24.03.2019

50 Jahre SonntagsBlick

«Ich bin das Gedächtnis des Hauses»

Der «SonntagsBlick» feiert seinen 50. Geburtstag. Hans Jürg «Fibo» Deutsch, der erste Chefredaktor der Zeitung, spricht im Interview über die Anfangszeiten des Blattes, Konkurrenz im Hause Ringier und seinen Horror vor Impertinenz.
50 Jahre SonntagsBlick: «Ich bin das Gedächtnis des Hauses»
Startete 1960 als Volontär beim «Blick»: Der 78-jährige Hans Jürg «Fibo» Deutsch arbeitet heute noch bei Ringier und leitet Projekte. (Bild: Thomas Meier, Pressefotograf Ringier)
von Matthias Ackeret

Herr Deutsch, Sie waren vor genau fünfzig Jahren erster Chefredaktor des «SonntagsBlick». Wer hatte die Idee zu einer eigenen Sonntagsausgabe?
Martin Speich, Chefredaktor des «Blicks», war die treibende Kraft. Er kam aus der Schule der Nachrichtenagentur United Press International, war auf News getrimmt: «Eine ganztägige Informationslücke am Sonntag ist in unserer dynamischen Zeit, im Jahr der Mondlandung, nicht mehr zeitgemäss.» Geplant war 1967, ein Jahr vor dem «SonntagsBlick», etwas ganz anderes: Der Ringier-Verwaltungsrat liebäugelte mit dem Projekt einer Abend-Boulevardzeitung mit dem Namen «Express». Gleichzeitig stellte man aber ein gesteigertes Bedürfnis nach Lesestoff am Sonntag fest: «Bild am Sonntag» war an Bahnhofskiosken zunehmend gefragt. Einer Konkurrenz aus Deutschland wollte man zuvorkommen, «Express» wurde ad acta gelegt, und der Verwaltungsrat gab grünes Licht für einen «Blick am Sonntag» mit Magazincharakter.

Warum wurden gerade Sie Chefredaktor?
Ringier hatte mich 1961 für einige Wochen in die Redaktion der «Bild»-Zeitung in München geschickt, damit ich Boulevard-Luft schnuppern konnte. Als es dann um den «SonntagsBlick» ging, rekrutierten sich die meisten meiner Kollegen von traditionellen Tageszeitungen. Das war mein Vorteil. Boulevard auch am Sonntag: Neben News und Sport sollte das Blatt viel Unterhaltung und Lebenshilfe enthalten. Der Auftrag: ein «Sonntags-Blick» für die ganze Familie.

Sie gelten als die graue Eminenz im Hintergrund. Haben Sie viel Einfluss auf das Blatt genommen?
Die Gefahr besteht, dass man zur grauen Impertinenz wird. Davor habe ich einen Horror. Ich habe in den letzten sechzig Jahren meine Chefpositionen gehabt, bei der «SI», bei der «Woche», bei der Kommunikation, beim Ringier-Fernsehen. Nichts habe ich mehr gehasst als Vorgänger, die mir gute Ratschläge geben wollten. Jeder Chef hat das Recht, neue Fehler zu machen. So halte ich mich heute zurück, versuche, meinen Erfahrungsschatz möglichst subkutan einfliessen zu lassen.

«Die gedruckte Zeitung kann sich als sichere Insel in der reissenden Informationsflut behaupten»

Standen Sie nie in «Konkurrenz» mit anderen Ringier-Grössen?
Als Rollstuhlfahrer starte ich eh in einer eigenen Kategorie: Ich bin zäher, sturer, einfallsreicher, wenn es gilt, Hindernisse zu überwinden. Ich bin in vielem nicht so gut wie andere – aber ich weiss, wer besser ist und warum. Ich spiele lieber den Wegweiser als den Chef. Statt Konkurrent bin ich gern die ideale Ergänzung in einem Team, beispielweise seinerzeit bei der «Schweizer Illustrierten» als Chefredaktor mit dem Politik-Beobachter Frank A. Meyer.

