04.04.2007

"Ich bin vom Tempo der Entwicklung überrascht"

International ist Online-Werbung schon länger ein boomender Markt. 2006 hat sie sich auch in der Schweiz etabliert. Bei Goldbach Media erweist sich das Online-Segment als eigentlicher Wachstumstreiber. Doch in Küsnacht wittert man bereits das nächste grosse Business: In-Game-Werbung. Dafür wurde die gamemediarep AG neu geschaffen. Im Gespräch mit "persoenlich.com" erläutert Martin Radelfinger, welche Voraussetzungen es für den Erfolg braucht.
"Ich bin vom Tempo der Entwicklung überrascht"

Martin Radelfinger, Sie sind seit einem halben Jahr bei Goldbach Media auf Gruppenebene für die neuen Bereiche "Business Development" und "Mergers & Acquisitions" verantwortlich. Ist die Gründung der neuen Unit gamemediarep AG eine direkte Folge der Tätigkeiten dieser Bereiche?

Es gehört zu unseren Aufgaben, sich mit der Entstehung von neuen Medien zu beschäftigen. Wir haben den Games-Markt beobachtet, sowohl was den Konsum der Spiele betrifft als auch die Entwicklung der PC- Konsolen und Casual Games als Werbemedium. Dabei sind wir zum Schluss gelangt, dass wir In-Game-Werbung nicht als zusätzliches Modell im Online-Bereich positionieren, sondern als eigenes Medium mit eigenen Gesetzmässigkeiten und Möglichkeiten. Die Vermarktung und Vermittlung von Werbung für dieses neue Medium muss von eigenen speziallisierten Vermarktungsgesellschaften betrieben werden. Dazu gehört nicht nur das Know-how sondern auch die entsprechende Technologie zur Auslieferung und Steuerung der Werbung.

In-Game-Werbung boomt international. Wird der Markt in der Schweiz mit diesem Wachstum mithalten?

In kleinen Märkten dauert es immer länger, ein neues Medium im Werbemarkt zu etablieren. Auch bei der In-Game-Werbung muss man dem Kunden zuerst eine werberelevante Reichweite bieten können. Das heisst, man braucht ein ausreichendes Portfolio an Spielen. Dieses aufzubauen, geht in einem grösseren Markt schneller.

Welche Eigenheiten bringt der Schweizer Markt noch mit?

Für den Schweizer Markt muss die Voraussetzung gegeben sein, dass man die In-Game-Werbung lokalisieren kann. Für ein Schweizer Unternehmen, das nicht global tätig ist, steht es nicht zur Diskussion, in einem Spiel statisch und damit weltweit zu werben. Das macht vom Zugang her keinen Sinn und lässt auch das Budget nicht zu. In-Game-Werbung muss man für den hiesigen Markt zeitlich und geographisch steuern können. Dies ist möglich durch die so genannte dynamische In-Game-Werbung welche analog der Online Werbung gesteuert wird.

Braucht es bei Auftraggebern oder bei den Mediaagenturen mehr Überzeugungsarbeit für In-Game-Werbung?

Es ist noch zu früh, um beurteilen zu können, bei wem der Bedarf an Information grösser ist. Der Vorteil der In-Game-Werbung ist aber, dass man sie einem Auftraggeber oder einer Agentur viel besser verständlich machen kann, als beispielsweise Online-Werbung. Es handelt sich nämlich nicht grundsätzlich um neue Werbeformate. Es sind Banden bei Sportveranstaltungen, Plakate in einer Stadt oder Werbespots, die in einem Fernseher laufen. Nur dass diese Werbeformate eben in die Spielwelten integriert sind. Man kann also von einer Abbildung der klassischen Werbung in der virtuellen Welt reden.

Aus welcher Richtung spüren sie bisher am meisten Interesse?

Das grösste Echo ist bisher von Marketing- und Werbeleitern von grossen Direktkunden gekommen. Sie sehen eine Möglichkeit, dass sie dieses Thema als erste besetzen können. So wäre es beispielsweise möglich, dass es im ganzen Gaming-Bereich nur eine Versicherungsgesellschaft gibt, d.h. überall wo in den Spielen geworben wird, sieht man nur die Versicherung XY. Weil das Werbemedium noch im Entstehen ist, kann man im Gegensatz zu anderen Werbemedien eine Kategorie zu vernünftigen Kosten noch exklusiv besetzen.

Neue Werbemedien tun sich in der Schweiz allgemein schwer, auch bei der Online-Werbung liegt man im internationalen Vergleich im Hintertreffen. Wie kommt das?

Dieser Rückstand basiert zu einem grossen Teil auf strukturellen Hemmnissen. Durch die mangelnde Grösse des Marktes gab es bei den Schweizer Mediaagenturen lange keine Units für Online-Werbung. Erst aufgrund des Druckes der internationalen Netzwerke, denen die Schweizer Agenturen angehören, hatten sie keine Wahl mehr und schufen eigene Online-Abteilungen.

Ist das nun vorhandene Know-how ein Grund dafür, dass im 2006 die Online-Werbung massiv zugelegt hat?

In der Schweiz besteht ein grosser Nachholbedarf. Allerdings bin ich vom jetzigen Tempo der Entwicklung selber überrascht. Den grossen Schritt im vergangenen Jahr habe ich erst für dieses Jahr erwartet. Und was sich für dieses Jahr abzeichnet, hätte ich eher für 2008 vorausgesagt. Es steht uns ein enormes Wachstum bevor.

Laut der Studie "Werbetrends 2007" der Handelszeitung feiert die klassische Werbung ein Comeback, die Online-Werbung spielt weiterhin nur eine Nebenrolle. Erstaunen Sie diese Ergebnisse?

Diese Aussagen decken sich nicht mit meiner persönlichen Erfahrung im Schweizer Markt, viel weniger mit meiner Wahrnehmung des europäischen Marktes und noch weniger mit derjenigen des amerikanischen und asiatischen Marktes. Und die Zahlen, die mir aus den verschiedenen Märkten bekannt sind, unterstützen meine Wahrnehmung. Die Online-Werbung ist überall im Wachstum begriffen.

Wie sehen denn ihre persönlichen Werbetrends aus?

Die Schweiz ist keine Insel. Entwicklungen, die sich global abzeichnen, werden sich auch hier durchsetzen. Es wird eine ziemlich massive Verschiebung in Richtung der elektronischen Medien geben. Die Fragmentierung der Werbemedien und damit auch der Zielgruppen wird weiter voranschreiten. Herausforderung für die Werbung wird es sein, Mittel und Wege zu finden, weiterhin an das gewünschte Zielpublikum heranzukommen. Als Vermarkter sehen wir die Reduktion dieser Komplexität als eine unserer zentralen Aufgaben.

(Interview: Stefan Wyss)



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