18.01.2024

SRG

Das schreiben Medien über Marchands Rücktritt

Der Wechsel an der Spitze komme der SRG gelegen, so der Tages-Anzeiger. Von «Wolfsgeheul» bei der SRG schreibt die NZZ. Und CH Media bringt ein, dass Marchand intern schon seit 2020 als «angeschlagen» galt.
SRG: Das schreiben Medien über Marchands Rücktritt
Verabschiedet sich frühzeitig von der SRG: Generaldirektor Gilles Marchand. (Bild: Keystone/Salvatore Di Nolfi)

Tages-Anzeiger

Der vorzeitige und gemeinsam festgelegte Rücktritt von Gilles Marchand käme der SRG gelegen, heisst es in einem Kommentar von Tamedia. «Denn was es jetzt braucht, ist eine durchsetzungsfähige Persönlichkeit, die der SRG in der ganzen Schweiz ein Gesicht gibt», schreibt Inlandredaktorin Nina Fargahi. Eine Person, die «Arena-tauglich» die Bedeutung der SRG in der Bevölkerung überzeugend und plausibel kommunizieren könne. Das sei umso wichtiger, als sich die gesamte Medienbranche in einem grossen Umbruch befinde. «Marchand hat zwar in den letzten Wochen eine härtere Gangart eingeschlagen und deutliche Worte gewählt», kommentiert die Journalistin. Doch er gelte als zurückhaltender Technokrat. Einer, der nicht wirklich über den Röstigraben hinaus bekannt sei. Dass er den Weg lieber früh als zu spät frei mache für eine geeignete Nachfolge, sei ihm anzurechnen.

Zudem hat der Tages-Anzeiger den Radio-1-Chef und Medienmacher Roger Schawinski zum Thema befragt. «Gerade in der Deutschschweiz ist Marchand nie richtig angekommen», sagt er im Interview. Für Schawinski muss die Nachfolgerin oder der Nachfolger eine Person sein, «die im Herzen Fernsehen und Radio und die Mitarbeitenden liebt». Das vermisse er bei der ganzen heutigen SRG-Führung. Den Leistungsausweis der von vielen Medien als Kronfavoritin bezeichneten SRF-Direktorin Nathalie Wappler bezeichnet Schawinski «sehr bescheiden». Als einen Kandidaten für den Job nennt er den ehemaligen NZZaS-Chefredaktor Jonas Projer. Er kenne das Fernsehen. Er wisse, wie das Medium funktioniere und habe bewiesen, dass er Fernsehen mit Leidenschaft macht.


NZZ

«Der Wolf und die SRG haben einen gemeinsamen Feind. Er heisst Albert Rösti, kommt aus dem Berner Oberland und ist Bundesrat. Er will den Wolf, der sich in den Schweizer Alpen fast so schnell ausbreitet wie die Bettwanzen in Paris, präventiv schiessen, und er will die SRG präventiv zu Sparsamkeit zwingen», schreibt Inlandchefin Christina Neuhaus in der Neuen Zürcher Zeitung. Eigentlich müsse die SRG dem Medienminister dankbar sein. Denn mit seinem Vorschlag sei Rösti der sogenannten Halbierungsinitiative zuvorgekommen. «Doch statt Rösti bei seinem Versuch, das Schlimmste abzuwenden, zu unterstützen, versammelten sich die SRG-Granden zum grossen Wolfsgeheul.» Dabei wisse Marchand sehr gut, dass es ohne Sparen nicht gehe. «Marchand ist das egal, oder er kann es nicht besser. Jedenfalls hat die Anstalt auch kommunikativ seit 2018 keine Fortschritte gemacht.»

CH Media

Intern galt der Generaldirektor seit 2020 als angeschlagen, schreibt CH Media über Gilles Marchand. Damals habe er erklärt, dass er von der Belästigung weiblicher Angestellter beim Westschweizer Fernsehen in Genf nichts gewusst habe. Der SRG-Verwaltungsrat habe ihn knapp davonkommen lassen, so CH Media. Zudem werden im Artikel die Deutschkenntnisse Marchands thematisiert. In der Beherrschung der deutschen Sprache machte Marchand demnach keine Sprünge, wie zu lesen ist. Der SRG-Verwaltungsrat wolle die 200-Franken-Initiative mit jemandem bekämpfen, der bei öffentlichen Auftritten in der Deutschschweiz punkten könne.


Tribune de Genève

Die Gerüchte über Gilles Marchand hätten schon lange kursiert, heisst es in der Tribune de Genève. «Die Frage war nicht, ob Gilles Marchand zurücktreten würde, sondern wann er es ankündigen würde», so Florent Quiquerez. «Inoffiziell war Gilles Marchand für die SRG zu einem ‹Teil des Problems› geworden, wie mehrere Beobachter meinten. In Bundesbern waren viele Abgeordnete sehr kritisch gegenüber seiner Art und Weise, über die Initiative zu kommunizieren, die er sogar als ‹Attacke gegen die Schweiz› bezeichnete.» Als Albert Rösti Medienminister geworden sei, habe sich die Situation zugespitzt. «Sehr schnell spürte man eine Kluft zwischen den beiden Männern. Dieser Bruch erreichte seinen Höhepunkt, als sich die SRG ganz offiziell gegen den Willen ihres zuständigen Ministers stellte, die Gebühren auf 300 Franken zu begrenzen.»


Le Nouvelliste

«Gilles Marchand verlässt die Direktion der SRG vor entscheidenden Terminen. Seltene Perle gesucht», heisst es im Le Nouvelliste. Autor Guillaume Chillier stellt die Frage: «Welches Gesicht des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wird den Kampf gegen die 200-Franken-Gebühr anführen?» Der öffentlich-rechtliche Rundfunk befinde sich in der Defensive und sehe sich seit mehreren Jahren einem Misstrauen ausgesetzt, das durch den Einzug von Albert Rösti in den Bundesrat noch verstärkt worden sei. Unter den Parlamentariern würde die breite historische Front zugunsten eines starken audiovisuellen Dienstes allmählich abbröckeln. «Hier und da wird die Meinung vertreten, dass die SRG den Preis für eine gewisse Arroganz gegenüber der Politik und den privaten Verlegern zahlt.» (wid/cbe)



Lesen Sie zum Thema auch das Interview mit Gilles Marchand sowie den Kommentar von Matthias Ackeret, Verleger und Chefredaktor von persönlich und persoenlich.com.


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