30.10.2007

GLAUS BRUNO, Rechtsanwalt/Oktober 2007

Glatteis: Journalistische Arbeit ist anspruchsvoller geworden. Grund dafür sind weniger die staatlichen Regulierungen (wie im Werbebereich, siehe “persönlich” September 2007), sondern die Komplexität der Datenbeschaffung. Insbesondere die identifizierende Berichterstattung führt Journalisten immer wieder aufs Glatteis. “persönlich”-Jurist Bruno Glaus zeigt im zweiten Teil seiner publizistischen und anwaltschaftlichen Zwischenbilanz die wichtigsten Trends in der Medienberichterstattung auf.

Herr Glaus, in der letzten “persönlich”-Ausgabe zeigten Sie sich enttäuscht über die vielen Restriktionen, unter denen die Werbebranche in den vergangenen zehn Jahren zu leiden hatte. Gibt es bei den Medien eine ähnliche Entwicklung?

“Nein, überhaupt nicht. Die Verlage haben ihre Interessen erfolgreich vertreten, jeglicher Regulierungsdrang ist im Keim erstickt worden. Und wo reguliert wurde, eher zugunsten der Medien: Es gilt in vielen Kantonen und im Bund mittlerweile der ‘Öffentlichkeitsgrundsatz mit Geheimhaltungsvorbehalt’, während es früher genau umgekehrt war: ‘Geheimhaltungsgrundsatz mit Öffentlichkeitsvorbehalt’. Verwaltung und Gerichte müssen so weit als möglich informieren und Einblick in die Akten geben. Und Journalistinnen und Journalisten haben mittlerweile ein verbrieftes Zeugnisverweigerungsrecht. Diese beide Prinzipien haben sich in der Praxis bewährt, was mich ausserordentlich freut.”

Aber wiederholt wurden in den letzten Jahren Journalisten von Gerichten verurteilt!

“Das hat nicht mit verstärkter Regulierung, sondern mit vermehrter Rechtsdurchsetzung zu tun. Medienopfer lassen sich nicht mehr alles gefallen, und sie wissen, dass sie durchaus Chancen haben, zu ihrem Recht zu kommen. Es gibt neben dem Fall Borer, der mit einem aussergerichtlichen Vergleich und mit einem Presseratsentscheid erledigt wurde, einige wegweisende Fälle, in denen sich Geschädigte erfolgreich gegenüber den Medien durchsetzen konnten. So erkämpfte eine private Wirtschaftshochschule in Horgen vom ‘Kassensturz’ eine Entschädigung von mehreren hunderttausend Franken wegen unlauterer Berichterstattung. Auch in weniger spektakulären Fällen haben Geschädigte erfolgreich ihre Rechte durchgesetzt. Dies zeigt, dass man den Medien gegenüber nicht rechtlos ist.”

Sind die Medien aufgrund der geänderten Gerichts-praxis in den letzten zehn Jahren vorsichtiger geworden?

“Einzelne Medien sind sorgfältiger geworden. Auf andere trifft das Gegenteil zu. Und aggressive Medien leisten sich auch meist noch aggressive Anwälte, die hauen dann in der nachbearbeitenden Korrespondenz noch einen drauf.”


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