02.07.2020

Serie zum Coronavirus

«Ich habe auf maximale Flexibilität gesetzt»

Folge 77: Verleger Oliver Prange hat soeben die 900. Ausgabe seiner Zeitschrift Du herausgegeben. Im Hinblick auf die Entwicklung des Werbemarkts zeigt er sich im Interview pessimistisch.
Serie zum Coronavirus: «Ich habe auf maximale Flexibilität gesetzt»
Geht mit seiner Frau und Freunden nach Ibiza im Sommer: Du-Verleger Oliver Prange. (Bild: zVg.)
von Matthias Ackeret

Herr Prange, in diesen Tagen erscheint die 900. Ausgabe Ihrer Zeitschrift Du. Haben Sie das Heft im Homeoffice-Modus hergestellt?
Genau so. Da unsere Bildchefin aus Stuttgart und unser Abschlussredaktor aus München kommen, sie aber nicht mehr einreisen durften, haben wir diese Du-Ausgabe vollständig im Homeoffice erstellt. Ich bin positiv erstaunt, wie einfach das ging, wohl auch, weil wir ein eingespieltes Team sind. Da fragt man sich, ob man überhaupt noch ein Büro benötigt oder ob es nicht alternative Formen der Zusammenarbeit gibt. Schliesslich sollte man sich doch noch ab und an persönlich austauschen, vielleicht aber nicht mehr in einem Büro mit Fünfjahresknebelvertrag.

Das Heft ist dem Zoo Zürich gewidmet, das gerade einen Direktorenwechsel hat. Ist dies jetzt ein Zufall oder haben Sie dies so geplant?
Die Idee entstand im letzten Herbst. Als ich vernahm, dass am 8. April 2020 die Lewa-Savanne eröffnet und Alex Rübel Ende Juni nach 30 Jahren abtreten würde, wurde mir klar, dass das eine Du-Ausgabe ist, zumal der Zoo die grösste Kulturinstitution der Schweiz ist.

Der Zoo war jetzt mehrere Monate geschlossen. War das ein grosser Einschnitt?
Die Eröffnung der Lewa-Savanne fand am 8. April nicht statt, aus bekannten Gründen. Also schoben wir die Erscheinung unserer Du-Ausgabe auf Mai. Dann ging der Zoo zu, die Buchhandlungen zu, die ÖV’s durften nicht mehr werben, also schoben wir die Ausgabe von Monat zu Monat, bis sie jetzt am 1. Juli erschienen ist. Man musste geduldig sein, aber so ist es ja allen gegangen. In der Zwischenzeit ist die Ausgabe immer mehr gewachsen, von ursprünglich 80 Seiten jetzt auf 130 Seiten. Ich wollte aus dem Vollen schöpfen, besonders, nachdem Art-Director Matthias Frei, Fotochefin Ute Noll und Abschlussredaktor Bene Sarreiter einen hervorragenden Job machten.

«Dieses Jahr ist gelaufen im Werbemarkt»

Was bedeutet jetzt der Abgang von Herrn Rübel für den Zoo Zürich?
Alex Rübel hat sich mit dem Zoo Zürich ein Denkmal geschaffen. In seiner Zeit entstanden die wichtigsten Teilgebiete: Masoala-Halle, Kaeng-Krachan-Elefantenpark, Lewa-Savanne. Der tägliche Betrieb wird öffentlich unterstützt, aber die Projekte sind privat finanziert. Rübel ist derart gut vernetzt, dass er die erforderlichen Finanzen beschaffen konnte. Das ist eine grossartige Lebensleistung.

Wie erleben Sie als Verleger die ganze Coronakrise?
Ich habe schon vor Jahren beschlossen, auf maximale Flexibilität zu setzen, damit ich bei Krisen gut reagieren kann. Das heisst, Abo, Einzelheftversand, Kiosk, Buchhandlungen auszulagern, Team auf Mandatsbasis. So kann ich mit den Ausgaben jonglieren, um wirtschaftlich zu bleiben.

Wird sich der Anzeigenmarkt in diesem Jahr überhaupt noch erholen?
Nein, das glaube ich nicht. Die Budgets von Uhrenmarken beispielsweise wurden zum Teil um 70 Prozent heruntergefahren. Dieses Jahr ist gelaufen im Werbemarkt. Ob sich die Situation im nächsten Jahr erholt, ich rechne nicht damit. Irgendwann wird Printwerbung in Magazinen wie Phönix aus der Asche wiederauferstehen. Denn Markenwerbung durch Internet-Werbung alleine, das genügt meiner Meinung nach nicht. Ich habe jedenfalls noch nie einen Banner bewusst angeklickt.

«Kino ist trotz TV nicht gestorben, Print wird trotz Web nicht sterben»

Welchen Stellenwert hat Print überhaupt noch in unserer digitalisierten Welt?
Das Kino ist trotz TV nicht gestorben, Print wird trotz Web nicht sterben. Zeitungen haben es ungleich schwerer, denn News sind tatsächlich besser im Web aufgehoben, haptische Printmedien jedoch sind durchs Web nicht zu ersetzen.

Das Du ist Schweizer Kulturgut und besteht seit bald achtzig Jahren. Was zeichnet die Zeitschrift aus, dass sie alle Stürme und Krisen überlebt?
Du ist eine der besten Print-Marken der Schweiz, mit einer gloriosen Historie. Eine solche Marke kann man nicht neu aufbauen. Es ist die Marke! Man muss sie nur wirtschaftlich führen, was früher leider vernachlässigt wurde. Das Du wurde von meinen Vorgängern mit viel Liebe, aber nicht mit der notwendigen wirtschaftlichen Seriosität geführt. Ich ging das vor zwölf Jahren bei meiner Übernahme anders an, auch weil ich nicht aus einem Konzern heraus agieren konnte, sondern als Einzelperson selbst verantwortlich bin. Das Du arbeitet seitdem wirtschaftlich profitabel, wir haben 130 Ausgaben produziert. Was ich in dieser Zeit erlebt habe, ist einmalig. Mit welchem anderen Magazin wäre ich an die Kennedy-Gala in New York (2014) eingeladen worden, um 2015 eine Du-Ausgabe über die Robert F. Kennedy-Foundation herauszugeben. Ich möchte all die Erlebnisse nicht missen. Ich würde es wieder tun.

Gibt es eine Du-DNA?
Diese ergibt sich aus der Historie. Meine Vorfahren, Arnold Kübler, Manuel Gasser, waren herausragende Persönlichkeiten ihrer Zeit, die andere herausragende Künstler an sich banden. So entstand der Mythos.

Wo verbringen Sie Ihre Ferien?
Auf Ibiza, mit meiner Frau und Freunden.

Was war für Sie das prägendste Erlebnis der letzten Tage?
Die Publikation der Ausgabe Zoo Zürich mit vielen Doppelseiten mit grossartigen Tieraufnahmen.



Was bedeutet die Corona-Pandemie für die verschiedenen Akteure der Schweizer Medien- und Kommunikationsbranche? Bis auf Weiteres wird persoenlich.com jeden Tag eine betroffene Person zu Wort kommen lassen. Die ganze Serie finden Sie hier.

 

 

 

 



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