20.03.2023

CS-Krise

«Desaster», «Erdbeben», «Trauma», «Klumpenrisiko»

Führende Wirtschaftsjournalistinnen und -journalisten aus Schweizer Medien kommentieren exklusiv für persoenlich.com den Verkauf der CS an die UBS und die Folgen für Bankenwelt und Wirtschaft.
CS-Krise: «Desaster», «Erdbeben», «Trauma», «Klumpenrisiko»
Neun Köpfe, neun Meinungen: die CS-Krise im Spiegel der Medien. (Bild: zVg/Montage)
von Matthias Ackeret

Nathalie Christen, SRF (Bundeshauskorrespondentin)
«Politisch gesehen ist dieses Ende der CS ein Desaster, gemessen an dem, was das Parlament einst nach der UBS-Rettung wollte: Nie mehr sollte der Staat eine Bank retten müssen. Das sogenannte ‹Too big to fail›-Gesetz brachte darum schärfere Vorschriften und Pläne, wie im Notfall der systemrelevante Teil einer Bank weiterlaufen könnte. Beim ersten Härtetest jedoch bleiben sie in der Schublade. Stattdessen stehen Nationalbank und Steuerzahlende nun mit bis zu 209 Milliarden Franken im Risiko. Wie konnte das passieren? Liegt es an ungenügenden Gesetzen? Oder falls die Zeit nicht reichte, wie kolportiert wird: Warum begann man denn nicht früher mit der Rettungsaktion? Diese Fragen möglichst schnell zu klären und sorgfältig die Schlüsse für die Zukunft zu ziehen, ist für die Schweiz fast schon existenziell wichtig. Denn wenn die Rettung der CS eine Herkulestat war: Wie schwierig würde dies erst werden, sollte die neue Superbank aus UBS und CS je ins Wanken kommen?»

Philipp Löpfe, Watson (Wirtschaftskolumnist)
«Die Übernahme der CS zeigt, dass es eine Illusion war zu glauben, mit dem ‹Too big to fail›-Gesetz sei ein Bankencrash zu verhindern. Statt Sicherheit haben wir jetzt eine Monsterbank erhalten. Das ist schlecht für die Wirtschaft – kein Wettbewerb mehr – und noch schlechter an der politischen Front – der Volkszorn gegen Banken, der bereits jetzt brodelt, wird sich noch verstärken. Um eine Systemkrise zu verhindern, war die Übernahme wohl nicht zu vermeiden. Doch mittelfristig müssen Wege gefunden werden, um zu verhindern, dass gewissenlose Banker uns in Geiselhaft nehmen können. Das Paradox, dass ausgerechnet die Banken – das Herz der freien Marktwirtschaft – nicht nach den Regeln eben dieser Marktwirtschaft spielen dürfen, ist absurd. Ich kann nicht beurteilen, was für Massnahmen jetzt ergriffen werden müssen – höhere Eigenkapitalquote, Begrenzung der Boni, Trennung von Geschäfts- und Investmentbanken werden ins Spiel gebracht –, doch ein Weiter-wie-bisher kann es nicht geben. Das ist auch im Interesse des Finanzplatzes. Die CS ist bereits knapp an einer Verstaatlichung vorbeigeschrammt. Sollte die nun neu entstehende Monsterbank UBS dereinst in Schwierigkeiten geraten, dann wird eine Verstaatlichung nicht mehr zu verhindern sein.»

Roger Schawinski, Radio 1 (Inhaber)
«Es handelt sich um ein weiteres traumatisches Ereignis für unser Land, wie es zuvor nur das schmähliche Ende der ‹besten Airline der Welt›, der Swissair, gewesen ist. Diesmal geht eine hochkapitalisierte Schweizer Grossbank vor die Hunde und wird, wie zuvor unsere Fluggesellschaft, notfallmässig für ein Schnäppchen verhökert. Warum trifft es also renommierteste Unternehmen aus unserem Land, während Fluglinien und Grossbanken im Ausland Krisensituationen jeweils überleben? Ist es unsere Hybris, dass wir immer besser aufgestellt sind als die anderen, die uns achtlos werden lässt, wenn eine Krise im Anzug ist? Glauben wir wirklich, dass der ‹Swiss Finish› unser Panzer ist, der uns vor allem Ungemach schützt? Und übersehen wir deshalb viel zu lange, dass die Unzahl von Skandalen und die dadurch verursachten milliardenhohen Bussen das Vertrauen zerstören, wenn das ganze Malheur von schwach kommunizierenden Führungsriegen gemanagt wird? Dann löst dies beim ersten Flügelschlag des Schmetterlings einen ‹Bank Run› aus, also eine nicht aufhaltbare Panik der Bankkunden, die das gesamte Fundament innerhalb von Tagen wegputzen kann. Dann geschieht das, was wir heute erleben: etwas Gigantisches, das unsere bisherige Vorstellungskraft völlig überstieg, weshalb auch alle staatlich Verantwortlichen dem Taumeln in den Abgrund tatenlos zuschauten, bis es zu spät war. Die NZZ schreibt, dass ein Zombie weg sei und ein Monster nun alles beherrsche. Viel dramatischer kann man die Situation des einst weltweit einzigartigen Schweizer Bankenplatzes nicht beschreiben. Wahrscheinlich wird uns erst mit einiger Verzögerung bewusst werden, dass ein wichtiger Pfeiler der Schweiz vor unseren Augen implodiert ist, und dies mit heute noch unabsehbaren Folgen für uns alle.»

