11.03.2003

BSW-Jahres-Medienkonferenz

Rückblick und Aussichten

Strukturveränderungen und Konjunkturflaute setzen der Branche zu.

An der Medienorientierung vom 11. März 2003 informierte der scheidende BSW-Präsident Hanspeter Detsch über das Verbandsjahr 2002 und gab einen Überblick über die Situation der Branche und die Ziele des Verbandes. Nachfolgend das Communiqué des BSW:

Die Mitglieder des BSW (Branchenverband Schweizer Werbe- und Kommunikationsagenturen) mussten gegenüber dem Vorjahr einen Ertragsrückgang von 11.4 Prozent in Kauf nehmen. Die Agenturen litten 2002 einerseits unter der schwachen Konjunktur und unter dem zunehmenden Preisdruck seitens der Auftraggeber. Andererseits verspürten sie im kleinen Markt Schweiz die immer stärker werdenden Globalisierungstendenzen und den internationalen Wettbewerb. Mehr und mehr übernehmen die international tätigen Auftraggeber ihre Werbekampagnen aus dem Ausland. Für Schweizer Agenturen reduziert sich damit die Aufgabe oft auf lokale Anpassungen.

Im Verband selbst beträgt das Minus, dank der Aufnahme von neun Neumitgliedern, per Ende Jahr lediglich 6 Prozent. Ende 2002 waren im BSW 80 führende Werbe- und Kommunikationsagenturen zusammengeschlossen -- davon 61 Werbeagenturen, 10 Mediaagenturen und 9 Dialogmarketing- und Spezialagenturen. Die Mitglieder des BSW realisieren ca. 70 Prozent des in der Schweiz über Agenturen getätigten Werbegeschäftes.

Ungünstige Wirtschaftslage

2002 war für die Agenturbranche weltweit ein weiteres unerfreuliches Jahr. Diese Tendenz war auch bei den führenden Schweizer Werbe- und Kommunikationsagenturen deutlich zu spüren. Wie in früheren rezessiven Phasen mussten die Agenturen erfahren, dass zuallererst die Budgets für die Marketingkommunikation gekürzt oder gar ganz gestrichen werden, weil diese zu den wenigen variablen Kosten einer Unternehmung zählen. Sämtliche Studien über die Vorteile antizyklischen Verhaltens scheinen nicht zu existieren und der Rotstift wird, kurzfristigen Zielen genügend, angesetzt.

Internationaler Einfluss

Mehr und mehr verspüren die Schweizer Agenturen aber auch den internationalen Wett-bewerb. Rund 50 Prozent aller BSW-Mitglieder sind heute Niederlassung oder assoziierte Mitglieder eines international tätigen Networks. Bei den zehn grössten Agenturen sind es sogar 100 Prozent. Analog den Marken, Produkten und Medien ist heute auch ein Grossteil von Werbekampagnen grenzüberschreitend. Mit dem Ausverkauf traditioneller Schweizer Marken, wandern Agentur-Aufträge vermehrt ins Ausland ab. Auch international tätige Schweizer Unternehmungen treten zunehmend mit globalen Kampagnen auf, die in London, Paris oder Frankfurt entwickelt werden.

Der BSW ist der Überzeugung, dass es auch für diesen Trend eine Gegenbewegung geben wird. Nach einer langen Phase weltweiter Standardisierung ist heute in verschiedenen Märkten wieder ein Trend zur Individualisierung zu erkennen. Um sich für die gegenläufige Entwicklung in eine gute Ausgangslage zu bringen, werden Schweizer Agenturen allerdings noch mehr Qualitätsanstrengungen unternehmen müssen. Die Voraussetzungen für Agenturen in der Schweiz sind dabei keineswegs schlecht. Das Bildungsniveau ist hoch. Serviceorientiertheit, Kreativität und Gestaltung haben in der Schweiz eine lange Tradition. Im internationalen Vergleich gelten Schweizer Agenturen durchaus als effizient.

