15.11.2021

Ist doch ganz normal

«Wir wollen die Ärmel hochgekrempelt lassen»

Die neue Imagekampagne hat bei der PostFinance und Jung von Matt Limmat für viele positive Reaktionen gesorgt. Dennis Lengacher und Wolfgang Bark geben einen Einblick in die noch junge Zusammenarbeit, die sich von Beginn weg ganz normal angefühlt hat.
Ist doch ganz normal: «Wir wollen die Ärmel hochgekrempelt lassen»
Haben auf Augenhöhe zusammengearbeitet (v.l.): Dennis Lengacher, Leiter Marketingkonzeption bei PostFinance, und Wolfgang Bark, Executive Creative Director und Mitglied der Geschäftsleitung bei Jung von Matt Limmat. (Bilder: zVg)
von Christian Beck

Herr Lengacher, Herr Bark, die aktuelle PostFinance-Kampagne «Ist doch ganz normal» hat viele positive Reaktionen ausgelöst. Das ist aber nicht ganz normal?
Dennis Lengacher: Die vielen positiven Reaktionen freuen uns sehr und dürfen für die Werbung eines Finanzdienstleisters auch nicht automatisch erwartet werden. Gleichzeitig haben wir uns natürlich schon erhofft, dass dieser mutige Auftritt positive Feedbacks auslöst. Viel wichtiger wird es aber in der langen Frist sein, dass die Kampagne und die neue kommunikative Klammer ihren Job machen und es uns gelingt, das Retail Banking von PostFinance erfolgreich – das heisst der eigenen Positionierung entsprechend – in den Köpfen der Kundinnen und Kunden zu verankern.

Wolfgang Bark: Das kann ich nur bestätigen. Die Freude ist auch bei uns immens. Die vielen positiven Rückmeldungen beweisen auch, dass es sich lohnt, mutige Schritte zu wagen, wenn Botschaft und Tonalität voll aus der Marke herauskommen. Und das passt hier offensichtlich.

Welches Feedback hat Sie am meisten gefreut?
Lengacher: Einerseits sicherlich das interne Feedback. Die Kampagne schafft es, mit wenigen Aussagen genau das zu transportieren, was PostFinance ausmacht. Das bestätigen uns unsere Abteilungen, vom Verkauf bis zur IT. Uns scheint es also gelungen zu sein, unser Selbstverständnis, unsere DNA treffend in eine Positionierungskampagne zu übersetzen. Andererseits ist natürlich auch das Feedback unserer Kundinnen und Kunden zentral. Dort höre ich oft, dass unsere Unverkrampftheit in Geldfragen, die Kundinnen und Kunden an uns schätzen, in dieser Kampagne spürbar ist. Gleichzeitig sind wir uns auch bewusst, dass die Leitidee bei all ihrer Stärke auch Angriffsfläche bietet.

Auch wir bei persoenlich.com bemerkten ein grosses Interesse. Der Artikel über die Kampagne schaffte es in die Top 5 der Woche. Worauf führen Sie diese Resonanz zurück?
Bark: Das kann ich nur vermuten. Die Finanzbranche hat sicherlich keine leichte Zeit hinter sich, mit nicht nur positiven Schlagzeilen. Die Kampagne eines Finanzdienstleisters wird daher vielleicht mit besonders aufmerksamen Augen betrachtet. Dass das in diesem Fall aber zu positiven Reaktionen führt, hat sicher damit zu tun, dass die Botschaft beziehungsweise die Haltung der Kampagne den Nerv der Zeit treffen. Diversität ist und bleibt eines der zentralsten Themen unserer Zeit. Diese Diversität in Bildern, Geschichten aber auch Angeboten zu repräsentieren, wird von der Gesellschaft immer stärker honoriert.

Herr Lengacher, diese Kampagne war die erste gemeinsame Arbeit von PostFinance und Jung von Matt Limmat. Hand aufs Herz, haben Sie der Agentur eine lange Leine gelassen?
Lengacher: Ich tue mich ehrlich gesagt schwer mit dem Vergleich der langen Leine. Sie impliziert eine sehr klassische Rollenverteilung zwischen Kunde und Agentur, die wir – und ich denke, das kann Wolfgang bestätigen – in keiner Weise erfüllen. Jung von Matt hat uns als Kunde, als Finanzdienstleister und vor allem unsere DNA ab dem ersten Moment verstanden. Der beste Beweis dafür ist, dass über 80 Prozent der Aussagen und Headlines, die jetzt live sind, bereits ganz zu Beginn schon diskutiert worden sind.

