08.06.2000

WIESENDANGER ULI, TBWA/Juni 1997

Uli Wiesendanger – Die Welt im Kopf. Er hält sich für einen Innerschweizer Provinzler, doch von Paris aus hat er mit drei Partnern ein Werbenetzwerk aufgebaut, das heute drei Milliarden Dollar Umsatz erzielt. Wiesendanger, 59, ist das ‘W’ von TBWA. Nach Übernahmen von Chiat Day in Los Angeles vor zwei Jahren und derzeit von Simons, Palmer in London will TBWA von Platz 18 nun unter die ersten zehn Agenturen der Weltrangliste aufrücken. Interview: Oliver Prange

Eine Ihrer bekanntesten Kampagnen und mittlerweile ein Klassiker ist jene für Absolut Wodka. Sie startete im Jahr 1980 und wird heute fast in allen Teilen der Welt geschaltet. Wie entstand sie?

"In Schweden gibt es eine Organisation, die das Staatsmonopol für Alkohol hat. Vor 20 Jahren wollte sie ihren Wodka in die USA exportieren, also ging sie zu einem Grafiker, der eine Flasche und einen Namen kreieren sollte. Der fand in einem Antiquitätenladen eine Flasche, die aus einem mittelalterlichen Alchemielabor zu stammen schien. Mit ihr und dem Namen ‘Absolut of Sweden’ gingen die Manager in die USA zu einem Markttest. Das Resultat war verheerend: Es hiess, Wodka und Schweden passten nicht zueinander, ‘Absolut’ als Name wirke dumm, und die transparente Flasche würde nicht wahrgenommen in den dunklen Bars. Mit diesem Test, der noch dazu 50000 Dollar gekostet hatte, trauten sich die Leute gar nicht mehr nach Schweden zurück. Also versuchten sie, den Wodka irgendwie zu lancieren. Alle angefragten Agenturen winkten ab, sie kannten den Test, nur TBWA sagte zu. Wir fanden, das einzig verbindende Element sei, dass Wodka kalt getrunken wird und es in Schweden immer kalt ist. Doch unsere erste Kampagne ‘The cold taste of Sweden’ hatte keinen Erfolg. Dann kniete man sich nochmals rein, und die heutige Kampagne mit ihrem Bildwitz begann. Der Kunde ging sogar zu Andy Warhol und liess ihn eine ‘Absolut’-Flasche malen, was dann 100000 Dollar kostete. Doch jeder Fünfte, der das Inserat im ‘New Yorkersah’ schnitt, es aus und hängte es auf.”

Ebenso international bekannt ist die Werbung für den italienischen Teigwarenproduzenten Barilla.

"Wenn es darum geht, Ideen zu finden, sollte man sich nicht nur für das Produkt interessieren, sondern ebenso für die Firma und die Mitarbeiter, die dahinter stehen. Nur so findet man nämlich den Geist des Unternehmens, der sich in der Werbung widerspiegeln soll. Ich fuhr also nach Parma und hatte für die Werbung erst das Italianità-Klischee vor Augen: eine dicke Mama, viele Kinder, die Bucht von Neapel. Dann traf ich Pietro Barilla, und alles wurde anders. Der 60jährige Herr kam in einem Anzug von edelster Eleganz, der vom Schneider des Fiat-Besitzers Gianni Agnelli gefertigt war; er empfing in einem Palazzo mit Paradiesgarten und Statuen und Kunstwerken. Jeder Mitarbeiter wusste von Barillas Techtelmechtel mit dem Hollywood-Star Rita Hayworth und war stolz darauf. Also das war kein Spaghetti-Produzent, das war ein Renaissance-Fürst. Er sagte mir, man dürfe seine Teigwaren nur mit weissen Handschuhen anfassen. Da wurde mir klarer, wie die Werbung sein musste. Wir präsentierten die Teigwaren auf samtenen Kissen wie Juwelen. Und das Umfeld durfte kein neapolitanischer Hinterhof sein, sondern die Mailänder Scala. Als Innerschweizer Provinzler war ich natürlich fasziniert von dieser italienischen Grandezza.”

Wie nähern Sie sich jeweils einer Aufgabe?

"Man muss mit grosser Naivität an die Aufgabe herangehen und sich in ein Produkt vertiefen können. Ich erzähle mir selbst Details über das Produkt, die gar nicht wichtig sind – stundenlang. Für eine Kampagne über ein Heftpflaster in Frankreich zerbrach ich mir zum Beispiel den Kopf, ich war schon der Verzweiflung nahe, da begann ich, die Löcher im Pflaster zu zählen. Da waren mehr Löcher als bei der Konkurrenz. Ich fragte nach und erfuhr, dass die Wunde zum Heilen Luftzufuhr benötigt. Also waren es die Löcher, die in den Mittelpunkt mussten.”



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