24.02.2003

"persoenlich.com"-Serie "Zur Lage der Nation"

Frank Bodin

Globalisierung, Konjunkturflaute, Werbeverbote -- wie wirken sich die Rahmenbedingungen auf die Werbung aus? Was ist von Gratis-Pitches zu halten? Und werden Below-the-Line-Aktivitäten in klassischen Agenturen zunehmen? "persoenlich.com" präsentiert in lockerer Folge die Einschätzung wichtiger Exponenten der Branche. Heute: Bodin, Chairman Euro RSCG-Gruppe Schweiz.

Welchen Einfluss hat die Globalisierung auf die Schweizer Werbung?

Zur Globalisierung der Wirtschaft gehört auch die Globalisierung der Werbung -- "Advertising made in Switzerland" kann eine Chance für die Schweizer Werbewirtschaft sein, oder ein Fluch. Die Chance: Die Multikultiviertheit der viersprachigen Schweiz im Herzen Europas und das hohe Ausbildungs- und Dienstleistungsniveau sind gute Argumente, Kampagnen nicht nach New York, London, Paris oder Hamburg zu vergeben. Der derzeitige Fluch: Nur wenige Agenturen bieten eine strategische und kreative Qualität, die internationale Standards erfüllt. Wenn die Schweiz eine Chance haben will, müssen die besten Agenturen -- und damit deren Verbände -- Werbung für den Werbestandort Schweiz machen. Es darf nicht sein, dass sich der BSW eher mit der Frage beschäftigt, ob im Ranking auch Nicht-BSW-Agenturen zugelassen werden sollen, statt beispielsweise mit der Herausgabe eines Advertising- and Graphic-Design-Buches "Worldclass made in Switzerland". Es darf nicht sein, dass an den Epica Awards 2002 die Schweiz mit 195 Einreichungen Rang 9 belegt, und dann mit lausigen sechs Finalists und keinem einzigen Award hinter Tschechien und Slowenien abgeschlagen auf Rang 14 landet.

Leidet die Kreativität unter der schlechten Konjunktur?

Kreativität braucht Vertrauen und Risikobereitschaft. Das macht das Verhältnis zwischen Werbeauftraggebern und -agenturen so fragil, besonders in schwierigen Zeiten, die von Angst und kurzfristigem Handeln geprägt sind. Insbesondere darum muss vermehrt an optimalen Voraussetzungen der Zusammenarbeit gearbeitet werden. Oder anders gesagt: Das Hauptproblem ist nicht die schlechte Konjunktur, sondern die schlechte Kommunikationskultur zwischen Werbeagentur und Auftraggeber. Ich bin glücklich, dass viele Kunden von Euro RSCG trotz oder gerade wegen der schlechten Konjunktur neue Wege von uns fordern - siehe beispielsweise Peugeot mit der Diesel-Kampagne, die im März erscheint.

Welchen Einfluss haben die Werbeverbote auf Werbung und Medien?

Wer will einen röhrenden Hirsch knebeln? Wer schneidet einem Pfau das Rad ab? -- Die Freiheit der Werbung gehört zur Freiheit des Marktes. Solange Zigaretten und Alkohol auf dem freien Markt erlaubt sind, sind Werbeverbote für Zigaretten und Alkohol unhaltbar. Wer Zigaretten und Alkohol verbieten will, soll Zigaretten und Alkohol verbieten. Nicht die Werbung dafür. In einem Artikel "Gedanken zur Ethik in der Werbung" folgert Professor Dr. Albert Ziegler richtig, dass Freiheit auch für die Werbewirtschaft nicht unverbindliche Beliebigkeit bedeutet, sondern in einem bestimmten Rahmen stattzufinden hat. Insbesondere bei Zigaretten- und Alkoholwerbung hat die Gesetzgebung strikte Richtlinien gesetzt, die auf die Gefahren hinweisen und so die Werbung zu einem geordneten Instrument machen. Ein Instrument, welches das Produkt ins rechte Licht rücken soll, aber dabei auch dessen Schattenseiten nicht verheimlichen darf. Wenn Genussmittel zu Suchtmitteln werden, dann ist das ein persönliches Problem oder ein Gesellschaftsproblem, das mit Werbeverboten nicht gelöst werden kann. Daher sind Werbeverbote in erster Linie nicht ein Problem für die Agenturen und Medien, sondern vor allem ein Problem für die Gesellschaft, der jegliche Mündigkeit abgesprochen wird.

Schadet die Pitch-Inflation den Agenturen und Auftraggebern?

Mit dem Agentur-Kunden-Verhältnis ist's wie mit der Liebe: Sich rasch verlieben ist einfach; hingegen eine lange, vertrauensvolle Beziehung mit allen Höhen und Tiefen zu erreichen, ist harte Arbeit (welche durch die immer rascheren Wechsel von CEOs, Marketing- und Werbeleitern auf Kundenseite nicht begünstigt wird). Wenn ein Auftraggeber nach reifer Überlegung zum Schluss kommt, nach klaren, transparenten, fairen Gesichtspunkten drei bis vier Agenturen auf den Zahn zu fühlen, um einen neuen, besseren Partner zu finden, dann ist das für alle Beteiligten eine prima Vorgehensweise. Alles andere ist nicht nur für die Agenturen, sondern vor allem für die Auftraggeber eine bedenkliche Geldvernichtung.


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