29.08.2018

SRF

«Das lineare Radio hat eine grossartige Zukunft vor sich»

Der Donnerstag steht im Zeichen des Radios. Tagsüber trifft sich die Branche in Zürich am Swiss Radio Day. Am Abend wird in Bern gegen den Umzug des Radiostudios protestiert. Röbi Ruckstuhl, Programmleiter Radio SRF, über homogene Programme und digitale Herausforderungen.
SRF: «Das lineare Radio hat eine grossartige Zukunft vor sich»
«Die Nähe zwischen Radio-, TV- und Online-Journalisten bietet enorme Chancen», sagt Röbi Ruckstuhl, Programmleiter Radio SRF. (Bild: SRF/Oscar Alessio)
von Edith Hollenstein

Herr Ruckstuhl, werden Sie den Donnerstag am Swiss Radio Day in Zürich verbringen oder gehen Sie zur Kundgebung «Pro Medienvielfalt» in Bern?
Am Donnerstag werde ich am Radio Day teilnehmen. Den Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen aus der Branche schätze ich ausserordentlich, insbesondere in einer Zeit, in der sich die Medienlandschaft derart rasant wandelt.

Inwiefern betrifft Sie die Diskussion um den Umzug von Teilen des Radiostudios Bern nach Zürich?
Als Verantwortlicher für die Radioprogramme hier in Zürich sehe ich natürlich vor allem die Vorteile, die es hätte, wenn wir die Programme gemeinsam in Zürich produzieren könnten. Schliesslich arbeiten wir alle an einem gemeinsamen Produkt. Dieses Produkt heisst Radio SRF 1 oder Radio SRF 3. Und diese Angebote dürfen beim Publikum nicht als aneinandergereihte Einzelsendungen ankommen, sondern müssen als ein homogenes Programm wahrgenommen werden. Dies ist heute nur zum Teil möglich, da die Kommunikation und Absprache über zwei Standorte hinweg äusserst aufwendig ist.

Davon abgesehen: Was bedeuten die mit «No Billag» beschlossenen Sparmassnahmen fürs Radio? Wie viel müssen Sie sparen?
Mit dem Umzug vom Brunnenhof an den Leutschenbach können wir jährlich rund drei Millionen Franken einsparen. Mit weiteren Optimierungen müssen wir unsere Ausgaben um einen sechsstelligen Betrag reduzieren.

«Auf dem Gebiet der Podcasts ist sehr viel in Bewegung»

Sie als Programmleiter sind auf der anderen Seite in puncto technischer Entwicklung stark gefordert. Ein Smart Speaker mit Sprachsteuerung öffnet auch den Radios grosse Möglichkeiten – und ganz neue Konkurrenz. Was sind hier die grössten Trends, die Sie beobachten können?
Weltweit ist auf dem Gebiet der Podcasts sehr viel in Bewegung. Es gibt immer mehr Audioinhalte, die nicht mehr primär fürs Radio produziert werden, sondern auf einen digitalen Konsum abzielen. Für diese Produkte braucht es geeignete Abspielplattformen, sodass die Konsumenten die Angebote einfach finden und auch hören können. Das zweite grosse Thema sind tatsächlich Smart Speaker, die den Medienkonsum unseres Publikums in den kommenden Jahren nochmals komplett verändern werden. Hier müssen wir lernen, mit Sprachsteuerung umzugehen. Dies erfordert eine ganz neue Herangehensweise, da ein Smart Speaker beispielsweise kein Inhaltsverzeichnis anbietet. Beide Entwicklungen können wir Programmschaffende nur gemeinsam mit digitalen Entwicklern meistern.

Hat das lineare Radio also ausgedient?
Im Gegenteil. Trotz dieser digitalen Entwicklung bin ich überzeugt, dass das lineare Radio als verlässlicher Begleiter im Alltag eine grossartige Zukunft vor sich hat. In Zeiten, in denen man Inhalte jederzeit und überall konsumieren kann, verlieren jedoch lange, in sich abgeschlossene und vorproduzierte Einzelsendungen im klassischen Radio an Bedeutung. Solche Inhalte werden vermehrt im Netz konsumiert. Was im klassischen Radio zählt, ist ein verlässliches Begleitprogramm mit hohem Anteil an Informations- und Servicethemen. Und hier sind wir zurück bei der Frage nach den Studiostandorten: In einer Breaking-News-Situation, wenn jede Sekunde zählt, wäre es ein grosser Vorteil, wenn der Moderator und die Nachrichtenjournalistin am gleichen Ort sind, damit unsere Hörerinnen und Hörer so rasch als möglich ein Nachrichtenupdate erhalten.

«Wir rechnen mit deutlich steigender Nachfrage»

Solche Updates sind auch über ein Smart Speaker möglich. Wie viele Schweizer sagen täglich: «Alexa, starte SRF News!»?
Bisher sind Googles und Amazons Sprachassistenten in der Schweiz noch nicht offiziell lanciert. Deren Smart Speaker können erst als Importe über Schweizer Elektronikhändler gekauft werden. Nach Markteinführung rechnen wir mit deutlich steigender Nachfrage. Entwicklungen in anderen Ländern, insbesondere in den USA, zeigen, dass Smartspeaker den Medienkonsum unseres Publikums nochmals grundlegend verändern werden. Deshalb ist es für uns entscheidend, mit unseren starken Radioangeboten von Anfang an präsent zu sein.

Nutzen Sie selber einen solches Smart-Speaker-Systeme wie Alexa?
Seit über einem Jahr habe ich zu Hause einen Smart Speaker. Darüber höre ich mir oft SRF-Podcasts und die Liveprogramme an.

Durch das Internet verschwinden die Grenzen zwischen Radio und TV immer mehr. Wie ist das in Ihrer Arbeit spürbar?
Ein gutes Beispiel ist der Festivalsommer 2018, der vor einigen Tagen zu Ende ging. In den letzten Wochen haben wir dutzende Konzerte live im Radio übertragen und Filmaufnahmen dieser Konzerte gemacht. Gleichzeitig hat das Team fürs Onlineangebot Webvideos produziert. Aus all diesen Elementen haben wir nun erstmals jeweils für den Sonntagabend nach den grossen Festivals eine Fernsehsendung produziert – bestehend aus den Ton- und Videoaufnahmen sowie aus den bereits produzierten Webinhalten.

«Die Medien werden in Zukunft noch stärker zusammenwachsen»

Ist das mit ein Grund, warum Sie es sinnvoll finden, einen Teil der Radiojournalisten zu sich nach Zürich zu holen?
Nicht nur, aber auch. Die Nähe zwischen Radio-, TV- und Online-Journalisten bietet enorme Chancen. Die Medien werden in Zukunft noch stärker zusammenwachsen, sodass es immer wichtiger wird, dass wir gemeinsam an der Weiterentwicklung von Produkten arbeiten können – ohne, dass wir alle dieselben Inhalte produzieren. Ausserdem ist es zentral, dass wir die rasante Entwicklung im Medienbereich gemeinsam in Angriff nehmen können. Und zuletzt dürfen wir nicht vergessen: Die SRG hat einen Sparauftrag, wenn der Verwaltungsrat entscheidet, dass das Radiostudio Bern teilweise nach Zürich verlegt wird, können damit fünf Millionen Franken eingespart werden. Wenn der Standortwechsel nicht zustande kommt, muss das Geld anderweitig gefunden werden. Dabei wäre es wohl unvermeidbar, dass es im Programm und beim Personal zu Abstrichen käme.



Das Interview wurde schriftlich geführt.

 

 



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