27.05.2013

Erfolgreiche Frauen

"Ich bin Regula Stämpfli, who else?"

Sie ist Politologin, "Baz"-Kolumnistin und Autorin. Am Dienstag erscheint Regula Stämpflis neues Buch "Die vermessene Frau". Dabei geht die umtriebige Bernerin der Frage nach, warum sich gerade Frauen seit Jahrhunderten vermessen, wiegen und durchbuchstabieren lassen. Im 26. Teil unserer Frauenserie spricht Stämpfli über Klischeefallen und erklärt, weshalb ihre Studentinnen sie als "Lara Croft der Politologie" bezeichnen und welchen Typ Mann sie nicht ausstehen kann. Wie gewohnt, nimmt sie dabei kein Blatt vor den Mund.
Erfolgreiche Frauen: "Ich bin Regula Stämpfli, who else?"

Frau Stämpfli, was war heute der erste Gedanke, als Sie aufgestanden sind? 
Link der Westart-Sendung von gestern auf allen Kanälen posten und Frust über Medienberichterstattung anlässlich von Bern. Sie sehen: Ich bin nicht nur die schnellste Bärndüüütsch-Rednerin, sondern wohl auch Schnelldenkerin (lacht).

Am Samstag hielten Sie an der Frauentagung im Aargau einen Workshop mit dem Titel "Sind Sie gerne eine Frau?“. Sind Sie gerne eine Frau? 
Ich habe noch nichts Besseres probiert.

Der Inhalt des Workshops wird auf der Webseite mit folgendem Text beschrieben: "Aufgepasst Klischeefalle! Mit Beispielen aus Medien, Politik und Wirtschaft werden im Workshop zunächst die klassischen Fallen aufgezeigt, um diese nicht nur zu umgehen, sondern das eigene Frauenbild auch zu transformieren." Was ist die Klischeefalle Nr. 1?
XY ist eine ehrgeizige (wahlweise Politikerin, Journalistin, Expertin, Professorin) Frau. Sie wird von Kollegen gerne als (wahlweise Amazone, Karrieristin, Frau mit der man Pferde stehlen kann, Brain on High Heels etc) bezeichnet. Sie ist die Tochter von, die Mutter von, die Schwester von (vorzugsweise Männern...)

Schauen Sie sich um, ich habe eine kiloschwere Sammlung (lacht).

Sind Sie auch schon einmal in eine sogenannte Klischeefalle getappt?
Klar doch: Bei hohen Stimmen am Telefon merke ich wie jeder meiner Sensoren schreit: Inkompetenz. Dies aber nur im deutschsprachigen oder englischsprachigen Kontext. Auf Französisch passiert mir das nie. Und klar doch: Bei Griechen werde ich immer schwach.

Ihre These: "Die Medien sind auf Show, Quoten und Unterhaltung gerichtet und fest in Männerhand: Mann = Geist – Frau= Körper. Der Mann sieht, die Frau wird gesehen." Wer ist dafür verantwortlich?
Ich frage meistens "cui bono“ (wem nützt es) statt wer ist schuld. Die Zweiteilung des Menschen aufgrund der Geschlechtszugehörigkeit etabliert eine Hierarchie, in welcher Frauen als Kategorie immer unten stehen. Wichtig wäre, dass sich Frauen selber auch als Subjekte, als Handelnde wahrnehmen und wenn sie nur wie Objekte behandelt werden, Witz, Humor, Charme und einen guten Schlag zwischen die Beine üben. Das war übrigens jetzt ironisch gemeint, ok? Uff, als Frau muss man mit Ironie wirklich aufpassen, vor allem in der Schweiz (lacht).

Was für ein Frauenbild wollen Sie verkörpern? 
Ich bin Regula Stämpfli, who else? Das ist ein Fakt und kein Wollen.

Was für ein Typ Frau nervt Sie persönlich am meisten?
Fragen Sie mich doch lieber nach dem Typ Mann! Dann sage ich Ihnen: Diese linken alt-68er Männer à la Richard David Precht, die so daherkommen als würden sie es mit den Frauen gut meinen, und sind sie dann mal in einer Machtposition, entpuppen sie sich als die grössten Frauenzerstörer. Denken Sie an Schröder, Toni Blair oder jetzt auch Hollande...igittigittigitt. Es sind die Männer, die Reda El Arbi mal Tarnkappenmachos genannt hat. Finde ich grossartig. Frauen nerven mich im Kollektiv oder als Typ nicht, sondern ich kann dann einfach nicht soviel mit der Person anfangen. Passiert aber selten.

Sie sind Doktorin der Geschichte, Philosophin, Politologin, Dozentin und Autorin. Welche Zeitepoche interessierte Sie im Studium am meisten und warum?
Lässige Frage! Weil ich erst jetzt merke, dass ich eindeutig eine Krisen-, Kriegs- und Revolutionsliebhaberin bin – und das eigentlich erst grad wegen Ihrer Frage merke. Sie haben mich ertappt.

Ihr Lieblingsphilosoph?
Philosophin natürlich, wobei Liebling viel zu oberflächlich ist: Ich rede, denke, träume, schreibe mit, von und über Hannah Arendt. Sie sitzt oft an meinem Pult, raucht mit mir eine und lacht mit ihrer unverkennbaren, dunklen Stimme, wenn ich wieder mal übers Ziel hinausschiesse.

