11.04.2002

Ringier-Studie

Die hauseigenen Titel während der Nazi-Zeit

Erst politsch unbedarft, dann politisch-patriotisch.

Die Ringier-Zeitschriften haben sich Ende der Dreissiger Jahre grundlegend gewandelt: Laut einer Studie der Universität Bern wurden aus apolitischen Unterhaltungsblättern aktuellpolitische Publikumszeitschriften. Wie die Verfasser der Studie, Peter Meier und Nicole Gysin, am Donnerstagabend in Bern vor dem Förderverein Medienwissenschaft darlegten, stellten die Ringier-Blätter Schweizer Illustrierte Zeitung, Sie und Er sowie Ringiers Unterhaltungs-Blätter bis in die Dreissiger Jahre Lebenshilfe und Unterhaltung ins Zentrum.

Poitisch unbedarft

Politisch waren die drei sehr verbreiteten Bilder-Blätter unbedarft. So wurde der aufkommende Nationalsozialismus in Deutschland nur am Rande registriert. Nicht selten sassen die Redaktionen der Nazi-Propaganda auf: etwa in der Darstellung Hitlers als Tierfreund, oder idyllischen Bildern von Konzentrationslagern, wo angeblich den Insassen Arbeit und Sport als Zerstreuung angeboten wurde. Diese politische Naivität wurde aber mit der Verschärfung der weltpolitischen Lage Ende der Dreissiger Jahre von der Leserschaft immer weniger goutiert. Verkäufe und Inserate gingen zurück, und die Redaktionen erhielten böse Briefe.

Die Wende zum Politisch-patriotischen

In dieser Situation vollzog der Verleger Paul Ringier eine Kehrtwende und stellte nunmehr die aktuelle politische Berichterstattung in den Vordergrund. Zwei Politjournalisten wurden an die Spitze von SI und S+E gestellt und Persönlichkeiten wie Jean Rodolphe von Salis als Kommentatoren gewonnen. Die Ringier-Presse stellte sich nun in den Dienst der geistigen Landesverteidigung. Loyalität zu Armee und Bundesrat waren höchstes Gebot; man sah sich als Vermittlerin zwischen militärischer und ziviler Schweiz. General Guisan wurde zur Ikone des Widerstandswillens stilisiert.

Die Zensur-Schere in den Köpfen der Ringier-Redaktoren funktionierten in der Regel gut. Bei der Berichterstattung über die Flüchtlingspolitik der Schweiz beispielsweise bekannte sich die Schweizer Illustrierte zwar zur humanitären Tradition der Schweiz. Kritik an der harten Haltung des Bundesrates mochte sie gleichwohl nicht üben.

Gewandeltes Frauenbild

Ein Wandel vollzog sich auch im Frauenbild der Zeitschriften: Bis in die Dreissiger Jahre dominierten Alltagsthemen und Konsumentinnenfragen. Während des Krieges wurde die Mobilisation der Frauen (in Familie, Beruf, im Frauenhilfsdienst) ins Zentrum gestellt. Bei Kriegsende kehrte man wieder zu den alten Geschlechterrollen zurück. Allgemein vertrat die Sie und Er von den Ringier-Blättern hinsichtlich der Rolle der Frau die "emanzipationsfreundlichste" Haltung.


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