06.06.2018

Content Marketing Day 2018

Von der Frage, wer die besten Inhalte kreiert

Unternehmen setzen für ihre Kommunikation vermehrt auf eigene Kanäle. Braucht es da Medien und Agenturen noch? Im Kosmos Zürich diskutierten Experten von Tamedia, Ringier, NZZ, Carpe Media, Coop, CS, Farner, Publicis und Jung von Matt. Bissig wurde es im zweiten Teil.
Content Marketing Day 2018: Von der Frage, wer die besten Inhalte kreiert
Im Kinosaal 6 vom Kosmos Zürich wurde der erste Content Marketing Day durchgeführt. (Bild: Christian Beck)
von Christian Beck

Immer mehr Unternehmen setzen auf Content Marketing und bespielen damit ihre eigenen Kanäle, auch Owned Media genannt. Werden die Owned-Media-Plattformen der Firmen irgendwann den Publikationen der traditionellen Verlagshäuser die Reichweite streitig machen? Dieser Frage ging am Mittwoch das erste Panel des von der IAB Switzerland präsentierten Content Marketing Days im Kino Kosmos in Zürich nach.

Obwohl Coop mit der «Coopzeitung» selber über eine reichweitenstarke Zeitung verfügt, arbeitet die Grossverteilerin gerne mit Medien zusammen. Thomas Schwetje, Head of Marketing and Digital Services bei Coop, nannte als Beispiel die Kulinarik-Plattform «Fooby». «Mit ‹20 Minuten› können wir eine ganz andere Zielgruppe erreichen als mit der ‹Coopzeitung›», so Schwetje. Er bezeichnete die Zusammenarbeit als Gewinn für beide Seiten: «Früher haben Zeitungen umsonst Rezepte abgedruckt. Heute kriegen sie Geld dafür.»

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Im Fall von «Fooby» liefere Coop die Hälfte des Contents, welcher in «20 Minuten» jeweils erscheine, selber an – also vor allem die Rezepte. Den Rest produziere das Commercial-Publishing-Team von Tamedia, dem 25 Festangestellte und nochmals so viele Freie angehören. «Die Leser störts nicht. Eher werden die Journalisten nervös, wenn solche Themen platziert werden», sagte der stellvertretende Teamleiter Mahmud Tschannen. Er erläuterte den Unterschied zwischen den verschiedenen Formaten. Native Ads seien reine Themen-Sponsorings, der Lead dafür liege bei Tamedia. «Wir wissen, wie wir die Message an unsere Leser rüberbringen.» Sobald ein Kunde seine Produkte in den Texten erwähnt haben wolle, wechsle die Deklaration zu «Branded Content». «Der Unterschied ist ja sehr subtil. Können die Leser das überhaupt unterscheiden?», fragte Moderator Peter Hogenkamp nach. «Vermutlich nicht», gab Tschannen unumwunden zu. Wichtig sei aber, dass der Leser erkennen könne, dass hier jemand für den Inhalt bezahlt habe.

Einen Seitenhieb an die Adresse von Tamedia gab es von Remo Baumeler, CEO von Audienzz. «Jeder Artikel, der von uns geschrieben wird, wird auch klar deklariert. Tamedia deklariert zwar auch, aber so, dass man es sieht – oder eben auch nicht.»

Glaubwürdigkeit von Medien höher

Man gehe eine Medienpartnerschaft auch wegen der Glaubwürdigkeit ein, so Martina Lebherz, Head Marketing Content & Editorial bei Credit Suisse. Externe Journalisten würden es schaffen, einen guten Spannungsbogen hinzukriegen und spannende, informative Infos zu produzieren. «Es ist aber wichtig, dass wir uns als Unternehmen nicht in die redaktionellen Prozesse einmischen», so Lebherz. Dem pflichtete auch Schwetje bei: «Wir haben noch nie in die redaktionelle Hoheit eingegriffen.» Überprüft werde nur, ob die Fakten stimmen. Was ja wiederum auch der Glaubwürdigkeit diene.

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Auf die Frage des Moderators Hogenkamp, wie viel Content künftig automatisch produziert würde, ähnlich dem Programmatic Advertising, antwortete Tschannen: «Guten Content kann keine Maschine herstellen.» Auch Baumeler stiess ins gleiche Horn: «Themen müssen spannend produziert werden. Dafür braucht es die menschliche Kreativität.»

