Zürich, Münsterbrücke, im Jahr 1925. Ein Migros-Wagen präsentiert seine Auslagen, Menschen flanieren, Oldtimer kreuzen sich und zwei Lausbuben sorgen für Aufregung. Man wähnt sich um 100 Jahre zurückversetzt, wären da nicht Kameras, Kabel und Kontrollmonitore aus der Neuzeit. Am Mittwoch fanden nämlich auf der Münsterbrücke Dreharbeiten für einen historischen Migros-Werbespot statt.
Zwischen nostalgischen Requisiten und technischem Equipment sind nicht nur neugierige Passanten anzutreffen. Peter Diethelm, CEO der Migros Supermarkt AG, lässt es sich nicht nehmen, das Set zu besuchen und die Crewmitglieder persönlich zu begrüssen: «Ich bi de Peter.» Daneben diskutieren Rémy Müller, Leiter Marketing & Kommunikation, und Frédéric Zürcher, Leitung Campaigning & Sponsoring, über die nächste Szene.
Überhaupt fallen die zahlreichen Kaderleute am Filmset auf. Unter ihnen befinden sich auch die Kreativköpfe der Agentur Wirz. So beobachtet Executive Creative Director Lorenz Clormann aufmerksam die Dreharbeiten. Co-CEO Livio Dainese verfolgt die Szenerie in einem nahegelegenen Zelt live auf einem Monitor mit. Dort ist auch Yves Bollag, Co-Founder der Produktionsfirma Stories, anzutreffen.
Übrigens: Nebst der Münsterbrücke wird zeitgleich auch auf dem Lindenhof gedreht, wie das Bild auf dem Monitor verrät. Das spart Zeit und Geld, wie Bollag gegenüber persoenlich.com erklärt. Zu den Produktionskosten hält sich die Migros bedeckt, gibt nur das Gesamtbudget für das Jubiläumsjahr mit 71 Millionen Franken an. Davon stammen 44 Millionen aus regulären Budgets und 27 Millionen sind Zusatzkosten. «Der Werbespot selbst macht nur einen kleinen Bruchteil des Budgets aus», so das offizielle Wording.
Auf der Münsterbrücke ist alles eingerichtet, der Dreh kann bald beginnen. Für Aufregung sorgt ein unerwarteter Gast: «Habt ihr gesehen, die Zürcher Stadtpräsidentin war das», raunt es durch das Set, als Corine Mauch kurz vor Drehstart zufällig mitten durch die Filmkulisse in Richtung Stadthaus spaziert. Minuten später wird die Münsterbrücke abgeriegelt. Wer nicht direkt mit den Dreharbeiten beauftragt ist, soll etwas abseits das Geschehen beobachten.
Der Dutti-Moment: 100 Jahre in 90 Sekunden
«Man erzählt quasi ein halbes Leben in anderthalb Minuten», bringt Regisseur Jan-Eric Mack die Herausforderung auf den Punkt. Der Filmemacher («Davos 1917», «Wilder») hat die Aufgabe, die Gründungsgeschichte der Migros mit ihren Höhen und Tiefen im Zeitraffer zu verdichten.
«Die Kunst liegt darin, jene Momente herauszupicken, die sofort Empathie für die Hauptfiguren erzeugen», erklärt Mack im Gespräch mit persoenlich.com. Gottlieb Duttweiler und seine Frau Adele haben mit der Gründung der Migros Schweizer Geschichte geschrieben – eine Geschichte, die laut Produktionsunterlagen «keineswegs gradlinig war».
Wetterkapriolen und orangefarbenes Herzblut
Seit Montag laufen die Dreharbeiten an verschiedenen Orten des Kantons Zürich, mit wechselhaftem Wetter als ständigem Begleiter. «Am ersten Tag hatten wir strahlenden Sonnenschein – genau was wir brauchten», so Désirée Strassmann, Leitung Campaigning bei der Migros. Doch am zweiten Tag kam der Regen. «Wir haben Reservetage eingeplant», erklärt sie pragmatisch. Doch nachgedreht werden muss nur noch eine kleine Szene.
Der bedeckte Himmel am Mittwoch passt perfekt zur aktuellen Szene: «Es geht um Widerstand. Da ist dieses Wetter besser als Sonnenschein», so Mack mit einem Schmunzeln – und fügt hinzu: «Petrus ist ein Migros-Kind.» Exakt denselben Satz sagte Minuten zuvor auch schon Strassmann. Als kurzzeitig die dichte Wolkendecke aufreisst, erklingen auf dem Set Ausrufe wie: «Oh nein, jetzt scheint noch die Sonne.» Doch dieser Moment ist von kurzer Dauer, der dramatisch-graue Himmel kehrt gleich wieder zurück.
Für die Campaigning-Leiterin ist der Dreh ein besonderes Erlebnis: «In mir fliesst oranges Blut. Nach einem Jahr Vorbereitungszeit diese historischen Produkte und den Originalwagen zu sehen – das ist eine meiner schönsten Reisen.»
Akribische Rekonstruktion der Migros-Anfänge
Der Aufwand für die historische Genauigkeit ist beeindruckend. Nicht nur der Verkaufswagen – ein restaurierter Ford Modell T, der tatsächlich einer der ersten fünf Verkaufswagen der Migros AG war –, sondern auch die Produktverpackungen entsprechen exakt den Anfängen der Migros. Letztere wurden von der Filmproduktion gemäss Fotos und weiteren Dokumenten aus dem Migros-Archiv rekonstruiert.
Bei der Besetzung des Casts ging das Produktionsteam weltweit auf die Suche und wurde in England fündig: Die vier Hauptdarstellerinnen und Hauptdarsteller für die jungen und älteren Duttweilers sollen den historischen Vorbildern täuschend ähnlich sehen. Sämtliche anderen Rollen wurden mit Schweizer Darstellerinnen und Darstellern besetzt.
Die Crew glänzt mit Namen, die in der Schweizer Filmszene bekannt sind und teils schon Erfahrung mit historischen Projekten haben: Kostümbildnerin Monika Schmid («Frieden», «Zwingli»), Maskenbildner Stefan Winkler, Szenenbildnerin Su Erdt oder Kameramann Jan Mettler.
Die fertige Kampagne läuft ab Spätsommer 2025 im TV, Kino, online und auf Social Media. So wird die Geschichte von Gottlieb und Adele Duttweiler, verdichtet auf 90 Sekunden, bald mehr als nur den geladenen Set-Besuchern und zufälligen Zaungästen zugänglich sein.