21.11.2002

"Die schwierigste Entscheidung meines Lebens!"

Peter Hartmeier wird neuer Chefredaktor des Tages-Anzeigers. Im Interview mit "persoenlich.com" sagt Hartmeier, ob er der richtige Mann ist, wie er die Zeitung verändern will und ob Tagi und Express in Konkurrenz stehen werden.

Herr Hartmeier, Ihre Ernennung zum Chefredaktor vom Tages-Anzeiger kommt überraschend. Seit wann wissen Sie davon?

Seit zehn Tagen. In dieser Zeit habe ich, wie noch nie in meinem Leben, Höhen und Tiefen erlebt. Eine solche Entscheidung hat weitreichende Folgen: Ist man der richtige Kandidat? Hat man überhaupt die Fähigkeiten für einen solchen Job? Wenn mir Martin Kall und Jürg Brauchli von der Tamedia-Unternehmensleitung nicht mit dieser Entschiedenheit kommuniziert hätten, dass sie mich für diesen Job wollen, weiss ich nicht, ob ich zugesagt hätte. Anschliessend habe ich mit jedem Mitglied des Verwaltungsrates ein Gespräch geführt und habe bemerkt, dass ich in dieser schwierigen Phase wohl der richtige Mann bin.

Wie haben Sie dies bemerkt?

Der Tages-Anzeiger ist eine handwerklich gut gemachte Zeitung mit sehr kompetenten Journalisten. Es geht jetzt darum, die Zeitung mit dieser Redaktion in Richtung Grossstadtzeitung zu verändern. Was macht den Tagi aus? Es ist die Verankerung im Millionen-Zürich. Der Tages-Anzeiger soll vermehrt wieder den Puls der Stadt und ihrer Agglomeration darstellen.

Aber das war doch schon immer so?

Nein, wir wollen dies verstärkt tun. Die Leserinnen und Leser des Tages-Anzeiger sollen in Zukunft möglichst täglich ein "Häsch-das-gläse"-Gefühl haben. Ich bin froh, dass der jetzige Chefredaktor Phillip Löpfe der Zeitung als Autor erhalten bleibt.

Das tönt ja sehr gut. Aber aufgrund der wirtschaftlichen Schwierigkeiten werden Sie auch Einsparungen vornehmen müssen?

Nein, es wurde mir von der Unternehmensleitung versichert, dass beim Tages-Anzeiger nicht gespart wird. Die Tamedia erwirtschaftet dieses Jahr einen Gewinn zwischen 12 und 40 Millionen Franken. Der Tages-Anzeiger ist und bleibt das Flagschiff des Unternehmens.

Stellen Sie die Redaktion um?

Ich möchte mein Ziel, eine Grossstadtzeitung zu machen, mit dieser Redaktion verwirklichen. Ich bin aber frei in allen meinen Entscheidungen, mein Team zusammenzustellen.

Bis anhin waren Sie als Kommunikationschef Mitglied der Unternehmensleitung; als Chefredaktor stehen Sie auf der anderen Seite. Gibt das Probleme?

Natürlich ist das nicht einfach. So wurde ich von meinen zukünftigen Kollegen auch gefragt, ob ich nun der verlängerte Arm der Tamedia-Geschäftsleitung bin. Diese Frage ist berechtigt. Ich bin mir klar, dass es zu Reibereien kommen wird; das liegt in der Natur der Sache. Gleichzeitig ist es gut, das Vertrauen des Verlegers, Verwaltungsrates und Unternehmensleitung zu besitzen.

Vor zwei Tagen haben Sie in Ihrer Funktion als Tamedia-Kommunikationschef die neue Pendlerzeitung Express als wichtiges Unterfangen angekündigt. Aber gerade dieser Express wird dem Tages-Anzeiger das Leben schwer machen.

Das bin ich mir bewusst. Als Mitglied der Tamedia-Unternehmensleitung, welches ich bis zum Wochenende noch bin, bin ich überzeugt, dass dies der richtige Schritt richtig ist: Es gibt eben zwei Märkte: Jenen der Gratiszeitung und jenen der abonnierten Publikationen. Als Tagi-Chefredaktor sehe ich aber die Konkurrenzsituation. Das widerspiegelt auch ein bisschen die Situation, in welcher sich Tamedia befindet.

Sie sind ab Montag Chefredaktor des Tages-Anzeiger. Obwohl Sie diese als Grossstadtzeitung preisen, wohnen Sie weiterhin ausserhalb von Zürich - nämlich in Schaffhausen.

Schaffhausen gehört zum Millionen-Zürich. Und ich mache das, was Tausende von anderen auch tun - ich pendle täglich nach Zürich. So spüre ich den Puls der Agglomeration. Aber ich habe früher bereits einige Jahre in der Stadt gelebt. Ich bin mit Zürich immer verbunden gewesen - so wie ich immer Journalist war.


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