28.08.2001

Schweizer Presserat I

Beschwerde gegen NZZ abgewiesen

Grenzen der Kulturberichterstattung.

Die Grenzen der Kommentarfreiheit gelten auch für die Kulturberichterstattung. Auch in kulturellen Rezensionen muss das Publikum in die Lage versetzt werden, faktengestützte Wertungen nachzuvollziehen und sich eine eigene Meinung zu bilden. Aus dem Fairnessprinzip und der Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Privatsphäre ist abzuleiten, dass sich ein Kommentar insbesondere dann durch eine gewisse Fairness auszeichnen sollte, wenn er Personen kritisch beurteilt. Zu diesen Schlüssen ist der Presserat in einer am Dienstag veröffentlichten Stellungnahme gelangt.

Ende November 2000 berichtete die NZZ über eine Konzert des Philharmonia Orchestra London, das unter der Leitung des deutschen Dirigenten Christian Thielemann in der Zürcher Tonhalle abgehalten worden war. Der Rezensent stellte darin zur Diskussion, ob die Partitur der "Meistersinger" von Wagner derart unverstellt militaristisch gespielt und ob durch Kunst "so direkt Instinkte" geweckt werden dürften. Weiter stellte er eine Verbindung zwischen dem äusseren Auftreten des Dirigenten, dessen rechtskonservativer Haltung und einer in Berlin geführten Auseinandersetzung rund um eine antisemitische Äusserung her. Die Insistenz, mit der Thielemann diese Aussage habe dementieren lassen, obwohl sein Name in diesem Zusammenhang nicht explizit genannt worden sei, weise darauf hin, "dass hinter diesem Rauch ein Feuer steckt". Obwohl der Dirigent Fragen zu diesem Themenkreis unwirsch dementiere, sprächen sein Repertoire, sein Auftreten und sein Musizieren eine andere Sprache. Ein Leser wandte sich daraufhin an den Presserat und rügte, der Kritiker habe den gegenüber dem Dirigenten erhobenen Vorwurf antisemitischer Äusserungen nicht nur aufgegriffen, sondern als eigenen übernommen. Weiter rügte er die Kürzung eines Leserbriefes, bei dem ausgerechnet seine Hauptkritik weggekürzt worden sei. Die NZZ wies die Beschwerde als unbegründet zurück. Mit dem Einbezug der Berliner Debatte habe der Rezensent wahrheitsgetreu berichtet. Ebenso sei die Kürzung des Leserbriefes des Beschwerdeführers vertretbar gewesen.


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