10.06.2003

"Es sollten sich mehr Unternehmer für unsere Gesellschaft engagieren"

Jean-Frey-CEO Filippo Leutenegger (Bild) kandidiert für den Nationalrat. Nachden Uli Rubner neben der Weltwoche neu auch die Bilanz leitet, fragt sich, ob es an der Förrlibuckstrasse 70 zu einer Machtverschiebung kommt. "persoenlich.com" fragte Leutenegger, ob eine Stabsübergabe ansteht, wie seine Politkampagne aussieht und ob die Jean Frey auf Partnersuche sei. Das Interview:
"Es sollten sich mehr Unternehmer für unsere Gesellschaft engagieren"

Uli Rubner leitet seit neustem Weltwoche und Bilanz, gleichzeitig kandidieren Sie für den Nationalrat. Bereitet sich da eine Stabsübergabe vor?

Nein, das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Die Zusammenlegung der Leitung von Weltwoche und Bilanz fusst auf wirtschaftlichen Überlegungen, resp. der angestrebten Ausnutzung von Synergien. Mein Job ist die Leitung der Jean Frey als Ganzes und wird es auch weiterhin sein. Da die Schweizer Politik zum Glück noch immer auf dem Milizsystem beruht, kann ich mich zusätzlich politisch betätigen.

Also ist Ihre Funktion als CEO kein Fulltime-Job?

Sicher, und glauben Sie nicht, dass sei nur ein 8-Stunden-Tag! Aber andere golfen oder spielen Tennis in ihrer Freizeit -- ich bin politisch aktiv und mache mir Sorgen um unser Land. Und es wäre gut, wenn sich mehr Unternehmer für unsere Gesellschaft engagieren würden.

Sie bekennen politisch Flagge. Kompromittieren Sie damit nicht die Unabhängigkeit Ihrer Titel?

Nein, überhaupt nicht. Wäre ich publizistisch tätig, würde die Sache anders aussehen. Aus diesem Grund habe ich mich als Chefredaktor des Schweizer Fernsehens immer strikt neutral verhalten. Jetzt als CEO bin ich Geschäftsführer und deshalb in einer anderen Funktion. Abgesehen davon finde ich es besser, man deklariert offen seine Absichten als über den Verlag zu politisieren.

Man hat bis jetzt noch nicht viel von Ihrer Kampagne gesehen. Wann startet sie und wie sieht sie aus?

Soeben ist in den Zürcher Titeln eine dreiwöchige Vorkampagne gestartet, in der via Klein-Anzeigen auf meinen Internetauftritt aufmerksam gemacht werden soll.

Stimmt es, dass Sie von Beatrice Tschanz beraten werden?

Nein. Sie hatte zwar zugesagt, mich im Wahlkampf zu unterstützen, musste dann aber leider wegen starker beruflicher Belastung kürzer treten.

Offiziell will die Jean Frey noch keine Resultate bekanntgeben. Hinter vorgehaltener Hand wird für 2003 bereits von schwarzen Zahlen gesprochen. Was bezwecken Sie mit dieser Informationspolitik?

Erstens bin ich kein Ankündigungsminister und zweitens kann ich nichts bekanntgeben, das noch nicht bekannt ist. Und drittens ist die Jean Frey eine private Gesellschaft. Im übrigen sind es normalerweise die Defizite, die interessieren und nicht positive Nachrichten (lacht).

Im Moment gibt es keinen Verlag, der nicht irgendwo mit einem anderen Haus im Gespräch wäre. Wie lange bleibt die Jean Frey noch ohne Partner?

Nun, die Jean Frey ist schlechter gefahren, als sie noch bemuttert wurde. Es ist eine der grossen Verirrungen der 90er Jahre zu glauben, Grösse allein bringe Erfolg. Wer Qualität zu bieten hat, kann auch als mittleres Verlagshaus gut leben. Statt auf Partner setzen wir lieber auf interessante Kooperationen mit Häusern wie Ringier, Basler Mediengruppe oder auch NZZ. Und bleiben dabei selbständig.

In der Branche wird gemunkelt, dass ein Zusammenrücken mit den AZ Medien ein Thema sei. Hier besteht ja bereits eine Verbindung via den ehemaligen Jean-Frey-VR und jetzigen AZ-Chefredaktor Markus Gisler.

Da wissen Sie mehr als ich...

Konkret ist von Einsparungen beim Overhead die Rede...

Wir haben im vergangenen Jahr kräftig restrukturiert. Da gibt es gegenwärtig im Overhaed-Bereich nicht mehr viel zu holen.

Die Wirtschaftsaussichten sind auch weiterhin nicht rosig. Wann kommt die nächste Sparrunde bei der Jean Frey?

Ein gutes Unternehmen mit guten Produkten kann auch in schlechten Zeiten schwarze Zahlen schreiben. Natürlich gibt es immer Möglichkeiten, noch stärker zu optimieren. Wir sind aber bereits einige kräftige Schritte gegangen und gehen noch weiter. Wir müssen damit rechnen, dass die jetzige Durststrecke noch weiter anhält. Man darf auch nicht aus den Augen verlieren, dass die Schweiz zur Zeit von einer strukturellen Krise geschüttelt wird. Selbst Kaderleute sind ohne Arbeit oder zumindest zutiefst verunsichert.


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