Leading Swiss Agencies

Auf Verbandsebene wurden Anstrengungen unternommen, um die Mitglieder besser zu positionieren und ihnen zu mehr Ansehen zu verhelfen. Erstmals wurde unter dem Titel "Leading Swiss Agencies" ein verbandseigenes Agenturen-Portraitbuch publiziert, wel-ches in enger Zusammenarbeit mit der persönlich-Verlags AG entstanden ist. Dieses Buch für Werbeauftraggeber unterstreicht den hohen Qualitätsanspruch der BSW-Agenturen. Das Buch soll jährlich neu aufgelegt werden und sich zum Referenzorgan für den Agentur-Markt etablieren.

Wettbewerbspräsentationen -- Zusammenarbeit zwischen Auftraggebern und Agenturen

Als Antwort auf die zunehmenden, zum Teil groteske Ausmasse annehmenden, Wettbewerbspräsentationen hat der BSW 2002 eine so genannte "Pitch-Liste" eingeführt. Die Mitglieder erstatten der Geschäftsstelle freiwillig Meldung, wenn sie zu einer Konkurrenz-präsentation eingeladen werden. Mit der gewonnenen Übersicht können die Agenturen die Chancen und Risiken ihrer Teilnahme sorgfältiger einschätzen. Die "Pitch-Liste" wird von der Geschäftsstelle streng vertraulich behandelt. Der Wettbewerb kann folglich durch diese Massnahme in keiner Weise beeinflusst oder behindert werden. Die Risiken von allzu offensichtlichen Missbräuchen, zum Schaden der Agenturen, können hingegen durch Interventionen der BSW-Geschäftsstelle reduziert werden.

In dieselbe Richtung zielen die neuen Branchengrundsätze mit entsprechenden Vertragsmustern, die im vergangenen Frühjahr von den Mitgliedern verabschiedet wurden. Diese Werke tragen dazu bei, die Beziehungen zwischen Auftraggebern und Agenturen so transparent wie möglich zu gestalten. Mögliche Konflikte, die während der Zusammenarbeit immer einmal wieder auftreten können, werden im Voraus verständlich und fair geregelt. Um den Mitgliedern die gebotene Sicherheit im Umgang mit diesen Werken zu vermitteln, wurden erstmals zwei Management-Tools-Seminare durchgeführt.

Werbeverbote

Neben der ungünstigen gesamtwirtschaftlichen Entwicklung wird das Agenturgeschäft erneut auch durch politische Aktivitäten bedroht. Die Tendenz zu Werbeverboten wächst. Nach dem Bundesgerichtsurteil, das dem Kanton Genf die Entscheidungsbefugnis über die Werbung für Tabak und Alkohol auf öffentlichem Grund erteilte, sieht sich die Branche nun mit der äusserst fragwürdigen Tatsache konfrontiert, dass in allen 26 Schweizer Kantonen individuelle Regelungen durchgesetzt werden können. Verfolgt man die Entwicklung in der EU, besteht zudem Grund zur Befürchtung, dass sich Schweizer Politiker in vorauseilendem Gehorsam auch auf anderen Gebieten mit Vorstössen zu Werbeverboten einen billigen Weg zur Profilierung versprechen könnten. Unter diesem Eindruck hat sich der BSW denn auch der unter Führung des Schweizerischen Gewerbeverbandes gegründeten Allianz gegen Werbeverbote angeschlossen. Auf europäischer Ebene ist der BSW als Mitglied der EACA (European Association of Communications Agencies) und mit einem Sitz im EACA-Vorstand eng mit dem Geschehen in der EU verbunden.