Florence Vuichard, CH Media (Ressortleiterin Wirtschaft)
«Die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS ist eine Kapitulation. Alle haben dabei verloren: die UBS, die nun Risiken auf sich nimmt, die sie nicht wollte; die Politik, die viel reguliert hat, aber letztlich dann doch wieder mit Staatsgeld und Notrecht operieren muss; die Aufsichtsbehörden und die Nationalbank, die immer signalisieren, sie hätten alles unter Kontrolle, und dann mithilfe einer Hauruckübung doch wieder alle vor den Kopf stossen; die Mitarbeitenden, die nun um ihre Jobs bangen müssen; sowie die Kundinnen und Kunden, deren Wahl eingeschränkt wurde. Die Übernahme ist auch schlecht für die Schweizer Volkswirtschaft, die nun mit den Risiken einer XXXL-Bank leben muss. Und diese ist definitiv ‹too big to fail›.»

Fredy Greuter, Finews (Chefredaktor)
«Jetzt entsteht ein systemrelevanter Bankenkoloss, der im schlimmsten Fall dereinst zu einem Klumpenrisiko für die Schweizer Volkswirtschaft werden könnte. Abgesehen davon wird die Schweiz ihre führende Stellung in der Vermögensverwaltung und im Asset Management zweifellos behalten, im Investment Banking wohl aber keine grosse Rolle mehr spielen. Dass die UBS die Erzrivalin nicht aus freien Stücken übernimmt, ist kein gutes Omen. Doch eine Rettung der CS durch den Staat wäre vermutlich teurer geworden und vor allem politisch schlecht zu verkaufen gewesen. Als Ausweg blieb deshalb nur die privatwirtschaftliche Übernahme mit Staatsunterstützung, wofür sich einzig die UBS eignete. Die letzte Grossbank der Schweiz ist nun zum Erfolg verdammt. Die Schweizer Aufsichtsbehörden haben eine erste Lektion über die Gesetzmässigkeiten der schnelllebigen globalen Vernetzung gelernt. Jetzt müssen sie dringend die Auswirkungen dieser neu gelagerten Verwerfungen an den Finanzmärkten aufarbeiten.»

Constantin Seibt, Republik (Gründer)
«1. Es ist Grounding 2.0. Das letzte Kapitel von 170 Jahren FDP-Regentschaft. Wie 2001 bei Swissair: Der lokale Filz zerriss durch Expansion ins internationale Geschäft.
2. Der Untergang der CS ist eine Weltpremiere. Trotz Liquidität, trotz Solvenz, trotz Staatshilfe ging eine Grossbank unter: rein deshalb, weil das Management und die Kultur derart mies waren (moralisch, aber auch handwerklich).
3. Was zeigt, wie sehr der Schweizer Finanzplatz Jahrzehnte von Schwarzgeld gebaut wurde: Weil man mit erpressbaren Kunden alles machen kann. Hans J. Bär warnte zu Recht, das Bankgeheimnis mache fett, aber impotent›.
4. Wie im Fall der Pandemie, wie im Fall der Ukraine zeigt der Fall CS, dass die Schweiz auch in Krisen nur ein Tempo kennt: Business as usual.
5. Tatsächlich hätte man Monate Zeit gehabt. Aber am Ende reagierten Bundesrat, Finma, Nationalbank erst unter internationalem Druck. Und lieferten eine hastige Improvisation.
6. Das Resultat ist das Schlimmste: eine Gigabank, faktisch unregierbar, dafür mit Monopol – ein Horror für Regulatoren, Schweizer Industrie, sogar die Bankspitze selbst. Das einzig Gute daran ist die NZZ-Schlagzeile dazu: ‹Ein Zombie ist weg, doch ein Monster entsteht›.
7. Eine Prognose? Seit 1990 machten die Grossbanken stets wechselseitig Skandal. Die eine tat Unfassbares, die andere wurde als seriös gefeiert – und lieferte das nächste Unfassbare. In der Finanzkrise 2008 hatte die CS das Pech, die weniger bankrotte Grossbank zu sein – und kam im Windschatten der UBS durch. Dafür ist sie jetzt Geschichte. Und die Reihe ist wieder an ihrer Konkurrentin: der neuen UBS.»

