19.12.2001

"Der Schweizer TV-Markt ist ein ungeschützter Tresor"

Während Sender wie TV3 und Tele24 gescheitert sind, erreicht Star TV dieses Jahr den Break-even. CEO Paul Grau (Bild) erklärt, worin sein Geheimnis liegt, wie er den privaten TV-Sendern zu Geld verhelfen würde und was ihn an "Expedition Robinson" reizt. Das Interview:
"Der Schweizer TV-Markt ist ein ungeschützter Tresor"

Star TV ist meines Wissens einer der Sender, die sich für das Inselabenteuer "Expedition Robinson" interessieren. Wollen Sie nun in die Fussstapfen von TV3 treten – zumindest, was die Reality-Sendungen angeht?

Nicht eigentlich. "Expedition Robinson" ist in dem Sinn eine Ausnahmeerscheinung, als dass die Sendung schon fixfertig produziert ist. Das Ganze ist marketingtechnisch eine einmalige Sache, bei der es darum geht, das TV3-Publikum, das "Expedition Robinson" vermisst, via Star TV abzuholen. Es ist aber nicht so, dass wir anschliessend zigfach Staffeln nachschieben würden. Abgesehen davon sind wir noch mitten in den Abklärungen, haben noch nichts unterzeichnet...

Wie sieht es mit der Exklusivität aus? Und dem Preis?

Eine Übernahme von "Expedition Robinson" würde nur Sinn machen, wenn wir das Format exklusiv ausstrahlen könnten. Was natürlich auch ein Bestandteil der Verhandlungen ist. Was uns das Ganze kosten würde, kann ich Ihnen hingegen noch nicht sagen (lacht): Der Preis war bis jetzt noch gar kein Thema!

In Deutschland haben ähnliche Formate nach einer erfolgreichen ersten Staffel meist gefloppt...

Ja, aber unser Ansatz ist ja wie gesagt nicht der, in die Stapfen von TV3 treten zu wollen, sondern eine mit viel Aufwand hergestellte und vom Markt gefragte Sendung einmalig zu übernehmen.

Ein Schnäppchen also?

Nun, ich bin ja selber Produzent und in dem Sinne natürlich daran interessiert, ein solch eigenständiges Format einzukaufen, wenn sich eine günstige Möglichkeit wie in dem Fall bietet. Aber selbstverständlich nur, wenn der Preis realistisch ist.

Sie haben an einer Diskussionsrunde an der diesjährigen Screen-up erklärt, zukünftig vermehrt auf Lifestyle setzen zu wollen. Nun wird Patty Boser als DIE TV-Lifestyle-Frau neu auch auf TeleBärn respektive Tele Ostschweiz zu sehen sein. Eine verpasste Chance für Star TV?

Nun ja, das Ganze ist leider tatsächlich etwas zu schnell über die Bühne gegangen. Es war ja nicht so, dass wir an der Sendung "Lifestyle" nicht interessiert gewesen wären. Der Punkt war aber schlicht und einfach der, dass uns das nun einmal sehr hektische Daily Business so beschäftigt hat, dass wir zu spät reagiert haben – dies vor allem, da sich die Verantwortlichen bei TeleZüri als sehr aktiv gezeigt haben. Ich bin aber unterdessen zum Schluss gekommen, dass es ein gutes Konzept ist, "Lifestyle" in weiteren Lokalfernsehsendern einzubinden, auch wenn das eine Austrahlung auf Star TV ausschliesst. Abgesehen davon sind unsere Lifestyle-Sendungen, was die Zielgruppe angeht, anders positioniert.

Am gleichen Anlass sagten Sie, dass Sie noch in diesem Jahr den Break-even erreichen werden. Haben sich Ihre Prognosen erfüllt?

Ja, dass haben sie tatsächlich. Wobei wir vor drei Jahren bereits schon einmal den Break-even erreicht haben. Unsere Geschäftsphilosophie beinhaltet denn auch, das Erreichte zu halten, anstatt Gelder in irgendwelche abgehobenen Projekten zu verschwenden.

Sie sprechen das Ende von TV3 respektive Tele24 an?

Im Nachhinein ist es müssig darüber zu diskutieren, was man hätte besser machen können. Es gibt einen Haufen Gründe, warum die beiden Sender schliessen mussten. Wobei Tele24 im eigentlichen Sinn nicht gescheitert ist. Die Schliessung von Tele24 war ganz klar ein unternehmerischer Entscheid der Tamedia, da es keinen Sinn gemacht hätte, mit zwei Sendern weiter zu fahren. TV3 hingegen ist gescheitert, weil die Rechnung nicht aufging, resp. sich eine typische und teuflische Kostenschere geöffnet hat. Wobei ein Jürg Wildberger als Angestellter der Tamedia natürlich einem viel grösseren Druck als zum Beispiel ich als Hauptaktionär eines kleinen Senders zu trotzen hatte. Wenn man aber sah, dass TV3 mit einem budgetierten Verlust von rund 40 Millionen Franken kutschierte, dann war das für mich schon sehr fraglich.

