24.12.2019

Fall Khashoggi

Fünf Todesurteile und viele offene Fragen

Im Fall des ermordeten Journalisten Jamal Khashoggi hat die Justiz in Saudi-Arabien fünf Todesurteile verhängt – und das direkte Umfeld von Kronprinz Mohammed bin Salman für entlastet erklärt. International wurde das Urteil scharf kritisiert.
Fall Khashoggi: Fünf Todesurteile und viele offene Fragen
Eine türkische Polizistin läuft an einem Bild des ermordeten Jamal Khashoggi vorbei, welches zum einjährigen Todestag des Journalisten kreiert wurde. (Bild: Keystone/Lefteris Pitarakis)

«Das Gericht hat Todesurteile gegen fünf Männer verhängt, die direkt an dem Mord beteiligt waren», erklärte die Staatsanwaltschaft in Riad am Montag. Zwei Vertraute des Kronprinzen wurden dagegen freigesprochen oder gar nicht erst angeklagt.

Das türkische Aussenministerium erklärte, der Urteilsspruch bleibe weit hinter den Erwartungen der Türkei «und der Weltgemeinschaft» zurück. Die «Drahtzieher» des Mords blieben auf freiem Fuss, sie würden durch die Ermittlungen und den Prozess «kaum angetastet», erklärte die Uno-Sonderberichterstatterin Agnès Callamard im Onlinedienst Twitter. «Das ist das Gegenteil von Gerechtigkeit, es ist eine Farce.»

Auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International kritisierte das Urteil, weil es weder «Gerechtigkeit» noch «Wahrheit» mit sich bringe.

USA reagieren positiv

Die USA begrüssten die fünf Todesurteile. Ein Vertreter des US-Aussenministeriums sagte am Montag, es handle sich um einen «wichtigen Schritt», um die Verantwortlichen für dieses «schreckliche Verbrechen» zur Rechenschaft zu ziehen. Die USA würden von Saudi-Arabien aber «mehr Transparenz» verlangen. Auch müssten alle Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden.

Der für die Washington Post tätige Khashoggi war im Oktober 2018 im saudiarabischen Konsulat in Istanbul ermordet worden. In der bis heute nur teilweise aufgeklärten Affäre gerieten auch zwei enge Vertraute von Kronprinz Mohammed bin Salman ins Zwielicht: der frühere Vize-Geheimdienstchef Ahmed al-Assiri und der Medienberater Saud al-Kahtani. Beide wurden nach dem Mord an Khashoggi ihrer Ämter enthoben.

Während al-Assiri bei den Gerichtsverhandlungen anwesend war, wurde al-Kahtani seit dem Mord nicht mehr in der Öffentlichkeit gesehen. Viele der Angeklagten hätten vor Gericht ausgesagt, dass sie Befehle von al-Assiri ausgeführt hätten, der der eigentliche «Drahtzieher» gewesen sei, sagten Insider der Nachrichtenagentur AFP. Al-Assiri wurde nach Angaben der Staatsanwaltschaft aber aus «Mangel an Beweisen» freigesprochen. Die Ermittlungen gegen al-Kahtani wurden eingestellt.

Riad: «Ermordung nicht geplant»

Die Staatsanwaltschaft in Riad kam zum Schluss, dass die Ermordung Khashoggis ursprünglich «nicht geplant war», sondern in der «Hitze des Gefechtes» geschah. Von den elf Angeklagten wurden neben den fünf zum Tode verurteilten Männern drei zu Gefängnisstrafen von insgesamt 24 Jahren verurteilt. Gegen die Urteile kann Berufung eingelegt werden.

Der Prozess fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Nur Beobachter aus der Türkei und Diplomaten der ständigen Mitglieder des Uno-Sicherheitsrates wurden zugelassen.

Die Journalistenvereinigung Reporter ohne Grenzen nannte das Urteil eine «Missachtung der Gerechtigkeit». Generalsekretär Christophe Deloire sagte, es könne «ein Mittel sein, um die Zeugen des Mordes für immer zum Schweigen zu bringen».

Erwürgt, zerstückelt und entsorgt

Der 59-jährige Khashoggi wurde am 2. Oktober 2018 im saudiarabischen Konsulat in Istanbul von einem Agententeam aus Saudi-Arabien ermordet. Er wollte dort nach Angaben seiner Verlobten Hatice Cengiz Vorbereitungen für die geplante Hochzeit treffen. Nach Angaben türkischer Behörden waren 15 Saudiaraber daran beteiligt, dass der Journalist erwürgt und zerstückelt wurde. Leichenteile wurden nie gefunden. Cengiz nannte das Urteil «nicht hinnehmbar».

Riad hatte nach dem Mord an Khashoggi nach wochenlangen Dementis unter internationalem Druck zugegeben, dass der Regierungskritiker von saudiarabischen Agenten getötet worden war. Das Königreich ist daran interessiert, sein internationales Image aufzupolieren, bevor es im November 2020 erstmals einen G20-Gipfel ausrichtet.

Der US-Auslandsgeheimdienst CIA und Uno-Ermittler fanden Hinweise auf eine Verwicklung des Kronprinzen in die Tat. Dieser bestreitet jedoch jede Kenntnis von dem Plan zur Ermordung des Regierungskritikers. (sda/afp/dpa/lol)



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