09.06.2020

Serie zum Coronavirus

«Die Agentur trägt nicht allzugrosse Schäden davon»

In der Coronakrise folgten bei Publicis Stornierungen, Verschiebungen, aber auch Budgeterhöhungen und Pitch-Gewinne. CEO Thomas Wildberger zeigt sich in der Folge 61 unserer Serie optimistisch. In der Krise sei Kreativität auch in vielen anderen Bereichen gefragt gewesen.
Serie zum Coronavirus: «Die Agentur trägt nicht allzugrosse Schäden davon»
«Die Transformation hat ja gerade erst begonnen. Dafür brauche ich Energie und die hole ich mir jetzt»: Publicis-CEO Thomas Wildberger. (Bild: zVg.)
von Matthias Ackeret

Herr Wildberger, ist für Sie die Coronakrise vorbei oder befolgen Sie immer noch Schutzmassnahmen?
Es ist nicht vorbei, bevor es vorbei ist. Von daher widerstehe ich auch bei schönstem Wetter der Versuchung, mich auf der Landiwiese unter die gefühlt Zehntausenden zu mischen, die offenbar Hautkrebs gegenüber Corona bevorzugen.

Wie sieht es in der Agentur aus, arbeiten Ihre Kolleginnen und Kollegen im Geschäft oder machen Sie immer noch Homeoffice?
Die Krise mag sich auf dem Rückzug befinden, aber Corona wird noch eine ganze Weile bleiben. Daher befolgen wir nach wie vor die Empfehlungen des Bundes und bitten unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, bis auf Weiteres zu Hause zu arbeiten. Wir prüfen allerdings regelmässig, ob und wann eine Rückkehr an die Stadelhoferstrasse möglich ist und bereiten unsere Räumlichkeiten entsprechend der geltenden Hygienevorschriften darauf vor. Für Kundenmeetings, Workshops, Brainstormings oder auch Personen, für die aus den unterschiedlichsten Gründen Homeoffice nicht länger zumutbar ist, werden wir Lösungen finden und die Büros öffnen.

Kann man den Schaden, den Ihre Agentur durch Corona erlitten hat, bereits beziffern?
Wir haben quer durch die ganze Gruppe – also Communications und Media – die unterschiedlichsten Verläufe. Es gab Stornierungen, Kürzungen, Verschiebungen ins zweite Halbjahr oder ins nächste Jahr, aber auch Budgeterhöhungen und Pitch-Gewinne. Unter dem Strich bedeutet das nach heutigem Stand, dass wir in Zürich zum Glück keinen allzu grossen Schaden davontragen. Das Gleiche gilt für unseren Standort in Lausanne.

Wie weit wird die Krise Publicis verändern?
Publicis hat sich bereits vor der Krise verändert, denn wir haben schon vor Corona diejenigen Bereiche zusammengebracht, die unweigerlich zusammengehören und zusammen gedacht werden müssen: Media, Technologie und Kreativität. Dieser Entwicklungsprozess, der uns zu einer Plattform-basierten Organisation macht, wurde nun in dieser Zeit massiv weiter beschleunigt und optimiert – was zu begrüssen ist.

«Wer in der Lage ist, Marke und Customer Experience ganzheitlich zu denken, umzusetzen und zu messen, wird als Gewinner hervorgehen»

Was heisst das konkret?
Ein Highlight, das unsere Arbeitsweise noch weiter fördert, ist unser vor zwei Jahren angekündigtes Tool Marcel, das mittlerweile einsatzfähig ist. Marcel ist eine App, die die über 90'000 Mitarbeitenden der Publicis Gruppe miteinander vernetzt. Jeder von uns hat damit Zugriff auf Cases, Know-how, Daten und Expertise aus dem gesamten Publicis Universum. Toll ist zum Beispiel auch die Funktion namens Gigs, mit der man verschiedenste Experten zu Open Briefs einladen kann, und zwar aus aller Welt. Schliesslich müssen ja die Fähigkeiten eines Mitarbeiters zur Aufgabe passen und nicht sein Wohnort.

Und die ganze Branche?
Die Branche wird, wenn sie sich nicht verändert, konsolidiert. Das ist an sich nichts Neues, nur, dass es jetzt noch wesentlich schneller vonstatten gehen wird. Wer in der Lage ist, Marke und Customer Experience ganzheitlich zu denken, umzusetzen und zu messen, wird als Gewinner hervorgehen – wenn er kreativen Menschen aus unterschiedlichsten Bereichen die Flexibilität gibt, die sie brauchen, um Aussergewöhnliches zu leisten. Denn die Zeiten werden erstmal aussergewöhnlich bleiben.

Der Hauptsitz von Publicis befindet sich in New York und Paris, zwei Städte, die von Corona stark betroffen waren. Was hören Sie, wie ist dort die Befindlichkeit?
Die Amerikaner hatten wohl Glück im Unglück. Da sie letztes Jahr noch sehr viel New Business gewonnen haben, konnte man den Einbruch in den letzten Monaten abfedern. Aus der Zentrale in Paris kommen viele positive Impulse. Und man spürt einen unaufgeregten Umgang mit der Krise, der daher rührt, dass unser Netzwerk nicht eiskalt erwischt wurde, sondern damals mit der Initiative «Power of One» die Weichen richtig gestellt hat.

«Durch die Krise war und wurde das ganze Land aufgefordert, plötzlich einfallsreich zu werden. Die Wirkung war fantastisch»

Sie machen jetzt eine kurze Auszeit. Was ist der Grund dafür?
Ich habe in den letzten Jahren viel gearbeitet. Und ich werde in den nächsten Jahren wohl noch mehr arbeiten. Denn jetzt geht es doch erst richtig los. Die Transformation hat ja gerade erst begonnen. Dafür brauche ich Energie und die hole ich mir jetzt.

Reisen Sie ins Ausland?
Nein. Ich plane verschiedenste Ausflüge in der Schweiz. Mal allein. Mal nur mit meiner Tochter. Dann zusammen mit meiner Frau, Kind und Kegel. Und als Highlight sogar mit der gesamten Baggage, also inklusive Eltern und Hund.

Was waren für Sie die prägendsten Erlebnisse der letzten Wochen?
Die Sätze «In meinem Alltag kommt die Bild-Zeitung nicht vor» (Christian Drosten) sowie «I can’t breathe» (George Floyd). Ausserdem noch ein einzelnes Wort: «kreativ». Letzteres habe ich auffallend oft gehört. Ungewohnterweise aber nicht aus unserer Branche, sondern aus vielen anderen Bereichen und sogar von unseren Behörden. Durch die Krise war und wurde das ganze Land aufgefordert, plötzlich einfallsreich zu werden. Die Wirkung war fantastisch. Eltern haben sich zu Hause neue Spiele für ihre Kinder ausgedacht, grosse Firmen oder kleine Ein-Personen-Betriebe haben neue Geschäftsmodelle entwickelt, Kulturschaffende haben Umwege gefunden, um ihre Leidenschaft weiterhin einem Publikum zugänglich zu machen. All das stimmt mich sehr zuversichtlich. Weil Kreativität offenbar noch da ist und gelebt wird – und bitte unbedingt ein fester Bestandteil unser aller Schaffen bleiben soll. In schlechten und auch wieder in guten Zeiten.

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Was bedeutet die Corona-Pandemie für die verschiedenen Akteure der Schweizer Medien- und Kommunikationsbranche? Bis auf Weiteres wird persoenlich.com jeden Tag eine betroffene Person zu Wort kommen lassen. Die ganze Serie finden Sie hier.



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