28.04.2024

Rod/BAG

«Weniger nackte Haut, mehr Kreativität»

Mit «Ready!» hat das Bundesamt für Gesundheit eine neue «Love Life»-Kampagne lanciert. Tiffany Bottlang, Co-Chefin von Rod, und Adrian Kammer, BAG-Kampagnenchef, sagen, warum die Neuauflage eher zahm daherkommt und weshalb das Kondom keine zentrale Rolle mehr spielt.
Rod/BAG: «Weniger nackte Haut, mehr Kreativität»
Verantworten gemeinsam die aktuellste «Love Life»-Kampagne unter dem Motto «Ready!»: Tiffany Bottlang, Co-Chefin Rod Kommunikation (l.), und Adrian Kammer, Kampagnenchef beim Bundesamt für Gesundheit (BAG). (Collage: persoenlich.com/zVg)

Adrian Kammer, der Bundesrat hat sich zum Ziel gesetzt, dass es bis 2030 zu keinen Übertragungen von HIV sowie des Hepatitis B- und C-Virus mehr kommt in der Schweiz. Wie kann die aktuelle «Love Life»-Kampagne dazu beitragen?
Dass Präventionskampagnen wirken, wissen wir aus der Vergangenheit. Wir konzentrieren uns im 2024 auf eine Information der breiten Bevölkerung. Ab 2025 wird die Kommunikation auf ausgewählte Schlüsselgruppen fokussieren. Dadurch trägt die Kampagne ihren Teil zur Zielerreichung des Nationalen Programms NAPS bei, das vom Bundesrat im November 2023 verabschiedet wurde.

Was will das Bundesamt für Gesundheit (BAG) diesmal kommunizieren?
Der Fokus der aktuellen Kampagne liegt auf persönlichen, risikobasierten Schutz- und Testempfehlungen zu allen sexuell übertragbaren Infektionen. Dazu wurde ein Safer-Sex-Check erarbeitet, der individuelle Handlungsmöglichkeiten aufzeigt. Je nach Situation können auch Impfungen oder regelmässiges Testen unerlässlich sein. Der Safer-Sex-Check informiert zudem darüber, was man nach Risikosituationen tun sollte: testen und bei Bedarf behandeln.

Tiffany Bottlang, dass es in der aktuellen Kampagne um Safer Sex geht, erschliesst sich erst auf den zweiten oder dritten Blick. Warum glauben Sie, dass die Botschaft trotzdem ankommt?
Über die letzten zehn Jahre haben wir «Love Life» gemeinsam mit dem BAG zu einer nach wie vor relevanten Marke innerhalb der Bevölkerung aufgebaut. Das unverkennbare Branding des Bundes wird von der Zielgruppe erkannt.

 «Die aktuelle Kampagne ist im Vergleich zu den vergangenen zahm»

Was braucht es dazu?
Für uns ist das Storytelling entscheidend, um die Menschen von unseren Botschaften zu überzeugen und Identifikationspotenzial zu schaffen. Wenn die Bevölkerung aufgrund unserer Arbeit zu den richtigen Massnahmen greift – sei es der Safer-Sex-Check, das Kondom oder sich testen lassen – hat die Kampagne ihren Job getan.

Im Vergleich zur «harmlosen» Bildsprache auf den Plakaten geht es in den Videos eindeutiger zur Sache. Wieso dieser Unterschied?
Wenn Sie auf vergangene «Love Life»-Kampagnen schauen, ist die aktuelle vergleichsweise zahm. Das ist unter anderem auch auf die heutige Ausgangslage in Bezug auf die Schutzmassnahmen zurückzuführen. Wir mussten also neue Wege finden, um für Aufmerksamkeit zu sorgen.


Wie gingen Sie da vor?

Wir bedienen uns in den Spots einer Rückwärtsmechanik und bewegen uns vom Sex zurück zu dem Moment, der wirklich für das BAG und die Bevölkerung zählt – der Safer-Sex-Check. Der richtige Schutz vor STI findet heute nicht mehr unmittelbar vor oder während dem Sex statt, sondern davor. Grundsätzlich gilt für uns: weniger nackte Haut, mehr Kreativität.

Wie stark beeinflussten die Hausregeln der grossen Social-Media-Plattformen die Ausgestaltung der aktuellen Kampagne?
Internationale Plattformen wie Meta verbieten Bilder von nackter Haut oder sexuelle Sprache. Diese Richtlinien haben sich in den letzten Jahren noch mal deutlich verschärft. Wir müssen diese respektieren und unsere Kreation dementsprechend anpassen.

