16.12.2002

Erfolgsrezept Tabloidformat?

20 Minuten und Le matin gelten als Gewinner der Mach Basic 2002, beide erscheinen im Einbund-Tabloidformat. Auch die Weltwoche vermeldet seit der Umstellung vom Zeitungs- auf das handlichere Magazinformat Erfolge. Aus diesem Grund lud das Media Trend Journal am Montag im Zürcher Miller's Studio zu einer Podiumsveranstaltung mit dem Titel "Tabloid -- the winning formula". Der Diskussion stellten sich Théo Bouchat, Directeur de Publications bei Edipresse, Le-matin-Chefredaktor Peter Rothenbühler, 20 Minuten-Chefredaktor Markus Eisenhut und 20 Minuten-Verkaufsleiter Marco Gasser sowie Ex-Tagi-Chefredaktor Philipp Löpfe.
Erfolgsrezept Tabloidformat?

Ist das Tabloidformat für den Erfolg von 20 Minuten, Le matin und auch Weltwoche verantwortlich? So richtig glauben mochte dies auf dem Podium niemand. Immerhin verwies Théo Bouchat, Directeur de Publications bei Edipresse und Erfinder des Le-matin-Tabloids, in seiner Präsentation der Erfolgsfaktoren darauf, dass junge Leser das Format gemäss Befragungen ausserordentlich schätzten -- eine Beobachtung, die Le-matin-Chefredaktor Peter Rothenbühler auch auf der Seite der Mediaagenturen gemacht hatte. Bouchat und Rothenbühler betonten aber auch, dass mit der Formatänderung eine redaktionelle Reform einhergegangen sei: Schwerpunktthemen im Wochenrhythmus (etwa Auto oder Freizeit) gehörten ebenso dazu wie eine erhöhte Flexibilität. Von letzterer profitierten auch die Anzeigenkunden, denen zahlreiche Sonderplatzierungen angeboten würden.

(V.l.n.r.: Pierre C. Meier, Théo Bouchat, Marco Gasser)

20-Minuten-Verkaufsleiter Marco Gasser, der den offenbar gesundheitsbedingt ausgefallenen Geschäftsführer Rolf Bollmann vertrat, reduziert den Erfolg seines Produkts ebenfalls nicht auf das Format. Als USP von 20 Minuten im Anzeigenmarkt bezeichnete er einerseits die Multichannel-Strategie, welche Print, Internet und Mobile einbeziehe und damit attraktive Crossmedia-Angebote erlaube. Hinzu kommen, so Gasser weiter, Leserstruktur und Einbund-Konzept sowie die Zusammenarbeit mit Radio- und TV-Partnern. Besonders wichtig scheint auch Gasser die Flexibilität bei den Werbeformen, wo noch längst nicht alles Denkbare ausprobiert sei. Chefredaktor Markus Eisenhut pflichtete in der anschliessenden Podiumsdiskussion bei: "Wäre Tabloid der einzige Erfolgsfaktor, hätte Metropol wohl überleben müssen."

So konnte man dem Zwischenfazit von Podiumsleiter Pierre C. Meier, dem Chefredaktor des Media Trend Journal, leicht zustimmen: Die als relevant aufgeführten Ansätze der beiden Tabloide wären auch bei anderen Titeln möglich gewesen und haben mit dem Format wenig zu tun.

In der Podiumdiskussion, die an die Präsentationen von Bouchat und Gasser anschloss, ging es dann offensichtlich nur vordergründig um die Frage des Formats. Über den Rednern dräuten die rhetorischen Giftgaswolken des unlängst von der Tamedia erklärten "Zürcher Zeitungskriegs". Dabei wurde an verschiedenen Fronten und in wechselnden Konstellationen gekämpft: Einerseits verteidigte Ex-Tagi-Chefredaktor Philipp Löpfe die klassische Mehrbundzeitung gegen die Einbund-Tabloide von 20-Minuten-Chefredaktor Markus Eisenhut und Peter Rothenbühler. Andererseits trat letzterer gegen die Verfechter von Gratiszeitungen an.

(V.l.n.r.: Peter Rothenbühler, Philipp Löpfe)

Zentral ist für Eisenhut und Rothenbühler, dass man "auf die Leser eingeht". So setze sich 20 Minuten über sein Webcenter ständig mit den Bedürfnissen des Publikums auseinander. "Wir halten unsere Leser für mündig, weshalb wir sie im Gegensatz zum Tages-Anzeiger nicht mit Kommentaren bombardieren", so Eisenhut weiter. "Wir sind News-Kolporteure." Und Rothenbühler bemerkte: "Es ist klar, dass die Leser am Morgen keine Zeitungen wollen, die auseinander fallen, sondern eine schnell lesbare Einbundzeitung."

Löpfe wiederum monierte, "den Leser" gebe es nicht. Er unterstützte diese These mit Resultaten aus der Marktforschung, wonach sich beim Tagi sechs Leser-Typen unterscheiden lassen. Im Weiteren verwehrte er sich gegen den Vorwurf Rothenbühlers, viele Journalisten wollten ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse der Leser bloss lange Texte schreiben. Zudem betrachtet Löpfe einen möglichen Verlust von Fachkompetenz in den Redaktionen als bedauerlich. "Wenn wir bei Ebners Sturz wie die Tagesschau für eine Einschätzung zu Moneycab gehen müssten, dann fände ich das bedenklich." Im Übrigen habe der Erfolg der Weltwoche mehr mit Politik zu tun denn mit Format.

Zum Unterschied zwischen deutsch- und französischsprachiger Schweiz befand Rothenbühler, die Verleger nördlich der Saane hätten die Veränderung des Leseverhaltens verschlafen und müssten nun deshalb mit der Gratis-Konkurrenz kämpfen. "Eine Fünf-Bund-Zeitung schiesst am Ziel vorbei." Die Insidersprache vieler Journalisten würden auch von klugen LeserInnen oft nicht verstanden. Er geht deshalb davon aus, dass auch in der Deutschschweiz bald eine grosse Tageszeitung als Tabloid erscheinen wird. Und möglicherweise könne man in ein paar Jahren gar ganz auf Gratiszeitungen verzichten. Le matin jedenfalls werde keinesfalls je kostenlos erhältlich sein; eher erhöhe man den Preis und biete dafür noch mehr Leistungen an.

Im Gegenzug meinte Markus Eisenhut auf die Frage, ob 20 Minuten je kostenpflichtig werden könnte: "Ich weiss nicht, ob die Leute für 20 Minuten bezahlen würden. Je länger desto mehr vermutlich schon." Das Argument "kostenlos gleich wertlos" sei aber billig, schliesslich denke beim kostenlos empfangbaren Fernsehsender CNN auch niemand so.


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