Herr Textor, Herr Deville, vor zehn Jahren haben Sie Freundliche Grüsse gegründet. Was gab eigentlich den Ausschlag, sich selbstständig zu machen?
Samuel Textor: Wir hatten einfach Lust, eine eigene Agentur zu gründen. Und davor genügend Erfahrung gesammelt, um den Plan umzusetzen. Damals gab es kaum andere nennenswerte Neugründungen, daher auch keine Vorbilder, an denen wir uns hätten orientieren können. Wir wollten einfach eine Agentur aufbauen, die auf die modernen Kundenbedürfnisse zugeschnitten ist.
Haben Sie diesen Schritt nie bereut?
Pascal Deville: Nein, auch wenn es zuweilen Sitzleder braucht. Wir können ja seitdem machen, was uns wirklich interessiert und woran wir auch glauben. Ausserdem vereinen Samuel und ich relativ viele Talente, die wir gerne einsetzen bei Bedarf. Das hilft, wenn man selbstständig ist.
Auf einen Kürzestnenner gebracht: Wofür steht Ihre Agentur?
Deville: Wir wollen möglichst wenig Quatsch produzieren. Das nennen wir «Create Positive Impact». Wir versuchen, einen guten Impact zu entfalten auf Umsatz und Bekanntheit unserer Kunden, auf das Wohlbefinden unserer Mitarbeitenden und auch auf gesellschaftliche Aspekte.
Textor: Wenn man alle diese Aspekte gleich gewichtet, behaupte ich, sind wir die beste Agentur der Schweiz. Eine Mitarbeiterin, die uns diesen Monat nach sieben Jahren verlässt, nennt die Agentur in einem Post ihr «ewiges Zuhause». Viel stolzer kann man uns nicht machen.
Ihre Agentur hat den ungewöhnlichen Namen «Freundliche Grüsse». Wäre Textor/Deville nicht naheliegender gewesen?
Textor: Doch, das wäre ein guter Name gewesen. Wir wollten aber einen Namen, der auch einen Neuanfang in der Agenturwelt demonstriert: Jetzt kommt was Neues, das habt ihr so noch nicht gesehen.
Ihr Onkel Rodolphe Deville war mit Wiener & Deville ein Grosser der Schweizer Werbung. Was hat er Ihnen mit auf den Weg gegeben?
Deville: Über meinen Onkel Rodi habe ich schon als kleines Kind glorreiche Geschichten gehört: Er hat Rivella zum Getränk für Sportler gemacht, entwickelte seine eigene Parfumlinie und war nebenher auch noch Künstler. Als wir uns selbstständig machten, bat ich ihn um eine Audienz. Rodolphe war damals 82. Ich wollte von ihm wissen, was man als Agenturinhaber auf keinen Fall machen sollte. An diese Prinzipien halte ich mich seitdem eisern.
Ist die grosse Zeit Ihres Onkels mit der heutigen Werbewelt vergleichbar?
Deville: Das weiss ich nicht, ich habe die «goldenen Zeiten» ja nie erlebt. Ich glaube aber, dass die Werbewelt nach wie vor ein ausgezeichnetes Biotop für Kreative ist.
Inwieweit hat sich die Branche in den vergangenen zehn Jahren verändert?
Textor: Viele Dinge verändern sich zum Guten: Offenheit gegenüber digitalen Ideen auf Kundenseite zum Beispiel, das war vor zehn Jahren noch schwierig. Für uns hat sich wahrscheinlich weniger verändert als für andere. Wir sind ja in einer Digital-first-Agenturwelt aufgewachsen, die damals schon zehn Jahre voraus war. Bei Futurecom interactive hatten wir übrigens auch unseren heutigen Managing Director Fabian Biedermann kennengelernt.
Deville: Die Branche ist sicher weniger extravagant als damals und stark beschäftigt mit Themen wie Nachhaltigkeit und gesellschaftlichem Engagement – Themen, die wir schon bei unserer Gründung auf dem Schirm hatten. Und mit der Gründung des gemeinnützigen Vereins create-positive-impact.org – dem ersten einer Schweizer Agentur – weiter vertiefen.
Betrachtet man Ihr Kundenportfolio, so dominiert vor allem Werbung für Banken, Sport und Nachhaltigkeit. Wie sind Sie auf diesen Kundenmix gekommen?
Deville: Ich glaube, wir sind immer dann gut, wenn eine gewisse thematische Komplexität vorherrscht. Bei UBS etwa geht es momentan gerade um die Financial Literacy mit einer jungen Zielgruppe, bei Swiss Olympic um Ethik im Sport und bei der Stadt Zürich um das Erreichen der Klimaziele. Es wäre sicher manchmal einfacher, Käsefondue zu verkaufen.
Textor: Sport ist sicher durch unsere erfolgreiche Begleitmänner-Kampagne für die FCZ-Frauen 2014 aufgeflammt. Danach wollten plötzlich alle einen viralen Hit im Kontext Sport. Verschiedene Branchen befruchten sich gegenseitig. Darin verinnerlicht Freundliche Grüsse auch eine typisch schweizerische Eigenschaft: den Glauben, dass Offenheit und gegenseitiger Austausch das Gesamte besser machen.
Sie fokussieren stark auf Digitalwerbung. Hat dies einen bestimmten Grund?
Deville: Wir fokussieren prinzipiell auf das, was bleibt und mehr werden wird: Digital und Idee. Für uns ist Digital das Leitmedium, da fühlen wir uns pudelwohl. Ohne Idee ist Digital aber bloss Technologie, und die vergeht. Social ist einfach der Kanal der Stunde, und dieser liegt uns sehr. Wir sehen gewisse Entwicklungen im digitalen Bereich aber zuweilen auch kritisch – alles ist standardisiert, aus den USA gesteuert, Performance-Marketing übernimmt viele Bereiche. Früher war da mehr Punk möglich.
Wird die Digitalwerbung langfristig die konventionelle Werbung verdrängen?
Deville: Das tut sie ja schon, seit über zwanzig Jahren. Warum auch nicht? Werbung ist dort relevant, wo die Konsument:innen sind. Das war vor hundert Jahren schon so. Und schliesslich kommt es immer wieder zu einer Renaissance. Beispielsweise lesen meine Töchter dank TikTok so viele Bücher wie noch nie.
Textor: Aber traditionelle Medien werden Bestand haben und in gewissen Bereichen zulegen. Denn Handwerk wird als Gegentrend zu KI auch wieder erstarken. Wir haben gerade heute die URL curated-by-humans.com reserviert. Mal schauen, was wir da machen. Man kann sich mit Ideen bei uns melden.
Das ausführliche Interview lesen Sie in der aktuellen Printausgabe von persönlich. Bilder von der Jubiläumsparty finden Sie hier.