23.02.2024

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«Spenden sammeln mit direkten Kontakten erfordert besondere Sorgfalt»

Wenn Zewo-zertifizierte Hilfswerke Mailings in hohen Auflagen verschicken, an der Haustüre oder auf öffentlichen Plätzen Spenden sammeln, gelten seit Beginn dieses Jahres neue Vorschriften bzw. Standards. Wir haben mit Zewo-Geschäftsleiterin Martina Ziegerer über die Änderungen und die Gründe dafür gesprochen.
Ausgabe 01/02 2024: «Spenden sammeln mit direkten Kontakten  erfordert besondere Sorgfalt»
Zewo-Geschäftsleiterin Martina Ziegerer.

Frau Ziegerer, die Zewo hat per Anfang 2024 einige Standards, also Vorgaben für zertifizierte Hilfswerke, angepasst. Warum?
Das neue Datenschutzgesetz machte eine Anpassung nötig. Wir haben den Entwicklungen im Fundraising und in der Kommunikation Rechnung getragen. Gleichzeitig gab es ein paar Details, die wir bei dieser Gelegenheit präzisiert haben. Die 21 Zewo-Standards wurden 2016 in Kraft gesetzt und werden periodisch überprüft.

Wir beschränken uns hier auf die Fundraising-Themen. Fangen wir doch mit dem Sammlungskalender an. Hier wurde bisher die Spendenwerbung grosser Hilfswerke terminlich koordiniert, damit nicht zu viele Kampagnen gleichzeitig laufen und die Leute überfordern. Ist eine solche Regelung nicht aus der Zeit gefallen?
Der Sammlungskalender gehört zu den Themen, die wir periodisch überprüfen. Das Spendensammeln ist mit der Digitalisierung vielfältiger geworden. Deshalb haben wir in einer Spenderbefragung untersucht, wie die Bevölkerung den Kontakt mit Hilfswerken wahrnimmt und was störend wirkt. Es hat sich gezeigt, dass es von der Art der Spendensammlung und von der Häufigkeit der Kontakte abhängt.
Wir haben die Erkenntnisse mit den Hilfswerken diskutiert und sind zum Schluss gekommen, dass eine Selbstregulierung, die – wie bisher – alle Sammlungen umfasst, über das Ziel hinausschiesst. So stören sich die Spenderinnen und Spender zum Beispiel wenig an Onlinewerbung, an Plakaten oder wenn im Fernsehen zum Spenden aufgerufen wird. Anders sieht es bei persönlichen Kontakten oder bei der Post im Briefkasten aus.

Auch nach der neuen Regelung sind postalische Mailings an über 150 000 Fremdadressen oder Streuwürfe an mehr als 250 000 Haushalte bei der Zewo einzutragen. Warum?
Spendenbriefe zu versenden, ist nach wie vor die erfolgreichste und deshalb auch die am weitesten verbreitete Art des Spendensammelns. Es ergibt deshalb sowohl aus Sicht der Spenderinnen und Spender als auch aus Sicht der Hilfswerke Sinn, grosse Versände zeitlich zu koordinieren. Das ist vor allem dann wichtig, wenn es um Aufrufe von Hilfswerken geht, denen man noch nie gespendet hat.

Die Zewo holt auch Bewilligungen für die ebenfalls eintragungspflichtigen Strassen- und Haustürsammlungen bei kantonalen Behörden ein. Wofür braucht es eine solche zentrale Steuerung?
Es geht nicht um eine zentrale Steuerung, sondern um eine Vereinfachung. Wir stellen sicher, dass für die im Kalender eingetragenen Sammlungen alle nötigen kantonalen Bewilligungen vorliegen. Die Handhabung ist, wie so oft in der Schweiz, von Kanton zu Kanton verschieden. Einige kennen eine umfassende Bewilligungspflicht für Spendensammlungen. Andere verlangen nur für Strassen- und Haustürsammlungen eine Bewilligung. Und wieder andere haben keine Bewilligungspflicht, möchten aber informiert werden. Da sich dies ab und zu ändert, klären wir jedes Jahr, was wo gilt. Den aktuellen Anforderungen kommen wir mit dem Kalender dann in globo nach. Das ist einfacher, als wenn sich jedes Hilfswerk einzeln darum kümmern müsste.

Ein wichtiges Thema für NPO wie auch Spender:innen sind Transaktionsgebühren, also die Kosten, die für die reine Überweisung von Spenden anfallen. Was sind hier die problematischen Punkte?
Seit Corona sind digitale Zahlungsmittel im Aufwind, auch um Spenden an ein Hilfswerk zu überweisen. Immer mehr Hilfswerke bieten neben dem klassischen Einzahlungsschein und dem E-Banking deshalb auch digitale Zahlungsmittel an, zum Beispiel Kreditkarten, Postfinance-Karte, Paypal oder Twint. Damit sind verschiedene Probleme verbunden: Erstens erkennen Spenderinnen und Spender meist nicht, dass die Wahl des Zahlungsmittels unterschiedlich hohe Kosten verursacht. Es mangelt also an Transparenz. Zweitens können die Gebühren sehr hoch sein. Sie setzen sich oft aus mehreren Elementen zusammen und hängen davon ab, welche Karte oder App man wählt. Drittens können die Gebühren in Prozent der getätigten Spenden anfallen, etwa bei Kreditkarten oder Twint. Sie stehen dann in keinem Verhältnis mehr zum tatsächlichen Aufwand. Und sie summieren sich. Bei 2,5 Milliarden Franken Spenden, die Hilfswerke in einem Jahr in der Schweiz erhalten haben, entspricht jedes Prozent 25 Millionen Franken. Diese Gelder kommen den Zahlungsdienstleistern zugute und fehlen, um Hilfe zu leisten.

