspielere, habe aber nie eine Schauspielschule besucht.

«Hat man etwas gelernt, ist es irgendwo im Rückenmark abgelegt»

Aktuell sind Sie nicht nur in «Sister Äct», sondern auch im Theater Rigiblick in «Ds Lied vo de Bahnhöf» von Mani Matter und in «Yesterday … Tribute to Paul McCartney» zu sehen. Wie bewältigen Sie das alles?
Hat man etwas gelernt, ist es irgendwo im Rückenmark abgelegt. Aber man muss es immer frisch halten. Es gab kürzlich eine Woche, da spielte ich an drei aufeinanderfolgenden Abenden alle drei Stücke. Da brauche ich dann schon etwas Disziplin und Vorbereitung. Gerade für einen Mani-Matter-Theaterabend, den wir nur einmal im Monat spielen, muss ich ein paar Tage vorher die Texte durchgehen. Wenn man sich unsicher fühlt auf der Bühne, ist das ein Leiden. Man muss sich auf einen gewissen Automatismus verlassen können. Der kam mir kürzlich sehr zugute, als ich bei «Sister Äct» bei einem Auftritt die ganze Treppe hinunterstürzte. Im Publikum ein grosses Raunen, und meine Nonnenkolleginnen wussten nicht, ob sie lachen oder die Vorstellung unterbrechen sollten. Im Adrenalinschub habe ich einfach weitergesprochen und erst später gemerkt, dass ich mir schon «echli» wehgetan hatte. Das ist eben der Unterschied zu einer Moderation, wo man so etwas verbal und situativ aufnehmen würde und spontan reagieren kann. Im Theater ist man in einer Rolle, muss den Kolleginnen und Schauspielern das Stichwort liefern, sich an Abgemachtes halten. Es ist ein grosses Teamwork.

War Ihr Weg auf die Bühne vorbestimmt?
Überhaupt nicht. Ich wusste lange Zeit nicht, was aus mir werden sollte. Ich studierte Germanistik und Musikwissenschaften, weil mir das damals vom Dramaturgen des Opernhauses geraten wurde. Ich war ein grosser Opern-Fan und hockte die Hälfte der Woche in Vorstellungen. Ich durfte auch in der damaligen Opernhaus-Zeitung schreiben, vor allem über Ballett. Ich sah meine berufliche Zukunft irgendwo im Backstage- und Office-Bereich eines Opernhauses.

Wenn Leute über Sie reden, sagen sie oft: Die kann im Vergleich zu anderen sehr gut singen. Ist das das grösste Kompliment, das man Ihnen machen kann?
Ja, das ist sehr cool. Musik und Singen sind mein Herzensding. Ich bin dankbar, dass ich beides immer in mein Arbeitsleben integrieren konnte. Dazu kommt das Theater, das ein bisschen auch ein Altersgeschenk ist. Theater ist nicht sehr familienkompatibel. Und während Jahren habe ich meinen Job der Familie angepasst. Fernsehen war da perfekt. Seit die Kinder grösser sind, ist jetzt auch Theater wieder möglich.

Gab es nie Reibereien zwischen Beruf und Familie?
Natürlich, auch mit meinem Mann. Es war oft ein Seilziehen, ein Ausdealen und Neuverhandeln der gemeinsamen Aufgaben. Wir sind beide in den vergangenen Jahren manchmal auf dem Zahnfleisch gelaufen, aber es war immer klar, dass für uns beide die Familie an erster Stelle steht. Zum Glück hat meine Gesundheit immer mitgemacht. Und ich hatte nie das Gefühl, ich müsste das eine für das andere opfern, obwohl ich auf beiden Seiten auf ein paar Dinge verzichtete.

«Eine Katastrophe wird von der nächsten abgelöst»

Sie haben sich mit Ihrem Mann Luka Müller für Tonga, das vor einem Jahr nach dem Vulkanausbruch von einem Tsunami heimgesucht wurde, mit einem eigenen Hilfswerk engagiert (persoenlich.com berichtete). Warum diese Aktion?
Lukas Urgrossvater wanderte nach Tonga aus, und sein Vater ist noch dort geboren und teilweise auch aufgewachsen. Durch diese Familiengeschichte haben wir einen engen Bezug, und Luka betreibt seit vielen Jahren eigene Projekte im Solar-, Agrar- und Tourismusbereich. Wir waren auch mit unseren Kindern schon zweimal da und haben Land und Leute schätzen gelernt. Wir wollten nach der Katastrophe unbedingt schnell und effizient helfen, was uns aus der Distanz dank der bestehenden Kontakte und der Grosszügigkeit vieler Spenderinnen und Spender möglich war und immer noch ist.

Mittlerweile ist Tonga aus den internationalen Schlagzeilen verschwunden. Was bedeutet dies für Ihr Engagement?
Eine Katastrophe wird von der nächsten abgelöst. So geht das mit der medialen Aufmerksamkeit. Und der Krieg hat uns ja wirklich alle sehr erschüttert. Trotzdem arbeiten wir weiter für Tonga, und mein Mann konnte letztes Jahr endlich wieder hinreisen. Es gibt so viel zu tun, und wir sind sehr motiviert.

Und was sind bei Ihnen selbst die nächsten Projekte?
Nebst Vorstellungen im Theater Rigiblick bei Mani Matter und Paul McCartney sind es ein paar Moderationen, Auftritte in der Tonhalle, und dann kommt hoffentlich ein wunderschöner Frühling, den ich mehrheitlich in der Natur verbringen möchte.



Das ausführliche Interview mit Sandra Studer lesen Sie in der aktuellen persönlich-Printausgabe.

Bearbeitung: Marion Loher



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