09.04.2021

Zusammenlegung Bund/BZ

«Ein Berner Menü braucht die richtige Mischung»

Ein Einschnitt in die Medienvielfalt? Nicht nur. BZ-Chefredaktor und Gesamtleiter Simon Bärtschi erklärt die Hintergründe der Redaktionsfusion. Die Reise sei und bleibe anspruchsvoll.
Zusammenlegung Bund/BZ: «Ein Berner Menü braucht die richtige Mischung»
Simon Bärtschi ist seit 2019 Chefredaktor der Berner Zeitung. Er agiert künftig als Gesamtleiter der zusammengelegten Redaktion von BZ und Bund. (Bild: zVg.)
von Edith Hollenstein

Herr Bärtschi, Sie hatten am Donnerstagvormittag eine wichtige interne Mitarbeiter-Informationsveranstaltung. Wie zufriedenstellend ist diese abgelaufen?
Aus meiner Sicht lief die Information gut. Es kamen sehr viele Fragen, einige Antworten bleiben naturgemäss noch offen. Dass eine solche Ankündigung kein Stimmungsheber ist, liegt in der Natur der Sache. 

Ist die Zusammenlegung aus Ihrer Sicht bedauerlich? Oder sehen Sie Chancen?
Ich sehe Chancen. Zwar fällt der innerbernische Wettbewerb zwischen Bund und BZ künftig weg, was bedauerlich ist. Durch die Bündelung in Bern können wir redaktionell dafür mehr Energie in relevante Geschichten stecken. Die neue Redaktion wird über eine hohe journalistische Kompetenz verfügen, das sichert den Qualitätsjournalismus in Bern. Den Stellenschnitt als Konsequenz der Zusammenlegung bedauere ich sehr. Das erzeugt Verunsicherung.

Laut den Gewerkschaften erfolgt der Schritt ohne Not. Tamedia habe genügend Geld. Warum war er trotzdem nötig?
Wir wollen die Publizistik in Bern trotz der erodierenden Werbeumsätze und der sinkenden Printabo-Erlöse weiter profitabel betreiben und in die digitale Zukunft führen. Beide Berner Redaktionen haben die Kosten in den letzten Jahren bereits erheblich reduziert. Ein weiteres Ausdünnen der beiden Redaktionen durch Stellenreduktion würde die Qualität gefährden. Aus diesem Grund haben wir nach einem neuen zukunftsfähigen redaktionellen Konzept gesucht.​ ​Der Zusammenschluss der Redaktionen von Bund und Berner Zeitung ist notwendig, um beide Titel weiterführen zu können.

Wie viel der angekündigten Sparvorgabe von 70 Millionen kann Tamedia mit dieser Zusammenlegung einsparen?
Ich bitte um Verständnis, dass ich zu den Finanzen einzelner Projekte keine Angaben machen kann.

Sie werden zahlreiche Kündigungen aussprechen müssen. Wie werden Sie das machen in Zeiten von Homeoffice, also mit grosser physischer und emotionaler Distanz?
Kündigungen sind das äusserste Mittel nach Abschluss des Konsultationsverfahrens. Erstmal werden wir versuchen, den notwendigen Stellenschnitt über Fluktuation, den Ablauf befristeter Verträge bei Bund und BZ und allenfalls interne Lösungen bei Tamedia umzusetzen.

Nach welchen Kriterien werden Sie entschieden, ob Redaktoren bleiben dürfen oder gehen müssen?
Wie gesagt, das steht nicht fest.

«Diese Reise ist sehr anspruchsvoll und aufreibend, aber es ist eben auch eine Chance, sich weiterzuentwickeln»

«Überlegt euch gut, ob ihr diese Reise mitmachen wollt», soll Tamedia-Co-CEO Marco Boselli laut der Republik bei einer Redaktionsversammlung im Herbst gesagt haben. Wie viele Redaktorinnen und Redaktoren haben sich freiwillig dafür entschieden, diese Reise vorzeitig zu beenden?
Es gab mehrere Kündigungen in letzter Zeit. Ich habe die Aussagen übrigens damals ganz anders verstanden. Wir befinden uns in einem langen Prozess der Transformation ins digitale Zeitalter. Diese Reise ist sehr anspruchsvoll und aufreibend, aber es ist eben auch eine Chance, sich weiterzuentwickeln.

