07.01.2002

"Die SVP hat gewonnen"

Die traditionsreiche Jugendzeitschrift Toaster wird per Anfang Januar eingestellt. "persoenlich.com" wollte von Verlagsleiterin Michèle Roten (Bild) wissen, was die Gründe für das kurzfristige Aus sind. Das Interview:
"Die SVP hat gewonnen"

Der Toaster wurde schon häufig totgesagt. Stimmt denn die heutige Meldung nun definitiv?

Diesmal stimmt's. Die letzte Ausgabe wird am 1. Februar erscheinen.

Als Grund wird "akute Geldnot" genannt. Was heisst das genau?

Im Gegensatz zur Swissair haben wir noch Geld, um unseren Verpflichtungen nachzukommen. Für den Fortbestand aber reicht es nicht mehr. Der Verein JugendMedienZürich, welcher die Titelrechte am Toaster besitzt, hat deshalb die ordentliche Schliessung beschlossen.

Noch einmal: Wie kann das Geld so plötzlich ausgehen? Immerhin wussten Sie schon seit einem Jahr, dass die Viertelmillion der Stadt künftig wegfällt.

Wir waren kurz vor Abschluss eines "Deals", der unsere finanzielle Zukunft gesichert hätte. Der ist aber leider vor knapp einem Monat kurz vor Vertragsabschluss geplatzt – darum erschien auch keine Januar-Ausgabe: Wir hatten bereits eine Nullnummer für den Relaunch mit dem neuen Partner fertiggestellt. Jetzt ist uns buchstäblich die Zeit ausgegangen. Wir haben danach alle Hebel in Bewegung gesetzt und nach anderen Lösungen gesucht: Wir hausierten von Verlag zu Verlag, suchten private Gönner oder Institutionen, Spendenaufrufe standen zur Diskussion. Und am Ende hätten wir uns sogar vorstellen können, als Kundenzeitschrift im Stil eines Seventh Sky oder eines Twin zu erscheinen. Doch die Zeit hat einfach nicht gereicht. Jetzt ist oberste Priorität, die Löhne und Sozialabgaben bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfristen zu gewährleisten.

Worum handelt es sich beim geplatzen Geschäft?

Dazu möchte ich nichts sagen.

Können Sie wenigstens sagen, welcher Bereich – Anzeigenmarkt, Lesermarkt, Syndication etc. – davon betroffen war?

Wir wären als Magazin neu in einer Auflage von 250'000 Exemplaren landesweit – also in drei Landessprachen – erschienen.

Zusätzliche 8000 bis 10'000 Franken hätte der Toaster monatlich gebraucht. Um wieviel haben Sie das Ziel verfehlt?

Das blieb sich gleich. Flickwerk hätte uns nichts genützt, wir mussten eine Gesamtlösung finden. Die ist – auch für uns überraschend und umso enttäuschender – im letzten Moment geplatzt.

Im Anzeigenmarkt bestand die Absicht, durch die Umstellung auf Glanzpapier den Anteil um einen Drittel zu steigern. Waren das leere Versprechen Ihres Vermarkters RMB?

Es war wohl auch für unsere Akquisitionsagentur eine Überraschung, dass der Toaster als Magazin die Werbekunden nicht besser angesprochen hat. Tatasche blieb, was wir schon vor Jahren feststellen mussten: Trotz unseren hervorragenden LeserInnenzahlen setzt die Werbewirtschaft im Jugendbereich lieber auf inhaltsarme Publikationen.

Die letztjährige Auflage lag bei 35'000. Mit dem Relaunch wollte man eine Steigerung bewirken. Haben Sie diese erreicht?

Nein, das war nicht möglich.

Anderen Jugendzeitschriften wie Kult und Forecast geht es dem Vernehmen nach besser. Gibt es keinen Markt für Ihre Art von Jugendzeitschriften?

Wie gut es Kult und Forecast wirklich geht, bleibe dahingestellt. Wir sehen uns jedenfalls nicht im gleichen Topf.

Eine Befragung, die das D&S Institut für Marktforschung vor Ihrem Relaunch durchführte, ergab eine grosse Zufriedenheit der Leserschaft. War die Untersuchung unsorgfältig?

Sicher nicht. Wir haben nach wie vor ein positives Echo auf unsere Zeitschrift. Es ist einfach so, dass diese guten Zahlen beim Inserateverkauf zu wenig ins Gewicht fielen.

Sie werden der Berner Zeitung dreimal im Jahr beigelegt. Ausserdem liefen Verhandlungen mit der Aargauer Zeitung. Was ist daraus geworden?

Weder die Berner Zeitung noch die AZ wollten für den Toaster substanziell etwas beisteuern. Es hing alles von den Inserate- und den Abo-Einnahmen ab.

Ohne die Viertelmillion der Stadt Zürich geht es offenbar nicht. Werden Sie dort nochmals vorstellig?

Zur Stadt gehen wir nicht mehr, das war vor einem Jahr Bestandteil der Bedingungen für die Starthilfe.

Wie steht es mit allfälligen Geldgebern aus der Privatwirtschaft?

Auch da haben wir uns bemüht. In der Privatwirtschaft weht momentan allerdings auch ein rauer Wind; Budgets wurden zusammengekürzt. Das ist übrigens auch der Grund, weshalb unser Partner, mit dem wir über ein halbes Jahr lang verhandelt hatten, in letzter Sekunde absprang.

Das heisst, der Erzfeind SVP hat gewonnen?

Könnte man so sagen. Der jahrelang betriebene Kampf der Volkspartei für die Abschaffung unserer Subventionen hat sein Ziel erreicht. Uns blieb einfach nicht genug Zeit für die Erschliessung anderer Geldquellen.

Wie viele MitarbeiterInnen sind betroffen?

Sieben Festangestellte und rund 200 Freie.


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