16.07.2009

DUDENHÖFER FERDINAND, Juni 2009

Automobilkrise: Ferdinand Dudenhöffer ist Deutschlands führender Autoexperte. Der 58-Jährige ist heute an der Universität Duisburg-Essen Professor für “Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Automobilwirtschaft”. Zuvor arbeitete er bei der Adam Opel AG und leitete die Abteilung Marktforschung und Marketingstrategie bei der Porsche AG. Gegenüber “persönlich” äussert er sich zu den Verstaatlichungstendenzen in der Automobilindustrie.

Herr Dudenhöffer, wie sinnvoll ist es, wenn sich der Staat an der Automobil­industrie beteiligt?

Grundsätzlich sollte der Staat kein Steuergeld einsetzen, um sich an irgendeiner Industrie zu beteiligen. Dies gilt auch für die Autoindustrie, gleichgültig ob das eine Landesbeteiligung an VW in Deutschland ist oder Aktienbesitz an Renault in Frankreich. Völlig unverständlich ist dabei, dass dies in Einzelfällen – wie dem VW-Gesetz in Deutschland – sogar zu staatlichen Privilegien führt. Aber wir haben auch die Aufgabe, in aussergewöhnlichen Situationen dafür Sorge zu tragen, dass industrielle Strukturen nicht zerstört werden. Und damit meine ich jetzt die heutige Weltwirtschaftskrise, die grösste Krise seit dem Jahre 1929. Die Finanzmärkte sind uns aus den Fugen geraten, die Real­wirtschaft ist in eine tiefe Rezession gestürzt, bei fast allen Unternehmen werden hohe Verluste geschrieben, und es ist sehr schwer, Kredite zu erhalten. In so einer Situation dürfen wir nicht Unternehmen, die in ihrer Struktur ertragreich sind, in Konkurs und in die “Verwertung” schicken. Hier kann es Sinn machen, dass der Staat in einer Übergangszeit als Aktionär einspringt. Die Betonung liegt aber klar auf Übergangszeit.

Was bedeutet der Einstieg des Zulieferers Magna und der russischen Sber-Bank für Opel?

Nach meiner Einschätzung ist das die Rettung für Opel und gleichzeitig der Aufbruch in die Unabhängigkeit. Seit 1929 ist Opel eine GM-Tochter. GM ist zu komplex gewesen, um im Markt erfolgreich zu arbeiten. Die Zeit der Dinosaurier, die nur aus Skalenerträgen leben, ist im Autobereich vorbei. Wendigkeit und Kooperationen, die Skalenvorteile bei Einzelprojekten garantieren – also das Modell Porsche –, machen den Erfolg aus. Mit Magna, der Sber-Bank und einem Minderheitseigentümer GM kann Opel sein “Porsche-Modell” aufbauen.

Ist es sinnvoll, wenn sich der Autoproduzent und sein Zulieferer unter dem gleichen Firmendach befinden?

Schauen Sie, Magna hat eine 20-Prozent-Beteiligung an Opel. Das ist kein gleiches Firmendach. Aber man hat die Möglichkeit zu intensiver Kooperation, die durch eine Kapitalbeteiligung ein gewisses Fundament hat. Zum Zweiten ist Magna nicht der übliche Zulieferer. Magna hat 2007 knapp 250?000 Fahrzeuge in Graz gebaut. Fast alles sehr hochwertig wie den BMW X3, die Mercedes-G-Klasse und bald den Porsche Boxster. Die Prozessabläufe und die Qualität im Fahrzeugbau versteht Magna besser als Opel und manch anderer Autobauer. Also Opel kann da eher lernen als umgekehrt. Und noch ein dritter Punkt zeigt den Charme der Verbindung. Der wichtigste Erfolgsfaktor in der Automobilindustrie heisst Flexibilität. Genau das hat ja Porsche trotz Weltwirtschaftskrise den Erfolg gebracht und Toyota in tiefrote Zahlen gerissen. Starre Produktionskapazitäten sind ein erhebliches Risiko für Autobauer. Mit Magna und Graz kann Opel seine Kapazitäten im Verbund besser ausbalancieren und seine Plattformen und Fabriken auch für Fremdfertigung nutzen. Nach meiner Einschätzung ist dies der wichtigste Punkt bei “New Opel”.



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