Was in den nächsten Jahren stark verschwinden werde, seien Special-Interest-Medien. «Das übernehmen heute Influencer. Blogger bringen solche Themen schneller auf den Punkt», prophezeite Lebherz. Gleichzeitig werde aber qualitativer Journalismus wieder stärker geschätzt. «Guten Journalismus braucht es als Gegengewicht zum schnelllebigen Content Marketing aus Bloggerhand», so Lebherz. Schnell verschwinden könnte auch Content Marketing an sich, so Schwetje. «Wenn wir davon ausgehen, dass wir Content Marketing nicht nur aus Spass machen, sondern um mehr Umsatz zu generieren, muss es sich rechnen.»

Agenturen bezeichnen sich als nachhaltiger

Die Content-Marketing-Zuständigen arbeiten zunehmend direkt mit den Content-Factories der Publisher zusammen. Kreativ-, Beratungs-, PR- und Mediaagenturen bleiben nicht selten aussen vor. Genau dieser Thematik widmete sich das zweite Panel am Nachmittag, welches bissiger zu und her ging als die erste Podiumsdiskussion. Schon bei der Frage des Moderators Peter Röthlisberger, ob es Agenturen oder Verlage besser machen, wurde klar: Agenturen fühlen sich durch die neue Content-Marketing-Konkurrenz bedrängt.

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«Bei Content Marketing geht es weder nur um Inhalte noch nur um Marketing. Es ist eine ganze Wertschöpfungskette. Und hier sind Agenturen einfach besser», so Daniel Jörg, Head of Digital Marketing & Research bei Farner Consulting. Zudem hätten Agenturen keine Eigeninteressen, sprich keine eigenen Seiten, die es zu monetarisieren gäbe. Auch Frank Lang, Managing Director Digital bei Publicis Communications, machte sich – logischerweise – für die Agenturen stark: «Was wir definitiv besser können, ist Kreativität.» Und auch Cyrill Hauser, Chief Client Officer bei Jung von Matt/Limmat, sparte nicht mit Giftpfeilen gegen die Verlagshäuser: «Wenn es nicht nur eine Episode sein soll, sondern eine langfristige Geschichte, dann ist das Zusammenspiel zwischen Kunde und Agentur definitiv besser.» Es gehe darum, Konzepte zu schaffen, die berühren und etwas auslösen. «Ich habe noch wenig Medienhäuser erlebt, die solche Konzepte in Serie produziert haben», so Hauser.

«Content zu produzieren, ist in unserer DNA verankert», sagte Thomas Passen, Leiter Content-/Marketing-Partnerschaften bei Ringier Axel Springer Media. Im Storytelling seien Verlagshäuser definitiv besser. «Es ist gar nicht so schwer, heute mit guten Inhalten Gehör zu finden», so Johannes Hummel, Inhaber von Carpe Media. Er sehe heute viele falsch ausgerichtete Content-Marketing-Kampagnen, die zu stark nach innen gerichtet statt bedürfnisorientiert seien.

«Wer wird überleben?», wollte Röthlisberger, Mitinhaber der Chefredaktion GmbH, zum Schluss von den Podiumsteilnehmern wissen. «Die, die einen Plan haben und diesen laufend überarbeiten», so Lang. Und Hummels Schlachtruf: «Gewinnen wird derjenige, der es schafft, Relevanz zu schaffen.» Versöhnlicher zeigte sich Passen: «Die Schweiz ist zu klein, um uns gegenseitig zu bekämpfen.»

Anlass war ausverkauft

Mit über 200 Teilnehmern war die erste Ausgabe der Veranstaltung laut IAB Switzerland ausverkauft. «Content Marketing will den umworbenen Menschen mit den besten und relevantesten Inhalten abholen, statt ihn mit der lautesten Stimme zu unterbrechen», sagt Roger Baur, Geschäftsführer der IAB Switzerland. «Und mit dem Content Marketing Day wollten wir eine Plattform schaffen, auf der wir den Status Quo und die relevantesten Trends für die Schweizer Branche diskutieren können». Ob die Konferenz, an der auch noch fünf Referenten ihre Keynotes präsentierten, ein weiteres Mal durchgeführt wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch offen.



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