Herr Lyssy, herzliche Gratulation zum Career Achievement Award des Zurich Film Festival. Was bedeutet Ihnen dieser Preis?
Eine Auszeichnung ist immer gut. Die Frage stellt sich nur, wofür man sie erhält. Bei diesem Preis wird meine Filmkarriere in der Schweiz und vor allem in Zürich gewürdigt.
Praktisch alle Ihre Filme handelten in Zürich.
Ja, die einzige Ausnahme ist «Konfrontation», der das Attentat von Davos auf den Schweizer Nazigruppenleiter 1936 behandelt. Acht von neun meiner Filme spielten in Zürich. Wenn Sie so wollen, bin ich ein urbaner Filmemacher in einem – und das meine ich überhaupt nicht abschätzig – Bauernland. Der einzige Preis, den ich in den vergangenen 45 Jahren erhielt, war 1975 der Zürcher Filmpreis für – eben – «Konfrontation». Christian Jungen, der künstlerische Direktor des Zurich Film Festival, mag meine Filme und hat mir als erste Amtshandlung nun diesen Preis verliehen.
Aber klingt da nicht durch, dass Sie sich zu wenig anerkannt fühlen?
Nein, ich fühle mich nicht zu wenig anerkannt. Ich bin derjenige Filmemacher, der mit «Schweizermacher» den erfolgreichsten Schweizer Film machte. Aber das gilt nur kommerziell. Sobald Abstimmungen in irgendeiner Filmzeitschrift durchgeführt wurden, lagen immer «Höhenfeuer» oder «Les petites fugues» vorne.
Ist das nicht ein bisschen frustrierend?
Überhaupt nicht. Ich mag dies Fredi Murer, dem Regisseur von «Höhenfeuer», wirklich gönnen. Aber ich habe lange darüber nachgedacht. Es gibt beim Film immer zwei Basiselemente: Kunst oder Kommerz. Ich habe den kommerziell erfolgreichsten Schweizer Film gedreht, Fredi den künstlerisch wertvollsten. Okay, das kann ich so stehen lassen. Es ist doch schön, dass ausgerechnet ich den kommerziell erfolgreichsten Schweizer Kinofilm realisieren durfte, ich wollte immer Filme machen, die die Säle füllen. Im Inserat des Uto-Kinos stand: «Die Schweizermacher: 100. Woche». Das ist heute undenkbar.
Woher stammt diese Liebe zum Kino?
Ich hatte in meinem Leben nur ein einziges Ziel, ich wollte Filme machen. Bereits als kleiner Bub haben mich die grossen Kinobilder fasziniert. Damals gab es noch kein Fernsehen. Diese Liebe dauert bis heute an. Ich bin ein Kinofreak geblieben und gehe mit unserer Filmgruppe jeden Samstag ins Kino. Allen Unkenrufen zum Trotz glaube ich, ja bin überzeugt, dass das Kino überleben wird.
Sogar nach Corona?
Auch nach Corona. Ich weiss, dieses Jahr ist vollkommen verrückt, momentan sitzt man praktisch allein im Kino. Aber das wird sich auch wieder ändern. Ich war in den vergangenen Wochen zweimal im Zürcher Kino Le Paris und habe den wunderbaren Film «The Roads Not Taken» von Sally Potter angeschaut. Wir waren etwa fünfzehn Personen. Für unsere Branche ist dies wirklich eine Katastrophe. Aber was will man machen? Ändern kann man es nicht. Ich glaube und hoffe einfach, dass das Bedürfnis, gemeinsam eine Geschichte anzuschauen, nicht schwinden wird. Eine Fernseh- oder Netflix-Produktion, die man sich zu Hause allein anschaut, kann das Kinoerlebnis niemals ersetzen. Davon bin ich überzeugt.
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