Nun werden Sie bereits im Herbst mit der gemeinsamen Regionalredaktion starten. Wie viele Vollzeitstellen wird sie umfassen?
Wir gehen davon aus, dass es in der neuen Redaktion rund 70 Journalistinnen und Journalisten geben wird.

Und was heisst das in Vollzeitstellen ausgedrückt?
​Das sind rund 50 Vollzeitstellen, aber so konkret weiss ich es noch nicht.

«Die neue Redaktion muss Themen aufgreifen, die über die Berner Milieu- und Gemeindegrenzen hinaus interessieren»

Was für einen Stil fordern Sie: Hat die zusammengelegte Redaktion eine hohe intellektuelle Ambition (wie aktuell der Bund)? Oder setzen Sie eher auf Boulevard (wie aktuell die Berner Zeitung)?
Für ein vielfältiges und bekömmliches Berner Menü braucht es von beidem die richtige Mischung: Kraft und Würze, Eleganz und Raffinesse. Die Kunst wird tatsächlich sein, die unterschiedlichen Publika von BZ und Bund aus derselben Redaktion aus zu bedienen. Beide bleiben eigene Titel, beide behalten auf ihren digitalen Kanälen wie auch in der Zeitung ihre publizistische Ausrichtung und setzen unterschiedliche Schwerpunkte.

Ist es richtig, dass künftig von Ihren beiden Zeitungen mehr schweizweit relevante Themen recherchiert werden sollen, die einen grösseren Nutzerkreis ansprechen?
Ja, das ist so. Es geht darum, dass wir viel stärker vernetzt denken wollen und breit interessierende Geschichten machen werden. Die neue Redaktion muss Themen aufgreifen, die über die Berner Milieu- und Gemeindegrenzen hinaus interessieren. Wir wollen die Recherchen so aufbereiten, dass die Relevanz für die Leserschaft auf Anhieb erkennbar ist. Und auch hier wird es einen Spagat brauchen: Nicht alle Themen funktionieren auf diese Weise und sind auf eine Region begrenzt. 

«Die Stärken aus beiden Berner Kulturen zu vereinen, das wird die grösste Herausforderung sein»

Nach der Einführung der harten Paywall: Welches der beiden Onlineportale hat sich erfolgreicher entwickelt?
Die Zahlen beider Titel zeigen absolut in die richtige Richtung. Das belegt auch die jüngste Total-Audience-Studie. Bei beiden Portalen performen aber ganz unterschiedliche Geschichten.

Wenn man die beiden Marken online liest, wird deutlich: Die Inhalte sind fast die gleichen. Wie werden sich die Onlineauftritte unterscheiden?
BZ und Bund werden den eingeschlagenen Kurs auf ihren Portalen fortsetzen. Die Berner Zeitung setzt auf eine umfassendere Regionalberichterstattung sowie den Sport, der Bund hat die breitere Auslands- sowie Kulturberichterstattung und stärkt seinen Meinungsteil. Das Ziel bleibt: Wir wollen mit gutem digitalen Journalismus für die Mobilgeräte mehr Leserinnen und Leser für ein Digitalabo gewinnen. Gerade das neue, junge Berner Publikum wollen wir mit modernem Storytelling ansprechen.

Mit welchen Massnahmen wollen Sie dafür sorgen, dass die beiden unterschiedlichen Kulturen zusammenfinden?
Da braucht es einen Strauss von Ideen. Diese werden wir in der nächsten Phase gemeinsam aushecken.

Was, erwarten Sie, wird die grösste Herausforderung bei dieser Zusammenführung?
Redaktionen haben eigene Innenleben, das habe ich in Zürich und Baden bei diversen Titeln erlebt. Die Stärken aus beiden Berner Kulturen zu vereinen, das wird die grösste Herausforderung sein.


*Das Interview wurde schriftlich geführt.

 



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