«Wir wollen keine Jasager und Jasagerinnen als strategische und kreative Partner»

Herr Bark, können Sie das bestätigen?
Bark: Absolut. Ich denke, wir haben auf beiden Seiten von Beginn an gespürt, dass unsere gemeinsame Vorstellung von einer partnerschaftlichen Beziehung identisch ist. Darauf vertrauen zu können, dass wir nur gemeinsam zum besten Ergebnis kommen, war wie selbstverständlich. Oder eben da schon ganz normal. Nichtsdestotrotz wurde natürlich über einige Punkte auch mal länger diskutiert. Aber diese Diskussionsfreudigkeit hat euch wie uns doch Spass gemacht, oder Dennis? (lacht)

Lengacher: Klar. Es macht immer Freude, wenn man sich inhaltlich «batteln» kann, und gleichzeitig ist das für mich eine der zentralen Anforderungen an eine Agentur. Wir wollen keine Jasager und Jasagerinnen als strategische und kreative Partner, sondern Sparringspartner auf Augenhöhe, die um ein gemeinsames Verständnis bemüht sind.

In der Mitteilung vom Dienstag hiess es, die Imagekampagne sei «in Rekordzeit» umgesetzt worden. Wenn ich mir die lange Liste der beteiligten Personen anschaue, kann ich mir das gar nicht so richtig vorstellen. Wie schnell waren Sie?
Bark: Wir sprechen hier von gut 2,5 Monaten. Und ja: Man würde denken, dass eine Vielzahl an beteiligten Personen dazu führt, dass man langsamer wird. Aber durch die kollaborative und agile Zusammenarbeit der Teams konnten wir praktisch täglich Entscheidungen treffen. Weiter profitierten wir von kurzen Wegen zu allen Stakeholdern. Damit konnte jede einzelne Person des Teams zu diesem hohen Speed beitragen.

PostFinance wird in der Kampagne sehr hip dargestellt. Entspricht dies der Realität?
Lengacher: Zugegeben: Als PostFinance standen wir uns in den letzten Jahren immer wieder selbst etwas im Weg, wenn es darum ging, über unsere Stärken zu sprechen. Das Selbstverständnis, das nun mit der Kampagne nach aussen transportiert wird, wird aber intern schon lange gelebt. Wir sind selbstbewusst und gleichzeitig unverkrampft – ein kompletter Finanzdienstleister, aber keine typische Bank. Wir haben ja unseren Hauptsitz auch nicht am Paradeplatz (lacht).

Liegt denn der Fokus der Kampagne vor allem auf jungen Kundinnen und Kunden?
Lengacher: Auch, aber natürlich nicht nur. Dass der gesamte Stil und die Tonalität der Kampagne – inklusive Track – so hip daherkommen, hat uns vom ersten Moment an gefallen und ist für uns auch nicht eine Frage des Alters, sondern vielmehr der Art und Weise, wie wir unseren Umgang mit Geld und den Dialog mit unserer Kundschaft gestalten wollen.

«In der Jogginghose zur Anlageberatung», heisst es auf einem der Plakate. Auch das sei ganz normal. Und Sie gehen auch in der Jogginghose zur Arbeit?
Lengacher: Bisher noch nicht (lacht). Auch wenn die letzten Monate im Homeoffice dazu verleiten würden. Nein, im Ernst: Für mich persönlich gehört die Jogginghose auf die Couch. Aber eben: Das ist mein persönliches Empfinden. Uns als PostFinance ist es sehr wichtig, dass sich weder Mitarbeitende noch Kundinnen und Kunden verstellen müssen. Wir haben daher wohl auch eine der lockereren Kleiderordnungen der Schweizer Banklandschaft, und unsere Kundinnen und Kunden werden so oder so bestens beraten, völlig unabhängig von Äusserlichkeiten.

