17.08.2017

Tamedia

Grosses Medieninteresse an Protestaktion in Bern

«Vielfalt statt Einheitsbrei»: Im Hinblick auf die vermuteten Sparmassnahmen von Tamedia haben sich etwa hundert Redaktorinnen und Redaktoren von «Berner Zeitung» und «Bund» in Bern zum Mittagessen getroffen. Der Inhalt der beiden Peko-Präsidenten-Reden.
Tamedia: Grosses Medieninteresse an Protestaktion in Bern
Über hundert Leute nahmen an der Protestaktion teil und hörten der Ansprache von Markus Dütschler, Präsident Personalkommission «Der Bund», zu. Rechts im Bild: BZ-Peko-Präsident Jürg Steiner. (Bild: Keystone/Peter Schneider)

Die Berner Tageszeitungen «Bund» und «Berner Zeitung» haben sich am Donnerstagmittag zu einem Risotto-Essen versammelt. Dies im Hinblick auf die einschneidenden Sparmassnahmen, die Tamedia bald umsetzen könnte. Vermutet wird, das Tamedia zentrale Kompetenzzentren einführt, von wo aus die verschiedenen Mäntel gefüllt werden sollen. Bisher wurde nur sehr zurückhaltend kommuniziert, dennoch befürchtet die Belegschaft, dass es zu einem schmerzhaften Stellenabbau kommen könnte. Offenbar wird der Verwaltungsrats des Medienhauses Ende August über das «Projekt 2020», wie es intern heisst, beraten (persoenlich.com berichtete).

Aus den bisherigen Andeutungen müsse man schliessen, dass sich dies publizistisch sehr unvorteilhaft auswirken dürfte, schreiben die beiden Peko-Präsidenten Markus Dütschler («Bund») und Jürg Steiner («Berner Zeitung») in einer Mitteilung zur Protestaktion. Wenn von Kompetenzzentren die Rede sei, heisse dies im Klartext, dass möglichst viele Inhalte zentral produziert werden sollten – selbstverständlich mit weniger Personal. Die Beiträge würden dann praktisch identisch in allen Titeln abgedruckt. Sollte dieses Szenario Wirklichkeit werden, bekämen also alle Abonnenten das Gleiche vorgesetzt, ganz egal, welchen Titel sie abonniert haben. Es würde somit eine Art Einheitsbrei serviert.

An dieses Bild knüpften die Journalistinnen und Journalisten am Anlass vom Donnerstag an, bei dem ein feiner Risotto – und kein Einheitsbrei – serviert wurde. Dütschler bezeichnete das Risotto-Essen als Zeichen gegen innen und gegen aussen. Zum einen müsse die Geschäftsleitung wissen, dass die Belegschaft dem drohenden Abbau mit grosser Sorge entgegensehe, doch werde sie sich «nicht wie Schafe zur Schlachtbank führen lassen». Vielmehr wolle die Belegschaft stärker einbezogen werden, denn sie sei es schliesslich, welche die Inhalte produziere. Und wegen dieser Inhalte würden überhaupt Zeitungen abonniert. Er fügt an: «Von Tamedia, dem Platzhirsch der Branche, darf man erwarten, dass er Publizistik nicht nur mit dem Rotstift betreibt.»

Steiner legte in seiner Ansprache den Fokus auf die Tatsache, dass hier mit «Bund» und «Berner Zeitung» die beiden lokalen Konkurrenten im selben Haus gemeinsam gegen die Bedrohung protestierten. Die Redaktionen bemühten sich tagtäglich eine gute Zeitung zu machen, die sich von der Konkurrenz abhebe, die Meinungsvielfalt und Verschiedenheit biete, professionell und jenseits von unüberlegten Social-Media-Schnellschüssen. «Das Herz, die Leidenschaft, das Engagement – das ist unsere Währung, die wir in die Waagschale werfen», sagt Steiner. Der Anlass wurde zudem durch die Gewerkschaft Syndicom und den Journalistenverband Impressum unterstützt.

Fragen an den Berner Regierungsrat

Nun wird sich auch der Berner Regierungsrat mit dem Thema befassen. Die beiden Grossräte Samuel Krähenbühl (SVP) und Thomas Brönnimann (GLP) haben eine Interpellation eingereicht. «Mit der Abschaffung des BZ-Mantels würde die Medienvielfalt in den zwei bevölkerungsreichsten Kantonen buchstäblich zur Medieneinfalt. Und der Kanton Bern, der nota bene Sitz der Bundeshauptstadt ist und über eine Million Einwohner hat, hätte keine eigene, relevante Tageszeitung mehr. Das darf nicht passieren», heisst es darin. Unter anderem wollen die beiden Grossräte von der Berner Regierung wissen, was er für die Aufrechterhaltung der Medienvielfalt im Kanton zu tun gedenke und welche medienpolitischen Möglichkeiten er sehe, um den Kahlschlag zu verhindern. (pd/wid)


Lesen Sie auch den Bericht «Mit 100 Risottos gegen Einheitsbrei» – ein Augenschein vor Ort.



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Kommentare

  • Soan Dupraz, 17.08.2017 17:25 Uhr
    Die Werber und vor allem die Werbeauftraggeber sollten raschmöglich neue Media-Pläne herstellen, Pläne die auf Tamedia-Medien verzichten (was eigentlich ohne weiteres zu tun ist ohne auf die Wirksamkeit der Kampagnen zu leiden !)
  • Manuel Matter, 17.08.2017 16:57 Uhr
    Der Einsatz der Mitarbeiter ist verdienstvoll und nötig. Denn Tamedia handelt aus unternehmeriacher sicht kurzsichtig und aus gesellschaftlicher Sicht grobfahrlässig.
  • Mark Balsiger, 17.08.2017 16:49 Uhr
    Man muss sich das einmal vorstellen: Die Redaktionen von "BZ Berner Zeitung" und "Der Bund" werden zu einer Newsfabrik zusammengelegt. Diese darf dann noch Konfekt produzieren, mit dem beide Titel abgefüllt werden: Schnell recherchiert, schnell geschrieben, schnell gelesen, schnell vergessen. Einheitsbrei - und das in der Hauptstadt einer der ältesten und stabilsten Demokratien der Welt! Medienerzeugnisse, ob Print oder online, dürfen keine Industrieprodukte sein. Hier steht Tamedia in der Verantwortung.
  • andré hofer, 17.08.2017 16:46 Uhr
    das erleben wir in der Westschweiz seit paar Jahren : in 24Heures-TDG-20minutes etc sind die gleiche Artikel zu lesen !
  • Klaus Kornhofer, 17.08.2017 16:19 Uhr
    Lieber Risotto als eine Einheits-Sup(p)ino!
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