Herr Kammer, «Ready!» ist die erste Love-Life-Kampagne des BAG, bei der das Kondom nicht im Zentrum steht. Wieso?
Das Kondom bleibt das wichtigste Mittel, um sich während dem Sex vor HIV zu schützen. Diese Botschaft haben wir in den vergangenen Kampagnen erfolgreich verankern können. Aber Safer Sex umfasst heute nebst HIV auch den Schutz vor anderen sexuell übertragbaren Infektionen. Daher hat das Kondom Verstärkung bekommen. Besonders vor dem Sex gibt es unterschiedliche Varianten, um sich vorzubereiten und zu schützen. Diesen wichtigen Möglichkeiten trägt die neue Kampagne Rechnung.

«Die Kampagne, das Informationsmaterial und den Safer-Sex-Check gibt es in bis zu fünf Sprachen»

Nach 37 Jahren und zig Kampagnen für Safer Sex: Bei welchem Wissensstand kann das BAG diesmal ansetzen?
Eine Mehrheit der Bevölkerung hat sich mit dem Thema HIV/Aids als sexuell übertragbare Krankheit auseinandergesetzt, was unter anderem ein Ergebnis unserer Arbeit ist. Weitere Zahlen der Befragung zeigen aber, dass das Bewusstsein für andere sexuell übertragbare Infektionen viel tiefer ist und vielen auch nicht klar ist, wie man sich davor schützen kann. Entsprechend haben wir die neue Kampagne ausgerichtet.

In der Romandie haben sich die Leute bisher weniger mit sexuell übertragbaren Krankheiten auseinandergesetzt, wie eine BAG-Umfrage zeigt. Wird das in der Kommunikation der Kampagne berücksichtigt?
Die Kampagne, das Informationsmaterial und den Safer-Sex-Check gibt es in bis zu fünf Sprachen. Das ist wichtig und wurde vom BAG immer so zur Verfügung gestellt. Grundsätzlich müssen alle Sprachregionen die Chance haben, sich auf den gleichen Wissensstand zu bringen. Deswegen gibt es innerhalb der Sprachen keine Unterschiede bezüglich der Inhalte.

Tiffany Bottlang, inwiefern haben frühere «Love Life»-Kampagnen als Inspiration oder zur Abgrenzung gedient?
Wir freuen uns auch heute noch, wenn wir vergangene «Love Life»-Kampagnen anschauen. Jede für sich war ein echtes Highlight. Aber wir gucken lieber nach vorne und widmen uns neuen Herausforderungen. Deswegen suchen wir Inspiration lieber in der Gegenwart oder in der Zukunft.

«Unsere Präventionsarbeit soll niemals mit dem erhobenen Zeigefinger werben»

Wo erkennt man die Rod-Handschrift bei dieser Kampagne?
Jede Kampagne des BAG und Rod basiert auf einer sorgfältigen Strategie, die sich dem Zeitgeist, den gesellschaftlichen Veränderungen und den epidemiologischen Gegebenheiten anpasst. Gleichzeitig soll unsere Präventionsarbeit niemals mit dem erhobenen Zeigefinger werben, sondern immer mit viel Spass, Kreativität und Möglichkeit zur Identifikation.

Adrian Kammer, warum ist Rod weiterhin die richtige Agentur für die «Love Life»-Kampagne?
2019 hat Rod in einem öffentlichen Wettbewerb den Pitch für sich entschieden. Mit Rod verbindet uns eine langjährige Zusammenarbeit. Wir haben gemeinsam erfolgreiche Kampagnen erschaffen, die wirksam waren und den Menschen auch heute noch in den Köpfen und Herzen stecken. Und das erhoffen wir uns auch von der neuen «Ready!» Kampagne. Präventionsarbeit hat viel mit Erfahrung zu tun, es braucht aber auch immer wieder neue kreative Ansätze, um von der Bevölkerung wahrgenommen zu werden.

Und noch zum Geld: Was kostet diese Kampagne?
Die Kampagne kostet 2024 zirka 1,2 Millionen Franken. Das Budget ist somit über eine halbe Million kleiner als bei früheren Kampagnen.

Ist das gut investiertes Geld?
Dass in die Information und Sensibilisierung der Bevölkerung investiert wird, hat mehrere Gründe: Erstens ist dies einer der Pfeiler des Nationalen Programms, das der Bundesrat im November verabschiedet hat. Zweitens, weil Präventionskampagnen erwiesenermassen wirksam sind. Drittens, weil sich – nebst dem Verhindern von persönlichem Leid – diese Investitionen sehr schnell «amortisieren». Dadurch können Ansteckungen und Behandlungskosten vermieden werden. Präventionsarbeit ist also eine Investition, die sich für alle lohnt.


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