06.09.2023

Heimat Zürich

«Der bürokratische Aufwand wird kleiner»

Heimat Zürich wird zur unabhängigen und inhabergeführten Agentur. Die Partner und Geschäftsführer Simon Rehsche und Nico Ammann haben sämtliche Anteile vom TBWA-Netzwerk übernommen. Die beiden neuen Inhaber über die Gründe, die zum Alleingang geführt haben.
Heimat Zürich: «Der bürokratische Aufwand wird kleiner»
«Irgendwie haben wir es geschafft, erfolgreich zusammenzuarbeiten und sehr nahe Freunde zu bleiben»: Simon Rehsche (links) und Nico Ammann übernehmen 100 Prozent der Anteile an Heimat Zürich. (Bilder: zVg)

Simon Rehsche und Nico Ammann, sind Sie freiheitsliebende Menschen?
Simon Rehsche: Ja, wer ist das nicht? Wir haben aber kein allzu grosses Problem mit Autoritäten und kommen auch als Anhänger der FWK (Freie Werbekultur, Anm. der Red.) gut zurecht mit fremdbestimmten Zielen. Das hilft in unserer Branche im Alltag. Wir hatten jedoch zunehmend das Gefühl, dass das Kosten-Nutzen-Verhältnis nicht mehr stimmt, und haben einen Weg gesucht, dieses ins Lot zu bringen.

Sie sprechen es an: Sie beide haben sich vom zur Omnicom-Gruppe gehörenden TBWA-Netzwerk gelöst und halten jetzt 100 Prozent der Anteile der Agentur Heimat Zürich (persoenlich.com berichtete). Was gab den Ausschlag dafür?
Nico Ammann: Wir haben die Agentur Heimat Zürich seit Beginn autonom geführt. Die Rahmenbedingungen veränderten sich aber mit den Jahren. Wir sahen uns mit immer mehr Dingen konfrontiert, die für uns einfach keinen Sinn ergaben. Mit der Aufforderung, den Agenturstandort für Einsparungen aufzugeben und in die Peripherie von Zürich zu ziehen, war für uns dann klar: Entweder wir sind raus – oder die Omnicom.

Was für Dinge machten keinen Sinn ausser dem geplanten Umzug der Agentur? Können Sie ein Beispiel nennen?
Ammann: Beispiele dafür sind die alternativlose Nutzung zentralisierter Dienste, standardisierter IT-Infrastruktur und -prozesse. Und bei all dem natürlich immer die Frage, ob man fürs abfliessende Geld die aus lokaler Perspektive am besten passende Lösung bekommt.

Normalerweise führt Streit zu Trennungen.
Ammann: Es gab keinen Streit. Wir pflegen nach wie vor eine freundschaftliche Beziehung zum gesamten TBWA-Netzwerk.

Rehsche: Dass die Perspektiven des Managements global operierender Holding Companies nicht immer dieselben sind wie die der lokalen Agenturen, ist klar und auch beidseits nachvollziehbar. Die Kommunikation klarer Positionen war denn auch nie ein Problem, auch im Trennungsprozess nicht.

«Wir können uns künftig noch konsequenter entwickeln»

Eigentlich läuft es ja sonst umgekehrt: Agenturen werden von Netzwerken geschluckt. Schwimmen Sie gerne gegen den Strom?
Ammann: Ja, aber das ist nicht der Grund, dass wir die Agentur gekauft haben.

Was sind die Vorteile am Alleingang?
Rehsche: Wir können uns künftig noch konsequenter entwickeln und uns noch bedingungsloser auf die Nachhaltigkeit des Erfolgs unserer Agentur konzentrieren. Als selbstständige Agentur machen wir künftig nur noch, was uns sinnvoll scheint, und nichts, was einfach ist, wie es ist, weil es halt ist, wie es ist.

Wie ist es mit dem Namen? Dürfen Sie sich auch künftig Heimat Zürich nennen?
Rehsche: Wir werden auch in dieser Hinsicht einen Schritt machen, der dem neuen Kapitel gebührend Ausdruck gibt.

Das heisst: Es gibt einen neuen Agenturnamen. Wann ist es so weit?
Rehsche: Noch dieses Jahr. Wenn es so weit ist, erfahrt ihr es selbstverständlich als Erste.

2016 startete Heimat Zürich mit Ihnen als Geschäftsführer und Partner. Weshalb legten Sie nicht schon damals als inhabergeführte Agentur los?
Ammann: Das haben wir damals tatsächlich in Erwägung gezogen. Aber der Reiz, im Namen von Heimat, einer der Topagenturen Europas, eine Agentur in Zürich zu eröffnen, war grösser. Als die Heimat-Gründer Matthias von Bechtolsheim, Guido Heffels und Andreas Mengele angefragt hatten, ob wir gemeinsame Sache machen wollen, hatten wir ganz einfach Bock darauf.

