05.09.2001

RTSI

Fristlos entlassener Starmoderator fordert sofortige Wiederanstellung

Sergio Savoi arbeitet zur Zeit zu hundert Prozent als Chefredaktor des Satireblattes Il Diavolo.

Der vor zwei Wochen wegen Internetmissbrauch fristlos entlassene Tessiner Radiomoderator Sergio Savoia wehrt sich. Er hat an einer Medienkonferenz die RTSI aufgefordert, die Kündigung rückgängig zu machen. "Ich habe täglich nicht mehr als maximal dreissig Minuten gesurft", erklärte Savoia am Mittwoch in Bellinzona den rund dreissig anwesenden Medienschaffenden. Sein Arbeitgeber, die Radiotelevisione svizzera di lingua italiana (RTSI) hatte dem Moderator vorgeworfen, allein im Monat Mai über hundert Stunden lang - auch während der Sendezeit - pornographische Seiten der härtesten Sorte aufgesucht zu haben ("persoenlich.com" berichtete). Insgesamt soll er über 45'000 Internetseiten mit erotischem Inhalt besucht und zum Teil abgespeichert haben.

Hat die RTSI Zahlen bewusst falsch interpretiert?

Savoia hatte mit der Begründung, eine satirisch-kritische Internet-Sendung vorzubereiten, Zugang zu Seiten bekommen, die für andere Mitarbeiter der RTSI durch einen Filter gesperrt werden. Er bestritt nicht, einschlägige Seiten angeklickt zu haben. Wohl aber das ihm vorgeworfene Ausmass. Vor rund dreissig Medienvertretern liess er vorführen, dass man innerhalb von dreissig Sekunden problemlos über zweitausend Files abspeichern kann. Der Führung der RTSI warf er vor, die gegen ihn vorgebrachten Zahlen "falsch interpretiert" zu haben. Zudem sei es aus "physikalischen Gründen" unmöglich, am Mikrofon sitzend den Computer zu bedienen. John Noseda, Savoias Anwalt, hat deshalb vor einigen Tagen der RTSI einen Brief geschrieben und die Wiederanstellung seines Klienten gefordert. Falls die Radiodirektion in den nächsten Tagen nicht auf die Forderung eingehen sollte, will Noseda den Rechtsweg einschlagen.

'Ich kenne die wahren Gründe'

Savoia bezeichnete die gegen ihn vorgebrachten Vorwürfe als Vorwand, ihn loszuwerden. "Ich kenne die wahren Gründe für meine Entlassung. Aus taktischen Gründen darf ich diese allerdings nicht nennen", sagte der Moderator, der ansonsten selten um ein Wort verlegen ist. Savoia glaubt, dass ihm unter anderem die Mitarbeit an der satirischen Zeitschrift Il diavolo, die auch die Wahl des heutigen Leiters des ersten Radioprogrammes unter Beschuss nahm, diese "Abrechnung" eingetragen habe.

Verwarnung wegen politischer Tätigkeit

Für die Sozialdemokraten hat Savoia zudem vor einem Jahr für den Nationalrat kandidiert. Er würde beim Rücktritt eines Tessiner Parlamentariers automatisch nachrutschen. Als Politiker warb er unter anderem auch für die Initiative "Ja zu Europa". Dafür wurde er von der RTSI-Direktion im März dieses Jahres verwarnt. Der derzeit arbeitslose zweifache Familienvater kündigte an, er werde in nächster Zukunft - unabhängig vom Ausgang des Streits mit der RTSI - zu hundert Prozent als Chefredaktor des Diavolo tätig sein. Zudem habe er ein Internet-Radioprojekt im Hinterkopf.



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