Ihr nächstes politisches Ziel?
Ich hatte noch nie politische Ziele. Lustig, auch das fällt mir auf. Das Einzige, was mich umtreibt, ist Aufklärung, Vernunft und Kompetenz und ich meine immer noch die Welt mit der Tastatur mitgestalten zu können. Seit 2007, seit der Finanzkrise, bin ich diesbezüglich etwas skeptischer geworden.

Was erwarten Sie von Ihren Studenten?
Dass sie lebendig sind (lacht) – deshalb setze ich die Vorträge und Seminare meist erst abends an.

Sie haben eine Kolumne bei der "Basler Zeitung". Was möchte "Kolumnistin Stämpfli" den Baslern erzählen?
Freche Geschichten. Es ist ganz toll, diese Carte Blanche zu haben bei einem Publikum, das teilweise allein bei meinem Bild schon Bibeli kriegt.

Am Dienstag erscheint Ihr neues Buch: "Die Vermessung der Frau“. Laut Buchrücken geht es um "Puppen, Feministinnen und unverzichtbare Diäten". Was ist die Kernbotschaft?
Dass Menschen keine Joghurts sind, deren Verfallsdaten irgendwann mal ablaufen. Neben 500 Jahren Philosophiegeschichte, die im Schnelltempo à la Boulevard echt ziemlich cool zusammengefasst ist.

Was hat Sie dazu bewegt, das Buch zu schreiben? Gab es ein Schlüsselerlebnis? 
Nein, da hat Hannah Arendt mich draufgestossen mit ihrer Kritik avant la lettre, dass die Nerds, ausgerechnet jene Menschen, die sozial eher schwachbrüstig sind, plötzlich so unendlich viel Macht über Wirtschaft, Wissenschaft und Politik haben.

Auf der Buchklappe sind Aussagen von Ihnen wie "Junge Frauen werden nicht ernst-, ältere kaum wahrgenommen" oder "Der neue Frauenstempel: Brandzeichen Jahrgang". Haben Sie dies selbst erfahren?
Ja klar: Haben Sie schon mal einen Evolutionsbiologen persönlich kennengelernt? Ich grad gestern wieder und ja: Mein Buch wendet sich genau gegen diesen Typus Mensch. Haben Sie die "Kritik der zynischen Vernunft" gelesen? Sehr empfehlenswert, immer noch das Beste von Peter Sloterdijk. Da ist mir der Medizinzynismus und der Medienzynismus besonders eingefahren und da kam ich dann zur Jahrgangsübersetzung.

Im Klappentext Ihres Buches zitieren Sie Ihre Studentinnen, welche Sie als "Lara Croft der Politologie“ bezeichnen. Sind Sie stolz auf diesen Titel? 
Jetzt, da sie sich die Brüste hat wegschneiden lassen, ist Lara Croft für mich schon eher pathologisierte Weiblichkeit. Doch wer mich kennt, merkt sofort, dass Lara Croft punkto Temperament und Schiessbereitschaft inklusiv lange Haxen nicht nur falsch gewählt ist.

Lara Croft ist der Männertraum schlechthin – grösstenteils wegen des Aussehens. Wie zufrieden sind Sie mit Ihrem Aussehen? 
Ich bin sehr, sehr, sehr zufrieden und bescheiden (lacht).

Haben Sie schon einmal eine Diät oder eine Schönheitsoperation gemacht?
Ein Kind geboren? Skigefahren? Marathon gerannt? Richard David Precht muss nie eine solche Frage beantworten. Also lassen wir es. Und schreiben Sie jetzt nicht: "Regula Stämpfli verneint, jemals eine Diät und eine Schönheitsoperation gemacht zu haben" (lacht). Das ist ja das klassische Beispiel aus dem MAZ, wie Informationen verdreht werden.

Wie sind Sie aufgewachsen?
Liebevoll und knallhart. Neukölln ist Heimat für mich.

Namen Sie schon als Kind kein Blatt vor den Mund bzw. hat sich Ihre Karriere abgezeichnet?
Und wie. Ich wurde viel früher eingeschult, war unerschrocken, erst das klassisch griechische Gymnasium wollte mich brechen. Da wär ich echt fast unters Rad wie bei Hesse gekommen. Doch glücklicherweise haute ich in die Staaten ab.

Was haben Sie von Ihrer Mutter geerbt? Was von Ihrem Vater?
Die Wild- und Unerschrockenheit – von beiden.

Sie arbeiten in verschiedenen Ländern, und wohnen nach vielen Jahren in Brüssel jetzt in Deutschland. Wo fühlen Sie sich zuhause?
Wo ich verstehen kann und verstanden werde.

Sie sind verheiratet und haben drei Söhne. Reisen die Ihnen alle immer hinterher? Wie bringen Sie alles unter einen Hut?
Fragen Sie das die Jungs mit Kindern auch? Die Kids sind eigentlich immer bei mir und da ich keinen Hut trage, geht das eigentlich gut – manchmal auch nicht, aber dann ruf ich Sie an und Sie kommen hüten, ok? (lacht)

Wann sind Sie am Ende eines Tages zufrieden und glücklich?
Zufrieden bin ich nie, glücklich eigentlich meistens.

Interview: Corinne Bauer 



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