Rehsche: Die Gründer von Heimat Berlin und ihre Agentur verkörperten vieles von dem, wonach wir strebten, allem voran die Konsequenz im Output, aber auch in ihrem unternehmerischen Handeln. Und auch auf menschlicher Ebene klickte es sofort, auf ein nur 30-minütiges Kennenlernen in Berlin folgte der besiegelnde Handschlag. Kurz: Da stimmte zu viel, um nicht Ja zu sagen.

Welche Vorteile hatte es, Teil des Netzwerkes zu sein?
Ammann: Zu Beginn tatsächlich grosse: ein etablierter, in der Branche bekannter Name, der für kreative Werbung steht. Das gab unseren Kunden in den Anfangsjahren sicherlich Vertrauen, das wir mit einem unbekannten Namen nicht in diesem Masse bekommen hätten.

War es nie ein Problem, dass es mit TBWA\Zürich in derselben Stadt eine andere Agentur aus demselben Netzwerk gab?
Rehsche: Problem ist ein grosses Wort. Wir sprechen ja lieber von Herausforderungen, nicht wahr? Aber zur Frage: nein, im Gegenteil. Die freundschaftliche Beziehung, den regelmässigen Austausch erlebten wir als bereichernd und unterstützend.

«Unsere Identifikation mit der Agentur nimmt wohl nochmal zu»

Was ändert sich jetzt für die Mitarbeitenden und Kunden mit der Entkoppelung vom Netzwerk?
Ammann: Unmittelbar ändert sich nichts. Wir sind aber zuversichtlich, dass die Eigenständigkeit der gesamten Agentur nur gut tun wird.

Rechnen Sie auch damit, Kunden zu verlieren, weil Sie das TBWA-Netzwerk verlassen?
Ammann: Nein. 

Laut Agenturranking 2022 der Leading Swiss Agencies erzielt Heimat Zürich einen jährlichen Umsatz von zwei bis drei Millionen Franken. Dann rechnen Sie folglich auch mit keinem Umsatzverlust?
Rehsche: Rechnen ist ein gutes und wichtiges Stichwort. Wir rechnen mittelfristig damit, die Omnicom zu übernehmen. Das wäre ein Coup, fast so gut wie Coup Dänemark. Hoppla – ich verliere mich. Nächste Frage?

Was ändert sich mit der Übernahme für Sie persönlich?
Rehsche: Unsere Identifikation mit der Agentur nimmt wohl nochmal zu.

Ammann: Wir haben Heimat Zürich schon immer mit einem Selbstverständnis und Verantwortungsbewusstsein geführt, als ob die Firma uns gehört, insofern ändert sich für uns im Alltag nicht viel.

Werden Sie für die Kreation von Kampagnen noch Zeit finden oder sind Sie fortan nur noch mit Excel-Tabellen beschäftigt?
Rehsche: Wir werden für die Kreation von Kampagnen mehr Zeit haben. Der bürokratische Aufwand wird kleiner.

Sie beide kennen sich schon seit der Schulzeit. Was schätzen Sie, Simon Rehsche, an Nico Ammann?
Rehsche: Am meisten schätze ich Nico als Freund. In unserem Agenturalltag bildet er sich schnell eine fundierte Meinung und hat auch keine Mühe, sich für etwas zu entscheiden. Er ist nicht nur ein herausragender Kreativer, sondern hat auch einen klaren Blick auf die Welt. Und er hat ein Programm auf seiner Kiste, mit dem er einen grauen Himmel grün machen kann.

«Die vielen Erlebnisse haben uns über die Jahre zusammengeschweisst»

Und Sie, Nico Ammann, was schätzen Sie an Simon Rehsche?
Ammann: Simon ist direkt, ehrlich, integer und ein scharfsinniger Denker – einer der besten Strategen der Schweiz. Manchmal ist er auch lustig. Das erkenne ich daran, dass andere dann lachen. Spass beiseite, irgendwie haben wir es geschafft, erfolgreich zusammenzuarbeiten und sehr nahe Freunde zu bleiben. Die vielen Erlebnisse, privat und beruflich, haben uns über die Jahre zusammengeschweisst.

Im Vorgespräch sagten Sie mir, dass sich nun für Sie ein Traum erfülle. Träumten Sie seit der Schulzeit von einer gemeinsamen inhabergeführten Agentur?
Rehsche: Komischerweise kam das erst um die Zeit vor dem Start von Heimat Zürich auf, obwohl wir schon immer viel über Werbung, unsere Arbeit und unsere Ambitionen diskutierten.

Was macht Sie sicher, dass aus diesem Traum kein Albtraum wird?
Ammann: Das Gefühl, dass wir nie ein besser funktionierendes Team und grössere Freude am Agenturalltag hatten als jetzt.

Rehsche: Finde ich auch. Aber mal sehen, Hauptsache, es läuft was.


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