Und wie sieht die Lösung der Zewo für diesen Bereich aus?
Hilfswerke mit Zewo-Gütesiegel, die mehrere Zahlungsmittel anbieten, müssen ihre Spenderinnen und Spender darüber informieren, was der kostengünstige Weg ist, eine Spende zu überweisen. Sie können das zum Beispiel auf ihrer Website tun. In den meisten Fällen dürfte übrigens die herkömmliche Bank- oder Postüberweisung mittels E-Banking oder QR-Zahlschein der günstigste Weg sein.

Spenden sammeln mit Direktkontakt (Telefon, SMS, Haustüre, Strasse) scheint besonders heikel, sodass es im Ausland zum Teil eigene ethische Richtlinien für diesen Bereich gibt. Wie geht die Zewo dieses Thema in den Standards an?
Spenden sammeln mit direktem Kontakt erfordert tatsächlich besondere Sorgfalt, das hat auch unsere Umfrage für die Schweiz ergeben. Sie hat aber auch gezeigt, dass sich die Hilfswerke dessen sehr wohl bewusst sind. Sie sammeln vergleichsweise selten mit direktem Kontakt. Bereits laut unseren bisherigen ethischen Standards müssen sie darauf achten, dass sich die angesprochenen oder besuchten Personen nicht zur Spende gedrängt fühlen. Sie müssen das Gespräch oder den Besuch sofort abbrechen, wenn die kontaktierte Person zu erkennen gibt, dass sie keine Fortsetzung des Gesprächs wünscht. Wir haben jetzt noch die sorgfältige Auswahl und die umfassende Schulung von Partnern und Mitarbeitenden betont. So haben wir eine Handhabe bei Abweichungen von dieser «good practice».

Schliesslich ein Dauerthema, das immer wieder zu kontroversen Diskussionen führt, auch unter Fundraiser:innen: die Geschenkbeilagen bei Spendenaufrufen. Sind sie wirklich nötig? Könnte die Zewo sie nicht einfach verbieten?
Mit kleinen Geschenken, die einem Spendenaufruf beiliegen, machen Hilfswerke unterschiedliche Erfahrungen. Ein Teil verzichtet darauf, weil sich ihre Spenderinnen und Spender daran stören, weil es sich für sie nicht rechnet oder weil sie nicht dahinterstehen können. Andere setzen bewusst auf kleine Geschenke, da sich ihre Spenderinnen und Spender darüber freuen und mehr spenden. Auch unsere Umfrage hat gezeigt, dass es durchaus Spenderinnen und Spender gibt, die sich über kleine Geschenke freuen. Es ist zwar nur ein kleiner Teil, aber bei diesem lösen die Geschenke sogar eine gewisse Begeisterung aus. Vor diesem Hintergrund wäre ein Verbot eine sehr drastische Massnahme gewesen. Wir bevorzugen eine Lösung, bei der Spenderinnen und Spender wählen können, ob sie Geschenke möchten oder nicht. Wir setzen auf Qualität im Sinne von ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit. Wer Geschenke einsetzt, muss zudem deren Effekt analysieren.

Eines der Kernanliegen der Zewo ist Transparenz für die Spender:innen. Gibt es auch hier Verbesserungen bzw. neue Vorgaben?
Hilfswerke mit Zewo-Gütesiegel sind bereits sehr transparent. Ihre Jahresrechnung ist viel aussagekräftiger, als es das Gesetz vorschreibt. Zusammen mit dem Jahresbericht muss die vollständige revidierte Jahresrechnung auf der Website publiziert werden. Daraus müssen die einheitlich berechneten Kosten ersichtlich sein. Die Vergütung an den Präsidenten oder an die Präsidentin muss ausgewiesen werden. Und die Interessenbindung von Mitgliedern des Vorstands oder des Stiftungsrats ist offenzulegen. Ausserdem müssen zertifizierte Hilfswerke über die erbrachte Leistung und ihre Wirkung berichten.
In den überarbeiteten Standards ist neu vor allem festgehalten, dass die Jahresberichterstattung auch digital erfolgen kann. Es braucht also keinen gedruckten Jahresbericht mehr. Jahresbericht und Jahresrechnung können jetzt auch zwei separate Publikationen sein. Gleichzeitig haben wir die Mindestinhalte für die Website und den Jahresbericht im Standard aufgeführt: der Zweck und das Ziel der Organisation, die Mitglieder des Vorstands oder des Stiftungsrats sowie der Geschäftsleitung. Während aus dem Jahresbericht hervorgehen soll, was im Berichtsjahr geleistet wurde, gibt die Website Auskunft über die Tätigkeitsfelder der Organisation.
Uns ist wichtig, dass sich die Spenderinnen und Spender bei zertifizierten Hilfswerken ein gutes Bild von der Organisation, ihrer Arbeit und ihren Finanzen machen können. 


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