30.06.2019

Cannes Lions 2019

«Wir sind alle behindert»

Für den Pro-Infirmis-Film «Alle sind gleich, niemand ist gleicher» hat Thjnk Zürich in Cannes vier Löwen gewonnen. Der Spot wurde von Stories unter der Regie von Jon Barber produziert. Der Regisseur über seinen Stolz – und Spinatblättern zwischen den Zähnen.
Cannes Lions 2019: «Wir sind alle behindert»
Führte beim mehrfach ausgezeichneten Pro-Infirmis-Film «Alle sind gleich, niemand ist gleicher» Regie: Jon Barber. (Bild: zVg.)
von Christian Beck

Herr Barber, Ihr Film für Pro Infirmis – «Alle sind gleich, niemand ist gleicher» – hat drei silberne und einen bronzenen Löwen in Cannes gewonnen. Wie stolz sind Sie?
Ich bin natürlich sehr stolz auf den Film. Aber auf die Elaboration des Filmes bin ich besonders stolz. Die Tatsache, dass meine Darsteller alle «behindert» waren, hatte keinen Einfluss auf die Qualität ihrer Leistungen. Einige davon waren ausgebildete Schauspieler und andere nicht, wie es bei jeder Produktion der Fall ist. Business as usual: Regisseur, der Schauspieler inszeniert. Bezüglich den Auszeichnungen hoffe ich vor allem, dass die Auszeichnungen zusätzliche Aufmerksamkeit auf die grossartige Arbeit von Pro Infirmis lenken wird.

Alle Löwen heimste Thjnk Zürich ein. Das Löwengehege werde in der Agentur aufgestellt, sagte Alexander Jaggy von Thjnk (persoenlich.com berichtete). Werden Sie regelmässig vorbeigehen, um die Löwen zu füttern?
Ich würde es vorziehen, den Löwenkäfig zu füttern, nicht die Löwen. Ich bin ständig auf der Suche nach mutigen, originellen Ideen, die zu einer spannenden Zusammenarbeit zwischen Agenturen und Kunden führen. Thjnk ist ein kleiner, kreativ sehr starker Laden und ich komme sehr gerne wieder zu Besuch, auch um die Löwen zu füttern.

«Das Drehbuch von Thjnk verwirrte mich erst»

Ist es nicht ein Frust, dass Sie vom ganzen Preissegen nicht direkt profitieren können?
Ich habe diese Reise nicht mit Preisen oder Gewinn im Hinterkopf begonnen. Das Drehbuch von Thjnk verwirrte mich erst, dann forderte es mich heraus und schlussendlich überwältigte es mich. Es spielt keine Rolle, ob Sie im Rollstuhl sitzen oder nicht. Wenn Sie in einer Vorstandssitzung ein Spinatblatt zwischen den Zähnen stecken haben, dann sehen Sie aus wie ein Idiot. Wenn man in Hundescheisse tritt, egal ob mit einem echten oder prothetischen Bein, ist beides gleich mühsam. Wenn wir an einer Bushaltestelle stehen, fluchend und mit uns selbst redend, aggressiv versuchen unser Kopfhörerkabel zu entwirren… solche Sachen passieren uns allen. Wir sind alle behindert.

Der Film wurde bereits am Edi.18 mit Gold ausgezeichnet. Was macht die Geschichte so besonders?
Das Besondere an dieser Geschichte ist ihre Einfachheit. Normalerweise versucht diese Art von Werbung, Mitleid und Traurigkeit in uns zu wecken. Und man beobachtet die Behinderung aus einer sicheren Distanz. Unser Film zwingt das Publikum jedoch, sich in den Protagonisten zu versetzen.

Wie viel Jon Barber steckt im Film allgemein? Oder anders gefragt: Wie viel hat Thjnk dazu beigetragen?
Ich zolle Thjnk enorm viel Respekt, dass sie mit diesem Drehbuch auf mich, einen Comedy-Regisseuren, zugekommen sind. Thjnk wusste, dass es sich um ein unkonventionelles Projekt handelte und suchte deshalb nach unkonventionellen Inputs. Wir hatten eine Menge hitziger Diskussionen über jedes einzelne Detail des Projekts. Und ich liebe diesen Prozess. Eine gesunde, temperamentvolle kreative Zusammenarbeit ist unerlässlich, um den Kern einer Idee zu erreichen. Ein kühles Schweizer Bierchen kann solch einen Prozess zusätzlich positiv vorantreiben (lacht).

«Wir verfügten über ein sehr kleines Budget»

Wie war die Zusammenarbeit mit dem Casting?
Es war genau wie in jedem Film, den ich je gedreht habe. Das beste Talent bekam die Rolle. 

Bei jeder Aufnahme läuft etwas schief. Was ist beim Pro-Infirmis-Dreh schief gelaufen?
Die üblichen Dinge, die bei jedem Dreh passieren. Nichts Nennenswertes. Wir verfügten über ein sehr kleines Budget für diese Produktion. Das hat sicherlich zusätzliche Herausforderungen mit sich gebracht. Locations, Darsteller und Zeiten waren ein ständig wechselndes Puzzle. Ich schätze meine Produzenten bei Stories sehr, sowie alle Schauspieler und Crewmitglieder, die sich mit uns an diesen anspruchsvollen Zeitplan und das anspruchsvolle Budget gehalten haben. Die Magie, die man auf dem Bildschirm sieht, hatte hunderte von Händen, die sie diesen Hügel hochgeschoben haben.



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