Beat Schmid, tippinpoint.ch (Gründer)
«Die Übernahme der Credit Suisse ist eine Last-Minute-Notfusion. Sie ist das Ergebnis einer völlig überforderten Führung der Credit Suisse, die es verpasst hat, frühzeitig auf Bund, Nationalbank und Finma zuzugehen, um Nothilfe in Anspruch zu nehmen. Die Folgen des Zusammenbruchs sind gravierend – für die Schweiz, den Finanzplatz und den Werkplatz. Es entsteht eine Mega-Bank, die viel zu gross ist für die Schweizer Wirtschaft. Der Wettbewerb wird kleiner. Das werden die Kleinkunden spüren, aber vor allem die Unternehmen: Die neue Bank wird ein De-facto-Monopol in wichtigen Kreditgeschäften haben. Dass der Bund das zulässt, ist ein Armutszeugnis. Die Hauptgeschädigten aber sind die vielen Mitarbeitenden, die ihren Job verlieren werden. Das Schweizer Banking wird eintöniger.»

Arthur Rutishauser, Sonntagszeitung (Chefredaktor)
«Die Schweiz begibt sich in eine extreme Abhängigkeit von einer einzigen Grossbank, der neuen UBS. Sowohl im Verhältnis zu den normalen Kunden als auch in der Vermögensverwaltung wird sie mit Abstand die stärkste sein. Im Firmenkundengeschäft und im Verhältnis zu den Pensionskassen wird die UBS sogar dominant. Das heisst, es gibt in der Schweiz für grosse Pensionskassen und für grosse Unternehmen kaum Alternativen. Damit kann die UBS innerhalb der Schweiz höhere Preise durchsetzen. Darum wäre es gut, die Wettbewerbskommission würde die UBS dazu zwingen, die CS Schweiz wieder zu verkaufen. Wenn das nicht möglich ist, muss man sich überlegen, der Postbank eine Banklizenz zu geben und damit eine Nationale Konkurrenz zuzulassen. Man müsste sich auch überlegen, ob man die ZKB im Firmenkundengeschäft als nationale Konkurrenz aufbauen könnte.»

Reto Lipp, SRF (Moderator Eco-Talk)
«Die Übernahme der CS durch die UBS ist ein Erdbeben auf dem Finanzplatz, aber weit darüber hinaus, Es trifft die Schweizer Wirtschaft in ihrem Herzen, weil Hunderttausende von Kontenbeziehungen betroffen sind und fast alle Firmen in der Schweiz Kundenbeziehungen mit der CS haben. Von den 100 grössten Firmen der Schweiz haben 80 Beziehungen zur CS. Ganz viele Fragen zur Haftung der CS und letztlich auch zur Haftung der Schweiz als Staat sind völlig ungeklärt. Die Übernahme durch die UBS war die schnellstmögliche Lösung, um einen totalen Kollaps der CS heute Morgen zu verhindern. Aus CS-Kunden werden dann im Verlauf des Jahres UBS-Kunden. Die Einlagen der Kunden sollten damit gesichert sein und das Finanzsystem der Schweiz auch. Noch völlig unklar ist, wie sich der Deal für die Mitarbeitenden beider Banken auswirkt. Die Überschneidungen beider Banken in der Schweiz sind denkbar gross. Die UBS will mindestens 8 Milliarden Franken an Kosten einsparen. Das bedeutet nichts Gutes fürs Personal, denn ein grosser Teil der Einsparungen wird Personalkosten betreffen. Welche Konsequenzen der Deal für Pensionskassen, Fonds, Finanzprodukte und auch den Aktienkurs der UBS hat, ist noch gar nicht abzusehen. Der UBS-Kurs eröffnete heute am Montagmorgen schon einmal tief im Minus …»



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Kommentare

  • Hans-Peter Holbach, 23.03.2023 17:38 Uhr
    Herausgeber des «Vertraulichen Schweizer Briefs» sah «Crash» von Credit Suisse voraus Die Milliardenverluste mit Greensill und Archegos zerstören das Vertrauen in die Credit Suisse. Schon auf seiner damaligen Kundenkarte sei die Zukunft phonetisch vorhersehbar gewesen, schreibt Hans-Peter Holbach, Herausgeber des «Vertraulichen Schweizer Briefs», eines dreimal monatlich erscheinenden Faltblatts mit Kurzmeldungen aus aller Welt. Holbachs Business Identifier Code (BIC) begann mit CRESCH, was ausgesprochen fast wie Crash tönt. «Kein Aprilscherz! Hat das von den Burschen am Paradeplatz niemand bemerkt?», schreibt Holbach. Er habe schon lange vor Auffliegen der Fälle Greensill und Archegos die Konten bei der Credit Suisse aufgelöst. Allerdings ging auch das nicht reibungslos. «Der Konto- und Depotübertrag auf eine andere Bank kostete noch unverschämte Gebühren.» Sonntagszeitung Tagesanzeiger, am 10.04.2021
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