Frau von Stockar, Sie produzieren die Swissdent-Zahnpasta. Haben Sie während der Coronazeit ein anderes Verkaufsverhalten festgestellt?
Ja, Konsumenten haben bewusster nach Produkten gesucht, die das Immunsystem stärken, die einen gesunden Mundraum herstellen und auch nach Produkten, die in der Schweiz hergestellt werden. Man hat sich auf «alte Werte» zurückbesonnen. Unser desinfiszierendes Whitening Mundwasser wurde plötzlich ein Verkaufshit und die Apotheken haben generell viel mehr Swissdent Produkte verkauft.
Schaut man in einer Krise mehr auf die Zähne als sonst
Körper- und Mundpflege bekommen eine symbolische Bedeutung: Wer sich pflegt gibt nicht auf und geht gestärkt in den Kampf. Wer schöne Zähne hat strahlt Gesundheit aus.
Sie haben viele Verkaufsstellen im Ausland. Konnten Sie während des Lockdowns überhaupt dorthin liefern?
Erstaunlicherweise ja. Ich habe jederzeit damit gerechnet, dass die Grenzabfertigungen schwierig werden würden oder dass nicht mehr genügend Frachtflugzeuge zur Verfügung stehen würden. Aber bis auf Dubai, wo der Flughafen eine zeitlang gesperrt war, konnten wir weltweit alle Bestellungen ausliefern.
Hatten Sie regelmässigen Kontakt mit Ihren Verkäufern. Wie war deren Befindlichkeit? Mussten Sie motivieren?
Kommunizieren und Motivieren waren meine beiden Hauptbetätigungen in den ersten Lockdown-Wochen. Ich habe allen Distributoren weltweit geschrieben oder mit ihnen telefoniert, um zu hören wie es ihnen geht, aber auch zum signalisieren, dass wir voll lieferfähig sind. In den meisten Ländern war die Befindlichkeit bei den Verkäufern nach dem ersten Schock gut. Oral Care gehört überall zur Grundversorgung und konnte weiterhin verkauft werden. In der Schweiz beliefern wir vor allem Apotheken, die während dem Lockdown alle Hände voll zu tun hatten. Wir haben uns beim Verkaufspersonal nach der Öffnung mit einem persönlichen Geschenk für ihren Einsatz bedankt.
Wird sich das Zahnpastageschäft wegen Corona grundlegend verändern?
Grundlegend wohl nicht, was die Massmarket Produkte wie Colgate oder Elmex betreffen. Die werden weiterhin möglichst günstig im Ausland produziert und billig im Supermarkt verkauft werden. Aber bei den Premium Zahnpasten wird wohl das Thema Gesundheit den Verkaufsschlager «Whitening und Bleaching» verdrängen.
Welchen Stellenwert hat «Schweizer Qualität» in Zukunft?
Bei Swissdent einen hohen Stellenwert. Wir konnten während der ganzen Krise normal in der Schweiz produzieren und hatten unser Lager in der Nähe. Wer langfristig denkt, setzt auf Schweizer Qualität, wer kurzfristig die Marge maximieren will, lässt die Ware in China produzieren. Aber läuft Gefahr, in Krisen die Kontrolle über die Produktion zu verlieren.
Sie waren lange Redaktorin, Moderatorin und Produzentin beim Schweizer Fernsehen. Haben Sie den Wechsel in die Privatwirtschaft nie bereut?
Nein, nie! Es waren wunderschöne, spannende Jahre beim Fernsehen, aber sich nach 20 Jahren in einem völlig anderen Umfeld neu zu erfinden ist «elektrisierend» und ein unerschöpflicher Jungbrunnen. Ich sage immer, dass ich Unternehmerin geworden bin, anstatt Botox zu spritzen. Die Herausforderung und Neugier hält mich wach und lebendig.
Sie machten anfangs Sommer Ferien in Schweden, der Heimat Ihrer Mutter. Schweden verfolgt während der Coronazeit einen liberalen Kurs. Wie ist die Befindlichkeit momentan?
Die Stimmung in Schweden ist von gegenseitiger Rücksicht und Vorsicht geprägt. Alle halten Abstand. Die Menschen sind darauf eingestellt, dass das Virus kam, um zu bleiben und dass sie über eine lange Zeit aushalten müssen. Sie fühlen sich von der Welt missverstanden und schütteln die Köpfe über den Jojo-Effekt in den anderen Ländern ausserhalb von Schweden: Nach den strengen Lockdowns benehmen sich die Leute, wie wenn nichts gewesen wäre und die Infektionen steigen wieder an.
Was war für Sie das prägendste Erlebnis der letzten Wochen?
Ich habe am Donnerstag 12. März den Lockdown in Prag erlebt. Plötzlich war ein unsichtbarer Feind da, alle Lokale geschlossen, die Strassen wie leergefegt. Der Nachtportier im Hotel hat sich mit einem Schaudern an den Einmarsch der Russen zurückerinnert. Nachdem wir jahrzehntelang nur offene Grenzen kannten, war auf einmal die eigene Nationalität entscheidend für die Ein- und Ausreisemöglichkeiten. Ich sass im letzten Swiss-Flug aus Prag und war geschockt, wie schnell unser «globales Denken» in ein ängstliches «nationales Handeln» kippen konnte.
Was bedeutet die Corona-Pandemie für die verschiedenen Akteure der Schweizer Medien- und Kommunikationsbranche? Bis auf Weiteres wird persoenlich.com jeden Tag eine betroffene Person zu Wort kommen lassen. Die ganze Serie finden Sie hier.