«Das Team wollte den Leitgedanken in die Köpfe der Schweiz ‹hämmern›»

Im Zentrum der Kampagne steht nicht das Plakat, sondern ein Musikspot. War das von Anfang an klar?
Bark: Tatsächlich, ja. Das Team wollte den Leitgedanken «Ist doch ganz normal» in die Köpfe der Schweiz «hämmern». Und wie macht man das besser als mit einem eingängigen Soundtrack. Der Sound, die gesprochenen USPs sowie das sich wiederholende «Ist doch ganz normal» verhafteten sich sofort in unseren Gehirnwindungen. Dass es dem PostFinance-Team gleich ging, konnten wir vermuten, als man beim ersten Vorspielen schon viele grinsende Gesichter und im Takt wippende Köpfe sah (lacht).

Und wie genau entstand dann dieser Track?
Bark: Die erste Version war ja hausgemacht: Instrumentalsound – versehen mit Sprechgesang von einem Text-Trainee. Als wir dann tatsächlich an der heutigen Version arbeiten durften, ging die Arbeit aber nochmals erst richtig los. Neu komponieren, schneller, langsamer, mehr oder weniger Beats: eigentlich jeden Sound hinterfragen und immer versuchen, es besser zu machen. Zum Glück hatten wir mit White Horse Music in Hamburg erfahrene Profis am Start. Und das auch bei der Rapper-Auswahl. Allein die richtige Stimme zu finden, die souverän, freundlich, cool daherkommt und für PostFinance steht, war ein grosser Akt. Und wir sprechen hier nur von der deutschen Version. Den Track gibt es ja auch noch auf Französisch und Italienisch.

Wie sorgen Sie nun dafür, dass es der Song in die Hitparade schafft?
Bark: Das ist gar nicht die Absicht. Und so etwas kann man auch nicht wirklich planen. Aber wenn sich die Anfragen nach dem Song noch weiter häufen, dann werden wir uns ganz sicher etwas überlegen (lacht).

Sie kennen den Text sicher schon auswendig …
Lengacher: Klar. Der Text ist ja auch sehr eingänglich. Intern wird auch viel diskutiert, welche Zeile der Favorit ist – bei mir absolut die Twint-Passage. Sie steht exemplarisch für die Zurückhaltung der PostFinance – von der wir uns mit dieser Kampagne zugegeben etwas lösen. Aber wie der Track beweist, kann dabei ja ziemlich viel Cooles entstehen.

«Wir wollen diese Klammer auch im Anlagegeschäft aufgreifen»

Mit dem Leitsatz «Ist doch ganz normal» ist laut Communiqué eine kommunikative Klammer geschaffen worden – zeitlos und universal. Das heisst, die Kampagne wird eine Fortsetzung erfahren?
Lengacher: Positionierungsvorhaben sind per Definition langfristiger Natur und entsprechend wird es nicht beim One-Shot bleiben. Wir wollten aber gleichzeitig eine kommunikative Klammer, die wir nicht nur auf Imageebene spielen, sondern auch auf unsere wichtigsten Teilmärkte und Segmente deklinieren können. Konkret heisst das: Wir wollen diese Klammer auch im Anlagegeschäft aufgreifen und auch dort beweisen, was für PostFinance und die Kundinnen und Kunden ganz normal ist.

Was ist eigentlich für Sie persönlich ganz normal?
Lengacher: Ohne hier gleich in die Floskelkiste greifen zu wollen, ist es für mich Respekt. Respekt für sein Gegenüber, in welchem Kontext auch immer. Der kommt uns in den aktuellen Zeiten etwas ab. Und in Bezug auf die Kampagne ist es für mich ganz normal, dass dies gerade nur der Auftakt ist. Wir wollen die Ärmel hochgekrempelt lassen und als Retail-Bank weiter hart an uns arbeiten.

Bark: Vieles, das für mich ganz normal ist, sind wohl für die meisten anderen Menschen auch absolut grundlegende Bestandteile ihres Lebens: mein Mann, mein Hund, mein Zuhause, meine Freunde und Familie. Und – und das ist wohl nicht so verbreitet – auch mal ab und zu den Discofinger zu schwingen (lacht). Im Job ist es für mich ganz normal, mit einem grossartigen Team für grossartige Kunden grossartige Kommunikation zu machen. Und da freue ich mich natürlich sehr auf die kommenden Projekte mit Dennis und seinem Team.



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