12.01.2017

Buzzfeed-Bericht

Fake News verbreiten oder Transparenz schaffen?

Die Veröffentlichung des 35-seitigen Dossiers mit unbestätigten Informationen zu Donald Trumps möglichen Beziehung zu Russland löst eine Debatte über Medienethik aus. Die einen fragen sich, ob das überhaupt noch Journalismus ist. Andere finden die Publikation richtig.
Buzzfeed-Bericht: Fake News verbreiten oder Transparenz schaffen?
Der gewählte US-Präsident Donald Trump an seiner ersten Pressekonferenz seit Juli. (Bild: Keystone)
von Michèle Widmer

«Ich gebe Ihnen keine Frage. Sie sind Fake News»: Mit diesen Worten reagierte der gewählte US-Präsident Donald Trump auf eine Frage des CNN-Reporters Jim Acosta. Es war Trumps erste Pressekonferenz seit Juli. Einberufen wurde sie aufgrund der Veröffentlichung eines Berichts, wonach Vertraute des neuen US-Präsidenten hinsichtlich der Hackerangriffe auf die US-Demokraten mit Russland kooperiert hätten. Zudem habe Trump Prostituierte im Moskauer Hotel Ritz Carlton für unübliche Sexualpraktiken angeheuert. Die Behauptungen in dem Bericht sind nicht verifiziert.

An der Medienkonferenz ging es lauthals zu und her (siehe Video unten). Acosta versuchte sich vehement die Aufmerksamkeit des künftigen Präsidenten zu ergattern. Dieser ignorierte ihn, gab einer anderen Journalistin das Wort und ermahnte den CNN-Journalisten schliesslich: «Seien Sie nicht unhöflich.»

Laut der amerikanischen Fernsehstation CNN hatten die US-Geheimdienste Trump und Barack Obama letzte Woche über die heiklen Informationen unterrichtet. Daraufhin veröffentlichte «Buzzfeed» am Mittwoch das vollständige 35-seitige Dokument und löste damit eine heftige Diskussion über Ethik im Journalismus aus. Da sich die Details des Berichts nicht bestätigen liessen, nahmen sie nur die wenigsten renommierten Medien auf. «Buzzfeed» sorgte mit der Veröffentlichung schliesslich für eine starke Verbreitung durch die sozialen Medien.

Wie glaubwürdig ist «Buzzfeed» als Quelle? «Grundsätzlich legt Buzzfeed Wert darauf, seine Investigativ-Artikel sehr gut zu untermauern. Das Online-Medium hat dafür ein grosses Team zusammengestellt. Dieses steckt viel Arbeit und Ressourcen in Recherche», sagt Thom Nagy im Interview mit Radio SRF 4 dazu. Der Digitalstratege der Basler «Tageswoche» kennt sich gut mit neuen Medien aus.

US-Bürger sollen sich eigenes Bild machen

Im Interview mit dem US-Sender MSNBC bekräftigte «Buzzfeed»-Chefredaktor Ben Smith seinen Entscheid für die Publikation (siehe Video unten). «Es war die richtige Entscheidung, den Bericht zu veröffentlichen», sagte er gegenüber dem Moderator. Die US-Bürger sollten sich ihr eigenes Bild machen können. Die sozialen Medien hätten den Gatekeeping-Auftrag der Medien verändert. Informationen verbreiteten sich heute so oder so. Die Aufgabe der Medien sei, Transparenz zu schaffen und Informationen einzuordnen.

Mit der Publikation habe «Buzzfeed» dem Ruf der ganzen Branche geschadet, sagte der Moderator gegenüber Smith. Dieser argumentierte: «Wir müssen zuerst an unsere Leser und die transparente Information denken und nicht an uns als Medienunternehmen.»

Amerikanische Medienwissenschaftler kritisieren «Buzzfeed» für das Vorgehen scharf. Die Medienethikerin Kelly McBride vom renommierten Poynter Instituts verglich das Vorgehen des Portals mit Organisationen wie Wikileaks, auf deren Seite lediglich Dokumente hochgeladen und veröffentlicht würden. «Ich ringe mit der Frage, ob das Journalismus ist. Ich denke, es ist etwas anderes», sagte sie gegenüber der Nachrichtenagentur AP.

Eine andere Meinung vertritt Wolfgang Blau, der früher Chefredaktor des Onlineauftritts der «Zeit» und danach Digitalstratege beim «Guardian» war. «Ich glaube Buzzfeed hat das Dossier zurecht veröffentlicht», schreibt er auf Twitter und begründet dies in insgesamt acht aufeinanderfolgenden Tweets. Nachdem klar geworden sei, dass Trump vom Geheimdienst über die brisanten Informationen unterrichtet wurde, sei das Dossier zu öffentlichem Interesse geworden. Allerdings, so Blau, hätte das Portal der geplanten Veröffentlichung den Boden bereiten sollen. In einem Text vorab hätte Buzzfeed die Absichten, welche der Publikation des vollständigen Dossiers zugrunde liegen, erläutern sollen.

Was Donald Trump über «Buzzfeed» denkt, machte er an der Medienkonferenz deutlich. Er bezeichnete das Portal als «versagenen Haufen Müll». Klar ist also: Für das Verhältnis zwischen dem Weissen Haus und den Medien bedeutet der aktuelle Fall nichts Gutes.



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