Andererseits muss man aber auch sehen, dass ein Sender wie TV3 gegen Sender wie RTL oder auch Pro7 anzutreten hatte, Sender, die Milliardenumsätze generieren und die in der Schweiz mit extrem wenig Aufwand hohe Werbegelder abziehen. Dafür war es wiederum extrem wenig Geld, mit dem TV3 operieren konnte – vor allem im Hinblick auf ein Vollprogramm. An TV3 hat mich persönlich gestört, dass auf dem Sender sehr viel gelaufen ist, was man schon gesehen hatte. Das Spezielle, das Eigene kam dabei viel zu kurz. Auch "Expedition Robinson" oder auch "Die Millionärsshow" waren Formate, die eine "Zwei" auf dem Rücken haben. Aber unabhängig davon finde ich es gar nicht witzig, wenn TV-Sender aus welchen Gründen auch immer eingehen. Bei TV3 kommt noch dazu, dass er hier in Schlieren unser direkter Nachbar war...

Während andere Sender Millionenverluste schreiben respektive eingestellt werden, bewegt sich Star TV im grünen Bereich. Worin liegt Ihr Geheimnis?

In den gesunden Kostenstrukturen. Meine Businesspläne haben nie vorgesehen, im Jahr X eine Aufwärtskurve von 45 Grad ausweisen zu können. Diese Art von Planung kommt aus der Internetzeit, und wo das hinführt, sehen wir ja heute rundum. Wenn all diese Firmen Autos gewesen wären, hätten sie solch eine Steigung ja wohl auch kaum geschafft (lacht). Star TV hat immer ein grundsolides Geschäftsgebaren an den Tag gelegt, und das kommt uns jetzt zu Gute. Heute arbeiten wir auf einem entweihten Boden: Der European Business Channel war der Erste, der den Schweizer TV-Markt aufzurollen versuchte. Dann kam Züri 1, dies zu einem Zeitpunkt, zu dem auch Star TV on air gegangen ist. Die Geschichte des European Business Channels und die von TV3 sind sich übrigens sehr ähnlich und beide sind heute Vergangenheit.

Roger Schawinski hat das Scheitern von Tele24 vor allem mit den heutigen gesetzlichen Gegebenheiten begründet. In wieweit schliessen Sie sich der Forderung an, den Privat-TV-Sendern auch einen Teil der Gebühren zukommen zu lassen?

Meiner Meinung nach hat es Roger einfach gestunken, weiter Fernsehen zu machen. So gesehen glaube ich, dass das Ende von Tele24 weniger mit der Gesetzgebung zu tun hat. Die Idee, Gebühren von unseren staatlichen Sendern abzuzweigen, finde ich absolut unüberlegt. Ich schliesse mich da Peter Schellenberg an, der von einem Schuss ins eigene Bein gesprochen hat. Da die SRG SSR idée suisse als Staatsbetrieb keine Reserven bilden darf, wäre die Folge, dass der Steuerzahler einmal mehr zur Kasse käme. Und wohin das führt, sieht man ja zur Zeit bei der Swissair.

Mein Vorschlag wäre es, Gelder für die Privaten bei den deutschen Werbefenstern zu generieren. RTL, Sat.1 & Co. machen in der Schweiz einen exorbitanten Gewinn, und dies, ohne gross etwas produzieren zu müssen. Sie kassieren ohne eine eigene Fabrik sprich ohne eine eigene Infrastruktur, einen eigenen Schweizer Sender. Hier müsste man ansetzen und den "Schaden", der dadurch für die Schweizer Privatanbieter entsteht, abfedern - dies zum Beispiel mit einem angemessenen Prozentsatz am Gewinn. Ich stelle mir so eine Art Gebühr für die Werbefenster vor, wobei ich das nicht als Strafe, sondern als funktionierendes Businessmodell definiere. Zur Zeit ist der Schweizer TV-Markt ein ungeschützter Tresor, und im schlimmsten Fall könnten die Schweizer Werbefenster die Preise so herunterfahren, dass es rundherum alles verblasen würde. Bei einer Gewinnmarge von vielleicht 80, 90 Prozent wäre es für sie gar kein Problem, den ganzen Markt ins Rutschen zu bringen. Ich bin zwar kein zweiter Schawi (lacht) und politisieren oder polarisieren ist nicht mein Job. Ich glaube aber, dass solch eine Art von Schutzzoll eine wirkliche Chance für eine Win-Win-Situation wäre: etwas weniger Verlust bei den einen, etwas weniger Gewinn bei den anderen.


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