10.04.2025

Schweizer Monat

Eric Gujer zieht Bilanz nach zehn Jahren als NZZ-Chefredaktor

In einem Gespräch mit Ronnie Grob erklärt Gujer den digitalen Wandel der Neuen Zürcher Zeitung, die erfolgreiche Expansion nach Deutschland und seine kritische Haltung zur «Brandmauer»-Strategie gegenüber rechtsnationalen Parteien. Ausserdem nimmt er zu seiner Zukunft als Chefredaktor Stellung.

Eric Gujer, seit März 2015 Chefredaktor der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ), sieht sein Unternehmen gut für die digitale Zukunft gerüstet. In einem Gespräch mit dem Schweizer Monat zog Gujer Bilanz seiner Amtszeit und nannte die finanzielle Stabilisierung sowie die digitale Transformation als wichtigste Errungenschaften.

«Die alte Tante ist unterdessen ziemlich schnell», betonte Gujer mit Blick auf die digitale Präsenz der NZZ. Die Zeitung sei heute auf allen Kanälen aktiv und habe mehr digitale Abonnements als jedes andere Schweizer Medium.

Die NZZ setzt daher auf weiteres digitales Wachstum. So will Gujer zusätzliche digitale Kompetenzen aufbauen. Besonders das Spezialangebot «NZZ Pro» mit Fokus auf Geopolitik und Geoökonomie sieht er als Erfolgsmodell. Die Redaktion wurde bereits um 20 Köpfe verstärkt gegenüber 2015. Gujer betont die Balance zwischen traditionellen Stärken und digitalen Anforderungen: «Wir werden, solange es irgend geht, unseren Printkunden den Print bieten» – parallel zur multimedial ausgerichteten Berichterstattung.

Gegen den Mainstream und jetzt selbst Mainstream

Als grossen Erfolg wertete Gujer die Expansion nach Deutschland mit mittlerweile über 50’000 Abonnements. Die NZZ sei dort mit ihrer Berichterstattung zu Migration und Corona anfangs gegen den Mainstream geschwommen, mittlerweile hätten sich jedoch viele ihrer Positionen durchgesetzt.

Im Gespräch mit dem Schweizer Monat nahm Gujer auch ausführlich Stellung zu den Vorwürfen einer vermeintlichen Nähe der NZZ zur AfD in Deutschland. Diese Etikettierung sei vor allem von der deutschen Konkurrenz lanciert worden, als die NZZ in den deutschen Markt einstieg: «Wir waren New Kid on the Block und alle dachten, wenn sie uns nur runterschreiben, dann sind wir bald wieder weg.» Der NZZ-Chefredaktor kritisierte die Ausgrenzungsstrategie deutscher Medien gegenüber rechtsnationalen Parteien und zog Parallelen zur Schweiz.

«Ausgrenzung funktioniert nicht»

«Der Versuch, nationalistische Parteien einfach komplett auszugrenzen, sie zu totalen Parias zu erklären, funktioniert nicht», erklärte Gujer. Als Beleg führte er die SVP an, die trotz aller Ausgrenzungsversuche seit Langem die stärkste Partei in der Schweiz sei. Man müsse mit solchen Parteien reden und gegen sie argumentieren.

Auf seine Zukunftspläne angesprochen – Gujer erreicht 2027 das Pensionsalter – liess der Chefredaktor offen, ob er seine «schöne Tätigkeit» möglicherweise darüber hinaus fortführen möchte: «Schauen wir mal, wie sich das dann gestalten wird.» (nil)


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