10.07.2013

Frauenquote

Die Führung bleibt in Männerhand

Bringen die Tagi-Frauen andere Redaktionen in Zugzwang?
Frauenquote: Die Führung bleibt in Männerhand
In den Redaktionen dieser Chefredaktoren lag die Frauenquote noch vor einem Jahr unter 30 Prozent. Hat sich dies seit der Umfrage des "Schweizer Journalisten" im November 2012 geändert? Und inwiefern bringt das klare Bekenntnis zu des "Tages-Anzeigers" andere Redaktionen in Zugzwang? Persoenlich.com hat Roger Köppel ("Weltwoche"), Markus Somm ("Basler Zeitung"), Christian Dorer ("Aargauer Zeitung"), Markus Spillmann ("Neue Zürcher Zeitung"), Thomas Bornhauser ("Neue Luzerner Zeitung") und David Sieber ("Südostschweiz") um eine Stellungnahme gebeten.
 

Markus Spillmann, Chefredaktor "Neue Zürcher Zeitung"

Wir fördern gute Journalisten, grundsätzlich unabhängig vom Geschlecht. Bei den letzten Einstellungen waren aber überdurchschnittlich viele Frauen dabei. Wir haben hervorragende Kolleginnen v.a. auch im Korrespondentennetz, allein im Auslandressort sind es vielversprechend viele: in einer jüngeren Altersgruppe rund ein halbes Dutzend. Wir haben neu auf Kaderpositionen zwei Beförderungen vorgenommen, so sind u.a. die Stv. Nachrichtenchefin und die Teamleiterin Panorama Frauen. Und ja, ich werde auch weiterhin ein achtsames Auge darauf haben, möglichst qualifizierte Kolleginnen auch in Führungspositionen zu bringen – denn – da liegt das Problem, nicht in der Belegschaft per se. Overall würde ich meinen, haben wir zu einem Drittel Kolleginnen unter Vertrag. Aber noch einmal: Das scheint mir nicht der entscheidende Punkt, sondern der Punkt ist die Untervertretung auf Managing-Ebene.

Christian Dorer, Chefredaktor "Aargauer Zeitung"

 

Unsere Zahlen punkto Frauenanteil sehen (Stand 1. August 2013) auf der Redaktion der "Nordwestschweiz" so aus: Redaktion: 178 Köpfe, davon 55 Frauen, entspricht 30,9 Prozent; Ressortleitung: total 23, davon 7 Frauen, entspricht 30,4 Prozent und in der 5-köpfigen Chefredaktion hat es leider derzeit keine Frau. Die ersten beiden Werte sind in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen, vor allem in den Ressortleitungen. Alleine 2013 haben wir bis dato drei neue Ressortleiterinnen ernannt: Dagmar Heuberger im Ressort Ausland (als Nachfolgerin von Christian Nünlist), Sabine Kuster im Ressort Aargau West (als Nachfolgerin von Thomas Röthlin) und Claudia Meier im Ressort Brugg (neues Ressort). Damit erreichen wir die quantitativen Ziele der "Stauffacher-Deklaration" bereits – jedoch ohne formelle Zielsetzung. Meine Überzeugungen sind folgende:

- gemischte Teams arbeiten am besten, deshalb streben wir solche an.

- die Männer sind auf unserer Redaktion in der Überzahl, also stellen wir Frauen an, wenn wir die Gelegenheit dazu haben. Das heisst: Wenn eine Bewerberin mindestens gleich gut ist wie der Bewerber.

- Quoten erachte ich nicht als zielführendes Mittel, da wir keine Quotenfrauen wollen, sondern Frauen, die sich dank ihren Qualifikationen gegen Männer durchgesetzt haben.

- ob der Frauenanteil steigt, hängt vom Willen der Redaktionsleitung ab – und nicht von einem Reglement oder einer Vorschrift.

- wichtig ist, dass Frauen die gleichen Chancen haben wie Männer – und das ist bei uns der Fall. Eine spezielle Förderung jedoch sehen wir nicht vor, wir behandeln alle gleich.

- wir sind sehr offen, was Teilzeitarbeit betrifft (für Männer und Frauen). Das hilft, den Frauenanteil zu erhöhen.
 

David Sieber, Chefredaktor "Südostschweiz"

"Die Diskussion um die Frauenquoten habe ich bereits vor einigen Tage antizipiert und in einem Kommentar zur Ernennung von Christine Maier als neue Chefredaktorin des 'Sonntagsblicks' aufgegriffen. Zur 30-Prozent-Quote beim 'Tages-Anzeiger' kann ich Folgendes sagen: Wir haben bei Stellenbesetzungen eher selten die Qual der Wahl. Da zählt dann einfach das Können und die Erfahrung, nicht das Geschlecht. Eine Quote wäre in unserem Fall einigermassen verheerend. Dennoch darf ich sagen, dass der Frauenanteil in den letzten Jahren gestiegen ist und weiter steigen wird. Leider zählt die Führung nicht dazu. Die ist derzeit ganz in Männerhand. Die Absicht, dies bei nächster Gelegenheit zu ändern, besteht."