Der BSW setzt auf das in der Schweiz verankerte Recht auf die freie Meinungsäusserung und auf die Freiheit der kommerziellen Kommunikation. Die BSW-Agenturen sind sich ihrer grossen gesellschaftlichen Verantwortung sehr wohl bewusst. Nicht zuletzt dank der Werbung haben die Konsumenten heute einen hohen Informationsstand. Gesellschaftliche Phänomene wie der Tabakkonsum können nicht aus der Welt geschafft werden, indem man den Bürger bevormundet und ihm die Selbstverantwortung abnimmt. Das Risikoverhalten von einzelnen Konsumentengruppen nimmt durch Werbeverbote kaum ab. Diese Illusion wurde mehrfach widerlegt.

Aus- und Weiterbildung

Aktivitäten des Verbandes im Bereich der Aus- und Weiterbildung sollen unter anderem dazu beitragen, bei den Berufsleuten im schwierigen gesellschaftlichen und marktwirt-schaftlichen Umfeld das Verständnis für Ethik in der Werbung zu fördern.

Die Aus- und Weiterbildung gehört nach wie vor zu den zentralen Leistungen des BSW. Zum Programm 2002 zählten beispielsweise der erstmals durchgeführte Talent-Workshop, die bereits zum neunten Mal gestartete ADC/BSW-Kreativschule sowie verschie-dene Fachseminare.

Neue Mitglieder

Als Meilenstein in der Geschichte des BSW kann die im November 2002 erfolgte Auf-nahme aller IGMA-Mitglieder (Interessengemeinschaft Mediaagenturen) in den Verband der führenden Agenturen bezeichnet werden. Damit sitzen erstmals alle massgebenden Mediaagenturen der Schweiz an einem Tisch und können ihre Anliegen gegenüber Medienanbietern und Werbeauftraggebern gemeinsam vertreten. Es geht vordringlich darum, Rahmenbedingungen für eine leistungsgerechte Honorierung der Mediaagenturen zu schaffen. Daneben stehen Themen wie Beraterkommissionen und die Ausbildung im Bereich des Media-Business weit vorne auf der Traktandenliste.

2002 konnte der BSW insgesamt neun Neumitglieder in die Reihen der führenden Agenturen aufnehmen -- zwei Werbeagenturen, zwei Spezialagenturen und fünf Mediaagenturen. Eine Agentur wechselte von der Aktiv- in die Passivmitgliedschaft. Damit -- und mit einer weiteren, in den ersten Tagen des neuen Jahres aufgenommenen, Mediaagentur -- zählt der Verband weiterhin 80 Aktiv-Mitglieder.

Aussichten 2003

Für das Jahr 2003 prognostizieren die Werbe- und Kommunikationsagenturen im BSW noch keine Erholung. Nachdem die Agenturen anfänglich sehr verantwortungsbewusst und zurück-haltend mit personellen und strukturellen Anpassungen umgingen, werden diese im laufenden Jahr unumgänglich sein. Der BSW verfügt über keine präzisen Angaben, wie viele Arbeitsplätze in der Agenturbranche der wirtschaftlichen Entwicklung zum Opfer gefallen sind. Öffentliche Spekulationen von Agenturleitern, die von rund 20 Prozent sprechen, dürften allerdings nicht weit von der Realität entfernt sein.

Die extremen Wechselbäder im Arbeitsmarkt machen das Agentur-Business praktisch unplanbar. Noch im Jahr 2000 war es beinahe unmöglich, qualifizierte Fachleute auf dem Arbeitsmarkt zu finden, ohne dass man diese einem Mitbewerber abjagen musste. Heute sind vermutlich einige Hunderte Werbe- und Kommunikationsfachleute auf Stellensuche. Alleine bei der BSW-Stellenvermittlung http://www.bswjobs.com liegen zurzeit 138 Dossiers. Im Jahr 2002 konnten lediglich 17 Personen erfolgreich vermittelt werden.

Die neue Situation ermöglicht den Agenturen immerhin, sich qualitativ aufzurüsten. Dies ist -- wie eingangs erwähnt -- notwendig, um international mithalten zu können.


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