Herr Hösly, was bedeutet der Entscheid des Bundesrats für das Hallenstadion?
Das ist sicher ein erster Lichtblick und gibt Hoffnung, dass bald wieder Grossanlässe im Hallenstadion durchgeführt werden können. Die Rahmenbedingungen dafür sind aber noch nicht ganz klar, wie die genaue Kapazität in der Location und welches die genauen Einlasskriterien sein werden. Internationale Konzerttourneen werden allerdings im Herbst, trotz Erleichterungen, keine im Hallenstadion sein. Diese brauchen eine Vorlaufzeit von mindestens sechs bis neun Monaten. Internationale Künstlerinnen und Künstler müssen auch zumindest in ganz Mitteleuropa wieder «quarantänefrei» auftreten dürfen und die coronabedingten Einreisebestimmungen in die Nachbarländer und zwischen den Nachbarländern müssten aufgehoben werden. Denn grosse Bands spielen heute in Zürich, morgen in Wien und dann in München ...
Aber sind Sie im Herbst bereits wieder imstande, Grossanlässe durchzuführen?
Wir selbst, also das Hallenstadion, sind sicher bereit. Wir können wieder starten, sobald die genauen Vorschriften und Massnahmen bekannt sind. Aber es braucht auch die Shows und Events, also den «Content» in der Halle, und dieser kommt von den Künstlern und den produzierenden Veranstaltern. Wir freuen uns aber, dass wir beim Eishockey die Aussicht haben, dass die ZSC Lions in der kommenden Saison wieder vor Publikum spielen können.
Wissen Sie schon, wer die Konzertsaison eröffnet?
Im Moment ist das die Schweizer Band Pegasus, welche hoffentlich planmässig am 1. Oktober 2021 bei uns performen und den «Eisbrecher» spielen wird. Alle weiteren geplanten Konzerte sind frühestens gegen Ende Jahr, eher erst 2022 angedacht.
«Die drei ‹akuten› Pandemiejahre 2020, 2021 und 2022 verzehren rund 20 Millionen Franken»
Wie gross war der finanzielle Schaden, den das Hallenstadion durch die Pandemie erlitten hat?
Der ist riesig. Wir haben im Jahr 2020 nur ein Sechstel des durchschnittlichen Jahresumsatzes erzielt und mussten erstmals seit der Sanierung Anfang der Zweitausenderjahre einen Verlust von über zwei Millionen Franken im Geschäftsbericht ausweisen. Und dieser Verlust ist erst noch nur dank unserer Versicherungsdeckung nicht noch einiges höher ausgefallen. Für das aktuelle Jahr müssen wir davon ausgehen, dass es – trotz Bezug von Kurzarbeitsentschädigungen – noch schlechter ausfallen wird, da unsicher ist, wann wir welche Events wieder durchführen können. Die drei «akuten» Pandemiejahre 2020, 2021 und 2022 verzehren rund 20 Millionen Franken. Nur dank einer sehr soliden Finanzpolitik, die wir in den letzten Jahren umgesetzt haben, ist es dem Hallenstadion möglich, eine solche Krise zu überleben. Zudem haben wir bei der Stadt und dem Kanton Zürich, welche Aktionäre des Hallenstadions sind, bereits im Juni 2020 ein Gesuch eingereicht, dass wir mindestens von den finanziellen Abgaben, die wir an Stadt und Kanton abführen (Darlehenszinsen, Mietzinsen, Baurechtszinsen etc.) entlastet werden. Und darüber wird im Gemeinderat von Zürich immer noch diskutiert – wir sind aber zuversichtlich, dass die Stadt, die mit ihrer Position als Miteigentümerin der AG Hallenstadion verbundene Verantwortung auch wahrnehmen wird.
Was wird sich für das Hallenstadion nach der Coronakrise ändern?
