28.10.2019

Christian Stucki

«Auf Schwinghosen hats keinen Platz für Logos»

Der Berner wurde dieses Jahr am Eidgenössischen Schwingfest Schwingerkönig. persoenlich.com sprach mit ihm und seinem Manager nach seinem Sieg über die Popularität des Schwingens, seinen Vertrag mit Lidl und die zunehmende Kommerzialisierung im Schwingsport.
Christian Stucki: «Auf Schwinghosen hats keinen Platz für Logos»
Chrstian «Chrigu» Stucki hier nach seinem Sieg am Eidgenössischen Schwingfest in Zug mit Siegermuni Kolin. (Bild: Alexandra Wey/Keystone)
von Matthias Ackeret

Herr Stucki, heute gilt Schwingen ja nicht nur bei der Landbevölkerung, sondern auch in den links-grünen Kreisen der städtischen Agglomerationen als hip. Können Sie dies erklären?
(Lacht.) Höchstwahrscheinlich liegt es daran, dass Leute gerne Zweikämpfe anschauen, das aber in einem friedlichen Rahmen.

Im Gegensatz zum Fussball gibt es beim Schwingen keine Ausschreitungen ...
Das stimmt. Es liegt sicherlich auch daran, dass regionale Präferenzen nicht die gleiche Rolle spielen wie beim Fussball. Man ist Anhänger eines bestimmten Schwingers, wobei dessen Herkunft oftmals eine untergeordnete Rolle spielt. Dies ist anders als bei einem YB- oder FCZ-Match, bei dem eine Gruppe von zweihundert Fans Stunk macht und damit das ganze Stadion dominieren kann. Bei uns geht es viel geselliger zu, da sitzen Berner neben Innerschweizer- oder Ostschweizer Fans auf der Tribüne und teilen sich Käse oder Wurst. In einem Fussballstadion wäre es undenkbar, eine Bierflasche oder ein Messer mitzunehmen. Sharing und Geselligkeit spielen beim Schwingsport eben eine tragende Rolle.

Sie haben vor acht Jahren einen sehr unkonventionellen Entscheid gefällt, als Sie Markenbotschafter von Lidl wurden. Wie wurde dies in der konservativen Schwingerszene aufgenommen?
Anfänglich gab es schon Diskussionen, aber dies hat sich längst gelegt. Ich habe eine enge Beziehung zu Lidl Schweiz, da ich das Unternehmen als Chauffeur mit Schweizer Fleisch beliefere. Aber mittlerweile ist auch Aldi als Sponsor im Schwingsport tätig.

«Wir haben den Vertrag zum dritten Mal verlängert»

Gab es nach Ihrem Sieg keine Abwerbungsversuche?
Nein, ich bin ja kein unbeschriebenes Blatt, und man weiss, dass ich seit 2010 bei Lidl Schweiz unter Vertrag stehe. Wir haben diesen soeben um drei weitere Jahre verlängert, zum dritten Mal übrigens.

Rolf Huser (Manager): Stucki ist Stucki. Er schwingt bereits seit einem Jahrzehnt auf einem absoluten Spitzenniveau und hat langjährige Werbepartner. Als Kilian Wenger vor neun Jahren in Frauenfeld überraschend Schwingerkönig wurde, war es ganz anders. Da er noch ein weisses Blatt war, rissen sich die Sponsoren um ihn. Bei uns rufen Coop, Migros oder Aldi gar nicht an, weil sie wissen, dass Chrigel Stucki bei Lidl Schweiz engagiert ist. Ein Sponsorenwechsel in derselben Branche ist äusserst selten, wäre aber auch wenig authentisch und glaubwürdig. Für uns ergibt Lidl Sinn, zum einen beliefert Chrigel Lidl für seinen Arbeitgeber mit Fleisch, zum anderen stammt die Hälfte aller Lidl-Produkte aus unserem Land. In der Schweiz hat man immer Mühe mit den neuen Anbietern und Herausforderern im Detailhandel.

Immer wieder hört man, dass der Schwingsport in der Schweiz mittlerweile zu kommerziell sei. Glauben Sie dies auch?
Huser: Nein. Wenn es wirklich so wäre, würde der Eidgenössische Schwingerverband das Schwingen kommerziell weitaus stärker ausschlachten und beispielsweise die TV-Rechte meistbietend verkaufen. Dies ist aber überhaupt nicht der Fall.

«Als König muss man reagieren, wenn man kann»

Wieso nicht?
Die verschiedenen Sponsoren auf dem Festgelände haben klar Werbemöglichkeiten. Innerhalb des Stadions hingegen ist keine Werbung erlaubt. Dies gilt auch für den Festführer, in dem die kommerziellen Auftritte ganz streng geregelt sind. Selbst auf der Autogrammkarte von Chrigel Stucki oder auf seinen Schwinghosen hat es keinen Platz für ein Sponsorenlogo. Im Gegensatz zu anderen Sportarten wird Sponsoring beim Schwingen immer noch sehr zurückhaltend gehandhabt. Gleichzeitig darf man nicht vergessen, dass die Finanzierung eines solchen Anlasses wie in Zug sehr viel Geld kostet. In anderen Sportarten gibt es Transfer- und Ablösesummen in Millionenhöhe, wodurch die Motivation gewisser Berater im Umfeld ansteigt, einen solchen Wechsel anzustreben. All dies gibt es bei den Schwingern nicht. Deren Motivation ist auch nicht das Geldverdienen, sondern das ist höchstens ein angenehmer Nebeneffekt. Viele Schwinger nehmen lieber eine Waschmaschine vom Gabentisch nach Hause als einen Geldbetrag.

Hat es Ihnen in der Vergangenheit gestunken, dass man Sie dauernd als «Schwingerkönig der Herzen» bezeichnete?
Dies ist sicher eine schöne Bezeichnung, aber leben kann man davon nicht. Richtiger Schwingerkönig zu sein, ist mir schon lieber.

Man sagt gemeinhin, man solle im schönsten Moment zurücktreten. Mit Ihren 34 Jahren sind Sie als Spitzensportler doch schon in einem reiferen Alter.
(Lacht.) Als König muss man regieren, wenn man kann. Es stehen nun drei spannende Jahre bevor. Der Eidgenössische Schwingerverband feiert nächstes Jahr sein 125-jähriges Bestehen, und da möchte ich als aktiver Sportler dabei sein. Zudem fühle ich mich körperlich und mental immer noch sehr stark.



Das ausführliche Interview ist in der Oktober-Ausgabe von «persönlich» erschienen.



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