20.06.2018

Cannes Tagebuch #3

Zehn Präsentations-Tipps von der Côte d'Azur

«Der Bullet Point ist tot», schreibt Alex Schmid. Der Inhaber von Dialogic beurteilt die Charts der Profis.
Cannes Tagebuch #3: Zehn Präsentations-Tipps von der Côte d'Azur

Was fällt den Schweizer Kreativen bei der Werbe-Weltmeisterschaft in Cannes auf? Hier die Eindrücke von Alex Schmid, Inhaber und Geschäftsführer von Dialogic:



1. Dass in Cannes alljährlich die Weltmeisterschaft der Werbung stattfindet ist uns allen bekannt. Dass aber hier jedes Jahr auch die professionellsten Präsentatorinnen und Präsentatoren die besten Referate unseres Planeten halten, war mir lange nicht so richtig bewusst. Seit einigen Jahren verfolge ich die Shows nicht nur aus der Perspektive des Inhalts, sondern auch aus der Optik der Technik. Folgende zehn Punkte habe ich beobachtet:

2. Die traurige Nachricht zu Beginn: Der Bullet Point ist tot. Hier an der Côte finden wir nicht einen, nicht drei und auch keine Punkte bis ans Ende der Seite. Jedes Slide vermittelt eine Botschaft: Als Wort, als Zahl, als Bild oder als Film. Das kommt an, das wirkt. Und wer Angst davor hat, etwas zu vergessen, hier die gute Nachricht: Das merkt ja sowieso niemand.

3. Wer das Gefühl hat, er müsse die gesamte Klaviatur der Bildschirmübergänge und Animationen bei jeder Präsentation abspielen, den kann ich beruhigen: An der Croisette wird nicht verblasst, gewischt, geschoben oder geteilt: Chart folgt auf Chart, und das nicht im Sekundentakt sondern bestenfalls im Minutentakt.

4. Zeilen ohne Hand und Fuss – diese monotonen Reminder von Datum, Logo und Präsentationsnamen sind hier schon seit vielen Jahren ausgestorben. Wer auf jeder Folie die Zuschauer daran erinnern muss, wer präsentiert und worum es geht, hat sowieso verloren. Abgesehen davon ist das Logo sowieso immer am falschen Ort und stört. Also weg damit!

5. Warum setzen wir so selten Film ein? Am Festival wird mir immer wieder bewusst, wie stark dieses Medium ist. Natürlich nur, wenn es gezielt und effizient eingesetzt wird. Auch der Referent selbst darf zu Wort kommen, das wirkt immer sehr kompetent. Sich selbst zitieren zeugt zwar nicht noch Bescheidenheit, aber was wollen wir ja auch gar nicht sein.

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6. Und wenn Film, dann bitte mit sattem Ton und fettem Bass. Leider habe ich bis heute noch keine externen Installation angetroffen die a) irgendjemand in Betrieb nehmen kann, b) überhaupt funktionieren und c) qualitativen Minimalanfoderungen genügen. Da gibt es nur eine Lösung: bei externen Präsentationen das eigene Equipment mitnehmen.

7. Auch Notizzettel findet man unter der Sonne Südfrankreichs keine. Wer spricht, der spricht. Gelesen wird zuhause, gespickt in der Schule. Diskret am Boden versteckte Screen helfen dem einen oder anderen, den Faden wieder zu finden. Meistens verlieren diese aber denselben gerade deswegen: Die Technik stolpert kurz und der Referent kommt zu Fall.

8. Den Startschuss zu den Referaten hat dieses Jahr David Droga gegeben. Und ja, es war keine edukative Vorlesung in professoralem Stil. Droga hat sich locker auf dem Sofa präsentiert und brilliantes Storytelling zelebriert. Auch die Grundsatzfrage «sitzen oder stehen» kann nicht eindeutig beantwortet werden. Im Fall von Droga war «sitzen» wesentlich souveräner.

9. Warum lassen wir uns eigentlich beim Präsentieren nicht helfen? Im Falle der diesjährigen Präsentation einer Vertreterin eines asitatischen Hightech-Unternehmens hätte sich die Panne der Fernsteuerung wesentlich unpeinlicher angefühlt, wenn die Fehlfunktion einem Assistenten hätte zugeordnet werden können.

10. Woher kommen eigentlich die Urängste vor dem Publikum? Diese Frage stelle ich mir immer wieder, wenn ich sehe, wie hier die Zuhörerinnen und Zuhörer einbezogen werden. Teilweise habe ich sogar das Gefühl, dass das Publikum selbst präsentiert. Das funktioniert aber nur solange bis gewisse Individuen diese Plattform missbrauchen, um sich selbst zu produzieren.

Und zum Schluss gibt es noch das Booklet. Worauf wir Agenturleute so stolz sind, kann auch dafür eingesetzt werden, um Leute in die Flucht schlagen. Und mehr und mehr stelle ich das auch im Heimatland fest. Niemand will mehr hundertseitige spiralgebundene Dossiers mit Ausklappern. In Cannes habe ich das noch gar nie gesehen, in der Schweiz scheint das aber immer noch an der Tagesordnung zu sein.

So, und jetzt wende ich mich wieder meiner Tagesordnung zu: einem kühlen Glas Rosé.


persoenlich.com berichtet vor Ort über das Festival, das noch bis am 22. Juni dauert. Alle Berichte und Interviews zu den Cannes Lions 2018 finden Sie hier laufend ergänzt.



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