03.06.2020

Serie zum Coronavirus

«Wir haben 60 Prozent Umsatz verloren»

Folge 57: Michael Dancsecs, Eigentümer von Standing Ovation, freut sich über die Lockerungen, hat aber erhebliche Einbussen. Er rechnet mit der Durchführung von ersten Events im Herbst.
Serie zum Coronavirus: «Wir haben 60 Prozent Umsatz verloren»
«Rein digitale Events sind für einen eingefleischten Event-Marketer dasselbe, wie wenn ein Metzger ein veganes BBQ zubereiten muss», sagt Dancsecs im Gespräch mit persoenlich.com (Bild: zVg.)
von Matthias Ackeret

Herr Dancecs, wie wirken sich die Lockerungen des Bundesrates auf Ihr Geschäft, die Life-Kommunikation und Brand Experience, aus?
Die Lockerungen vom 6. Juni sind ein erster Schritt in eine neue Normalität. Wir haben bereits vor Wochen verschiedene Szenarien mit möglichen Eventformaten «virtuell» durchorchestriert. Vor allem, um zu prüfen, was für einen Einfluss die möglichen Schutz- und Hygienevorschriften auf die Events haben. Bei einem Punkt waren wir uns in der Geschäftsleitung schnell einig: Der finanzielle Aufwand steigt. Es wird mehr Fläche und mehr Personal benötigt. Wichtig für die gesamte Branche ist nun aber, dass wir eine gewisse Planbarkeit zurück erhalten. Dieses viel beschriebene Licht am Ende des Tunnels ist da, auch wenn es nicht gleich sein wird wie zu Beginn des Jahres.

Spüren Sie bereits wieder eine Nachfrage nach Live-Kommunikation?
Wir durften in den vergangenen Wochen unsere Kreativität an interessanten Wettbewerben unter Beweis stellen. Die Nachfrage ist im Vergleich zum letzten Jahr jedoch komplett eingebrochen. Die gesamte Branche leidet massiv. Sie müssen bedenken, dass ein Event-Vorhaben Vorlaufzeiten benötigt. Wie in anderen Branchen kann mit einem «Rebound-Effekt» gerechnet werden. Das Bedürfnis, mit Kunden, Mitarbeitern und anderen Stakeholder zu kommunizieren, ist ja durch Corona nicht erloschen.

Verändern sich durch die Coronakrise die Kundenbedürfnisse?
Der Wunsch, sich zu treffen, sich auszutauschen und gemeinsam etwas erleben, wird bleiben. Vor allem nach dem Videoconferencing-Rausch. Ich gehe davon aus, dass eine «Weniger-ist-mehr»-Mentalität kommen wird. Weniger Events, dafür überlegter, qualitativ anspruchsvoller und besser in die gesamte Marken-Kommunikation eingebunden. Die Verlagerung von Events in den digitalen Raum sehe ich als temporäre Erscheinung in einer speziellen Zeit. Rein digitale Events sind für einen eingefleischten Event-Marketer dasselbe, wie wenn ein Metzger ein veganes BBQ zubereiten muss.

Wie haben Sie selbst den ganzen Lockdown erlebt?
Meine Familie und ich sind seit Anfang März zu Hause. Nach den Skiferien durften wir eine Woche in Selbstquaratäne verbringen, da meine Frau einen Corona-Test durchführen musste. Dann kam der Lockdown und somit auch das Homeoffice. Wir bei Standing Ovation sind bereits seit Jahren technisch optimal ausgestattet. Wir konnten innert wenigen Stunden auf Homeoffice umschalten und unsere Kunden effizient in der Abwicklung der Absagen unterstützen. Zurückblickend war es eine intensive Zeit. Emotional mit vielen Hochs und Tiefs. Es wäre gelogen, wenn man keine Angst gehabt hätte, zu verlieren, was man 15 Jahre lang erfolgreich und akribisch aufgebaut hat.

Wissen Sie schon, wie gross der Schaden für Ihre Firma und die ganze Branche sein wird?
Der Schaden ist immens. Wir haben rund 60 Prozent unseres Jahresumsatzes verloren. Glücklicherweise konnten wir den entstandenen Verlust bisher aus eigenen Mitteln decken. Das vorsichtige und nachhaltige Wirtschaften hat sich ausbezahlt. Die gesamte Branche wird nach Schätzungen des Verbandes bis Ende Jahr einen Umsatzverlust von rund einer halben Milliarde Franken erleiden.

Während der Coronazeit hatte das Wort «Solidarität» Hochkonjunktur. Haben Sie diese auch im Geschäftsbereich gespürt?
Das ist definitiv der Fall. Wir pflegen mit unseren Kunden und Partnern ein sehr enges und freundschaftliches Verhältnis. Wir haben den Austausch untereinander spürbar intensiviert und uns gegenseitig natürlich auch Mut zugesprochen. Die Situation hat aber das Spektrum geöffnet. Schnell hat sich auch innerhalb der Branche und unter Mitbewerbern eine offene und partnerschaftliche Diskussion entwickelt. Ich wünsche mir, dass dies in Zukunft auch so bleibt.

Wann wird wieder der Normalzustand erreicht sein?
Ich kann nur Vermutungen anstellen. Die Entwicklungen der letzten Tage haben mich optimistisch gestimmt. Wir gehen davon aus, dass frühestens Ende des dritten Quartals wieder mit Events zu rechnen ist. Die Sommermonate sind erfahrungsgemäss für Corporate- und Business-Events eher ruhig.

Ganz persönlich: Was war für Sie das prägendste Erlebnis der letzten Wochen?
Wir haben uns bereits im Januar mit der Corona-Thematik beschäftigt, als der Infektions-Herd noch einige tausend Kilometer weit entfernt gewesen ist. Wir mussten firmenintern Entscheidungen treffen, die nicht populär waren. Als dann der Lockdown und somit auch das «Arbeitsverbot» gekommen ist, haben wir zur letzten Massnahme greifen müssen. Innert wenigen Minuten war der Antrag für die Kurzarbeit von allen Mitarbeitenden unterzeichnet worden. Gemeinsam haben sie dazu beigetragen, dass unsere Firma mit einem blauen Auge durch die Krise manövriert werden konnte. Die Loyalität, Solidarität und Motivation der eigenen Mitarbeitenden hat mich in dieser Zeit am meisten beeindruckt und geprägt



Was bedeutet die Corona-Pandemie für die verschiedenen Akteure der Schweizer Medien- und Kommunikationsbranche? Bis auf Weiteres wird persoenlich.com jeden Tag eine betroffene Person zu Wort kommen lassen. Die ganze Serie finden Sie hier.



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