In einem ersten Schritt, wenn alles wieder «normal» wird, werden wir aller Voraussicht nach einen sehr gut gebuchten Datenkalender haben. Es wird die ersten beiden Jahre nach Corona ein Nachholbedarf da sein und wir werden viele Events haben. Die Frage bleibt offen, wie gut diese Events besucht sein werden. Auch das Publikum muss sich wieder an einen «angstfreien Normalzustand» gewöhnen. Wir können auch davon ausgehen, dass bei einem so grossen Angebot an Events die durchschnittliche Besucherzahl pro Konzert vermutlich eher etwas sinken wird. Und wir glauben, dass einige Schutzmassnahmen auch nach Corona noch weiter bleiben und eine Art «Standard» werden.
Dann ist noch lange nicht Normalität ...
Ja, aber die grösste Änderung für das Hallenstadion hat nicht direkt etwas mit Corona zu tun, sondern ist der Auszug der ZSC Lions im Mai 2022. Ohne Hockey haben wir wesentlich mehr Terminmöglichkeiten in unserer Agenda und somit mehr Flexibilität für unsere Veranstalter und Kunden – und das zumeist in der besten «Hallenzeit» zwischen September und Mai. Auch werden wir neu die Möglichkeit haben, mehrtägige Produktionen wie beispielsweise den Cirque du Soleil oder ähnliche Veranstaltungen bei uns durchzuführen – das ist bisher wegen des dichten Hockyspielplans nicht möglich.
«Die Situation in der Gastronomie ist katastrophal»
Sie sind auch noch Herausgeber von «Waltis Beizenführer». Wie beurteilen Sie momentan die Situation für die Gastronomen? Wie viele werden die Krise nicht überleben?
Die Situation in der Gastronomie ist katastrophal. Die Wirtsleute wurden schlicht und einfach «kaltgestellt» – nicht, weil die Ansteckungsgefahr in Restaurants so hoch ist, sondern nur, um die Ausgehfrequenz der Bevölkerung einzudämmen. Sie werden also als reines «Mittel zum Zweck» missbraucht. Mir sind bereits einige «Beizen» bekannt, die nicht mehr aufmachen werden, darunter auch bekannte, wie das «Picasso» im Langstrassenquartier oder die beliebte Studenten- und Gartenbeiz «Zun drei Stuben». Wir haben aber nach dem ersten Lockdown festgestellt, dass die Wirtsleute, welche ihre Stammgäste gepflegt haben und sich nicht von der Schicki-Micki-Szene haben blenden lassen, eine relativ kurze Wiederaufstartzeit hatten. Die in den letzten 15 Monaten aufgelaufenen Verluste aber sind bedeutend und können – wie übrigens auch beim Hallenstadion – nur mit jahrelanger Arbeit wieder aufgeholt werden.
Welches ist Ihr persönlicher Beizentipp für die jetzige Zeit?
Unglücklicherweise hatten wir ja den kältesten April seit vielen Jahren und die Terrassenlockerung konnte nicht so recht greifen. Jetzt, wo es wieder wärmer wird, sind die schönsten Gärten wieder angesagt, drei meiner Lieblingsbeizen sind zum Beispiel der «Alte Löwen» beim Rigiplatz in Oberstrass, das «Camino» an der Freischützgasse neben dem Kasernenareal und das «Gonzalez» am Milchbuck.
Was war für Sie das prägendste Erlebnis der letzten Wochen?
Das Mittelmass der Schweiz und des Kantons Zürich bei der Impfstrategie – es hat mir wieder einmal vor Augen geführt, dass wir Meister im Organisieren von Details sind, aber nicht imstande, harte Prioritäten zu setzen und in den Krisenmodus zu schalten. Hier kommen Politik und Verwaltung an ihre Grenzen.
Was bedeutet die Corona-Pandemie für die verschiedenen Akteure der Schweizer Medien- und Kommunikationsbranche? Bis auf Weiteres wird persoenlich.com regelmässig eine betroffene Person zu Wort kommen lassen. Die ganze Serie finden Sie hier.