 

Thomas Bornhauser, Chefredaktor "Neue Luzerner Zeitung"

Bei der Redaktion der Neuen Luzerner Zeitung  haben wir derzeit (Stand 30.6.) einen Frauenanteil von 31 Prozent und liegen somit über der vom "Tages-Anzeiger" angestrebten und diskutierten Limite. Es ist und war mir immer ein Anliegen, gut qualifizierte Journalistinnen oder Berufseinsteigerinnen anzustellen. Bei aller Sympathie für das Anliegen sollte jedoch die Qualität und nicht eine Quote der Grund für eine Anstellung sein. Grundsätzlich erfahren wir, dass viele junge Frauen den Einstieg in den Journalismus machen, nach ein paar Jahren aber oftmals wieder aussteigen. Dies führt dazu, dass in Kaderbereichen die Männer noch immer überproportional vertreten sind. Die 'Neue LZ' begegnet dem schon seit den 90er Jahren mit einem äusserst flexiblen Teilzeitarbeits-Angebot. Dieses Angebot wird insbesondere von den Frauen sehr geschätzt und stark genutzt. Deshalb hat die Neue Luzerner Zeitung einen überdurchschnittlich hohen Anteil an Teilzeitarbeitenden, darunter auch in höheren Funktionen wie z.B. Ressortleiterinnen.  Bettina Schibli, die aktuell NZZ-Unternehmenskommunikationschefin ist, war beispielsweise während einigen Jahren als Stv. Chefredaktorin bei der Neuen Luzerner Zeitung tätig – in einer Teilzeitstelle.

 

Markus Somm, Chefredaktor "Basler Zeitung"

Ich halte diese Deklaration des Tages-Anzeigers für wenig glaubwürdig. Sie ist für die Galerie. Wäre es der Chefredaktion ernst, hätte sie ja längst den Tatbeweis erbringen können, indem einer der Kollegen einer Kollegin umgehend den Platz überlassen hätte. Man deklariert hochtrabend eine Quote für die Nachfolger, die einem nicht betrifft. Wir kennen diese schmerzfreie Art von Symbol-Politik von unseren Politikern zur Genüge. Der Tagi kann es besser. Kurz, diese Deklaration dürfte konkret gar keine Auswirkungen haben. Ich habe seinerzeit 1995 als Volontär beim Tagi angefangen, – schon damals wurden Frauenquoten mit ernster Miene und gefalteten Händen diskutiert, – geschehen ist seither, wie man sieht, so gut wie nichts.

Machen wir uns nichts vor: In unserer Branche kommt es extrem darauf an, sehr gute Leute zu finden, je länger, desto mehr. Ein treffsicherer Rechercheur, eine glänzende Kommentatorin, ein brillanter Autor machen den Unterschied aus, ob eine Zeitung gelesen wird oder nicht. Sie entscheiden über Triumph oder Niedergang. So nebensächlich ist die Personalsuche nicht. Da helfen rigide Quoten gar nichts, sondern politisieren das Anstellungsverfahren unnötig.

Ich bin grundsätzlich gegen Quoten – in allen Branchen, in allen Lebensbereichen, weil sie das Leistungsprinzip ausschalten und schlechten Chefs einen Vorwand liefern, eine miserable Personalpolitik zu betreiben.

Diversity in einer Redaktion halte ich dagegen für sehr bedeutend – weil unsere wichtigsten Kunden, die Leser, verschieden sind. Nur mit Journalisten, die aus unterschiedlichen Milieus stammen, können wir möglichst viele unserer Leser ansprechen. Aber Diversity beschränkt sich nicht bloss aufs Geschlecht. Genauso entscheidend ist eine gute Mischung zwischen alten und jungen Journalisten, Schweizern und Ausländern, Secondos und Einheimischen, Akademikern und Leuten, die dem Teufel vom Karren gefallen sind.

Vor allem aber ist auch eine Art politischer Diversity vonnöten. Um Erfolg zu haben, um aufzufallen, um Debatten auch intern zu erzwingen, benötigt eine Redaktion linke und rechte Journalisten, liberale, bürgerliche und konservative, versponnene und vernünftige, anarchistische und Ordnungsfreunde. Von dieser viel anspruchsvolleren Verschiedenheit wird viel weniger geredet – was kein Zufall ist. Hier haben die meisten Redaktionen der Schweiz einen sehr grossen Nachholbedarf.


 

Trotz mehrfacher Kontaktierungsversuche konnte persoenlich.com Roger Köppel, Chefredaktor "Weltwoche", nicht erreichen. Daher fehlt seine Stellungnahme in dieser Umfrage.

 

Auszug aus dem Ranking über den Frauenanteil in Redaktionen (Quelle: "Schweizer Journalist" 3/12)

Umfrage: Corinne Bauer und Edith Hollenstein, Bilder: Keystone 



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