12.09.2001

DE WINTER LEON, Schriftsteller und Filmproduzent/ September 2001

Einer der Hauptredner am Kongress 2001 der Schweizer Presse ist der erfolgreiche holländische Schriftsteller und Filmproduzent Leon de Winter. Im Interview mit "persönlich” vor den Toren Amsterdams äussert sich der Sohn orthodoxer Juden über den vermeintlichen europäischen Traum, die Medienwelt, seinen neuesten Kinofilm "Der Himmel von Hollywood”, das Judentum und den Nahen Osten. Und de Winter erklärt, weshalb er gerne als Pferd auf die Welt gekommen wäre. Interview: Reto Wild

Am Kongress der Schweizer Presse in Montreux sprechen Sie zum "Europäischen Traum”. Wie soll dieser aussehen?

"Es gibt eine sehr bekannte historische Figur, Adolf Hitler. Der hatte einen europäischen Traum. Das grosse Problem ist, dass wir noch keinen anderen europäischen Traum entwickeln konnten. Vor rund zehn Jahren war ich sehr positiv zu den Gedanken der europäischen Einheit eingestellt. Aber das hat sich geändert, und ich bin mehr und mehr pessimistisch geworden.”

Warum?

"Die europäische Einheit ist eine wertlose Entwicklung, ein Gedanke von einigen 10 000 Beamten, aber er wird von den Völkern nicht getragen. Wir haben keine Sehnsucht danach. Wir sind alle ganz zufrieden mit unseren Unterschieden. Das ist auch das Attraktive, das Bunte, dass wir auf einem Stückchen Erde leben müssen – mit allen Farben und Unterschieden. Jetzt werden wir in eine gewisse wirtschaftliche Einheit gepresst. In der schrecklichen Geschichte gab es eine Möglichkeit, das war der Balkankrieg. Da hätte Europa entstehen können. Aber das ist misslungen. Wir waren nicht im Stande, als eine Einheit aufzutreten und einen Anfang zu machen mit einer europäischen Wertentwicklung.”

Wer trägt die Schuld?

"Überwiegend die Beamten, die Minister und die Europäische Kommission, die vergessen haben, dass es am Ende nicht um ökonomische Argumente geht, und das ist das Schwierige, es geht um etwas Emotionales. Wie verbindet man Menschen? Das ist natürlich eine komplizierte Entwicklung. Das hat etwas zu tun mit Idealen und Opferbereitschaft. Letzteres ist ein schrecklich altertümliches Wort, dass man sich für Ideale opfert. Interessant ist aber, dass beispielsweise die Amerikaner wirklich einen ‘Amerikanischen Traum’ haben. Dort ist er eine lebendige Wirklichkeit.”


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