Sie traten 1960 in den Ringier-Verlag ein, als Volontär beim «Blick». Wo hat sich die Zeitung in den letzten sechzig Jahren am meisten verändert?
Das Tempo hat sich rasant erhöht, beim Herstellen, beim Verbreiten, beim Konsumieren von Information und Unterhaltung. In diesen letzten sechzig Jahren brachte uns die digitale Revolution den Computer, neue Medien, das Internet, neue technische Raffinessen. Das heisst konkret: Verfügbarkeit von Daten, von Bild und Text praktisch unabhängig von Ort, Zeit und Menge. Die Marke Blick ist heute undenkbar ohne die Ergänzung durch die digitalen Angebote mit blick.ch und bald auch blick.tv. Die gedruckte Zeitung kann sich – da bin ich überzeugt – als sichere Insel mitten in der reissenden Informationsflut erfolgreich mit Qualität und Stabilität behaupten.

«Ganz am Anfang sah man noch Leute, die am Kiosk verschämt ‹NZZ mit› kauften»

Anfänglich wurde der «Blick» von Gesellschaft, Kirche und auch Politik geschnitten und attackiert. Wie gingen Sie damit um?
Ganz am Anfang verstand man unter Boulevard nach angelsächsischem Vorbild primär Sex, Crime and «beautiful people». Da sah man noch Leute, die am Kiosk verschämt «NZZ mit» kauften. Rasch erkannte der «Blick» die Bedürfnisse seiner Leser nach Information in den wesentlichen Lebensbereichen wie Politik, Wirtschaft, Gesellschaft inklusive Sport. Was der «Blick» von den traditionellen Zeitungen unterschied: Seine Sprache – selbst bei komplexen Themen – verstand jeder. Unterhaltung gehörte neben unabhängiger und kompetenter Berichterstattung dazu. Und der «Blick» war mit Rat und Tat ganz nah bei seinen Lesern. So verschaffte er sich zunehmend Gehör und Beachtung.

Sie sind heute noch aktiv im Ringier-Verlag. Was ist Ihre Aufgabe?
Mithelfen, dass die Vergangenheit nicht vergessen geht, Erfahrungen weitergeben. Ich bin zum Teil das Gedächtnis des Hauses, weil ich Dinge aus einer Zeit weiss, in der noch kein Computer Daten speichern konnte. Ich berate Kollegen gern beim Zeitungmachen, weil ich das gelernt habe. Aber ich berate nur jene, die explizit Rat suchen. Ich habe viel profitiert in diesem Haus, jetzt möchte ich etwas davon mit einem Know-how-Transfer zurückgeben, möchte mein Netzwerk mit 1013 Kontakten an Nummern und Namen zur Verfügung stellen. Die Adressdatei ist der kostbare Schatz eines jeden Journalisten.

Ringier setzt heute sehr stark auf Internet. Ein bisschen provokant gefragt: Verstehen Sie diese Welt noch?
Wäre ich sonst noch dabei? Ein Journalist ohne Neugier, ohne Lust auf Neues müsste den Beruf wechseln. Als ich in den Achtzigerjahren mit Kollegen die ersten Macs in die Redaktionen einschmuggelte, wurden wir vom IT-Chef noch scharf gerügt: «Solcher Unterhaltungselektronik-Schrott hat in einem IT-Unternehmen nichts zu suchen.» Ich habe die Anfänge mit Programmieren in Basic mitgemacht und nutze heute selbstverständlich die Erleichterungen der digitalen Angebote: Ich bezahle mit Twint, wähle das TV-Programm mit der sprachgesteuerten Fernbedienung aus und speichere meine Texte in der Dropbox-Cloud ab.


Das ausführliche Interview mit Hans Jürg Deutsch lesen Sie in der aktuellen Printausgabe von «persönlich». Mehr Informationen dazu finden Sie hier.

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