19.05.2003

"persoenlich.com"-Serie "Zur Lage der Nation"

Edgar C. Britschgi

Globalisierung, Konjunkturflaute, Werbeverbote -- wie wirken sich die Rahmenbedingungen auf die Werbung aus? Was ist von Gratis-Pitches zu halten? Und werden Below-the-Line-Aktivitäten in klassischen Agenturen zunehmen? "persoenlich.com" präsentiert in lockerer Folge die Einschätzung wichtiger Exponenten der Branche. Heute: Edgar C. Britschgi (Bild), Chairman der Advico Young & Rubicam Gruppe Schweiz.
"persoenlich.com"-Serie "Zur Lage der Nation": Edgar C. Britschgi

Welchen Einfluss hat die Globalisierung auf die Schweizer Werbung?

Die Schweiz hat sich -- leider -- politisch und wirtschaftlich für eine Abkapselung entschieden und nimmt daher oft nur die Zuschauerrolle ein. Davon ist auch die Werbewirtschaft betroffen. Der Trend, globale Kampagnen nicht in der Schweiz entwickeln zu lassen, besteht schon seit einigen Jahren. Dass vermehrt auch in der Schweiz domizilierte Multis ihre Werbung im Ausland kreieren lassen, verschärft die Lage. Für die Schweizer Werbeagenturen bestehen dennoch Chancen. Wenn es uns gelingt, unsere Kreativität und Professionalität, unseren multi-kulturellen Hintergrund (den kaum eine andere Gesellschaft in dieser Form bieten kann) mit internationalem Know-how zu paaren, sind wir für viele globale Auftraggeber ein attraktiver Standort. AY&R und einige andere Schweizer Agenturen beweisen dies seit mehreren Jahren erfolgreich.

Leidet die Kreativität unter der schlechten Konjunktur?

Kreativität leidet allein an Mutlosigkeit, Ideenarmut und fehlendem Engagement aller Beteiligten. Und diese Eigenschaften sind konjunkturunabhängig. Wahr ist allerdings auch, dass in unsicheren Zeiten Auftraggeber und Agenturen nach noch mehr Sicherheiten, Tests, Abwägungen suchen und noch grössere Entscheidungsgremien einschalten. Das führt zwangsläufig zu einer Nivellierung.

Positive Ausreisser gibt es zum Glück einige: Kommunikationsverantwortliche, die begriffen haben, dass gerade in diesen Zeit eine kreative, differenzierende Kampagne, die strategisch auf dem Punkt ist, hohe Effektivität bewirkt.

Welchen Einfluss haben die Werbeverbote auf Werbung und Medien?

Als Verfechter einer liberalen Marktwirtschaft sind mir grundsätzlich alle Eingriffe in die Selbstregulierung suspekt. Selbstverständlich braucht es aber Regeln und Normen. Werbeverbote sind allerdings kein probates Mittel. Meist werden sie nur vorgeschoben, weil der Gesetzgeber sich nicht traut, die Ursache anzugehen und daher allenfalls ein Symptom bekämpft. Die Beispiele Tabakwerbung, Alkoholwerbung etc. sind zur Genüge bekannt.

Schadet die Pitch-Inflation den Agenturen und Auftraggebern?

Ein Pitch ist immer nur die zweitbeste Methode, sich eine Agentur auszuwählen. Während meiner insgesamt rund 10 Jahre auf Kundenseite habe ich nur dreimal Konkurrenzpräsentationen veranlasst.

Aktuell von einer Pitch-Inflation zu sprechen, ist nicht richtig. Bedingt durch die allgemeine Wirtschaftslage gibt es eher weniger Konkurrenzpräsentationen als in früheren Jahren. Was allerdings stark inflationär ist, sind Anzahl und Varietät der eingeladenen Agenturen. Da stellt sich manchmal wirklich die Frage, ob der Auftraggeber seine Hausaufgaben gemacht hat. Aber auch die Agenturen haben eine Verantwortung. Wenn eine Pitch-Anfrage nicht zu uns passt, weisen wir freundlich aber bestimmt darauf hin und erlauben uns auch mal, nicht mit zu machen.


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