Herr Pfister, Sie sind sehr aktiv auf Twitter. Hat Donald Trump Sie dazu inspiriert?
(Lacht.) Nein, nein, das hat gar nichts mit Trump zu tun. Die amerikanische Philosophin Susan Neiman hat das Medium Twitter in ihrem Buch «Why Grow Up?» (Warum erwachsen werden?) mit Haikus, also Zen-Gedichten, verglichen, ein sehr schönes Bild, finde ich. Was mich an Twitter fasziniert, sind der Zwang zur Kürze, die Schnelligkeit der Debatte und das Angriffige. Es ist nicht gut, dass die Zeichenzahl von 140 auf 280 erweitert wurde.
Twitter ist nicht ganz ungefährlich.
Es ist nicht ganz risikofrei. Es gibt sicherlich Tweets, die man nachträglich besser anders formuliert hätte. Aber wer austeilt, muss auch einstecken können. Das gehört zum Business. Ich finde die Diskussionskultur in der Schweiz manchmal gar betulich. Was ich sicherlich immer abblocke, sind primitive und auch anonyme Angriffe.
«Dies ist nicht ganz redlich»
Auf Twitter konnte man lesen, dass Sie gegenüber der SRG ein gespaltenes Verhältnis haben.
Ja, das kann man wirklich sagen. Die SRG, aber auch die anderen staatsnahen Unternehmen argumentieren nicht sauber. Sie nehmen immer das Beste aus beiden Welten: aus der Staats-, aber auch der Wirtschaftslogik. Geht es um die Saläre und ihre Privilegien, so argumentieren sie als Wirtschaftsunternehmen, das sich einem Wettbewerb stellen muss. Geht es hingegen um Besitzstandswahrung und das Ausschalten der Konkurrenz, so berufen sie sich auf einen staatsnahen Service-public-Auftrag. Dies ist nicht ganz redlich. Gleichzeitig darf man jedoch feststellen, dass der frühere SRG-Generaldirektor Roger de Weck viel missionarischer und auch erzieherischer unterwegs gewesen war als sein Nachfolger Gilles Marchand, der eher ein angelsächsisches Medienverständnis hat und als echter Romand auch aus einem Landesteil kommt, wo die SRG sich bessere Akzeptanz geschaffen hat. BBC ist ein hervorragendes Unternehmen, hat aber keineswegs das Gefühl, das ganze Land mit seinen Programmen beglücken zu müssen. Herr de Wecks Auftritt erzeugte zweifelsohne viel Widerstand.
Spürten Sie nach solcher Kritik die Rache des Imperiums?
Ja, ich habe die Rache des Imperiums oftmals gespürt. Die SRG liess einige Male die Muskeln spielen.
Wurden Sie nicht mehr in die «Arena» eingeladen?
Nein, aber die SRG-Spitze, nicht die Journalisten, hat mir schon ab und an zu verstehen gegeben, dass ich mich in meiner Kritik doch ein wenig mässigen solle. Diese Beschwörungen kamen meist von Parteikollegen. Sie wissen ja, SRG und CVP sind sich doch sehr nahe.
Stört Sie das?
Ja. Was hat eine Partei davon, wenn einige ihrer Mitglieder bei der SRG ein gutes Pöstchen haben? Jetzt habe ich mit der SRG erneut Mühe. Ich habe mich vor einem Jahr klar gegen «No Billag» positioniert, weil ich bei Annahme der Initiative einen grösseren Kahlschlag befürchtete. Während des Abstimmungskampfes hat die SRG immer wieder ihren klaren regionalen Auftrag hervorgehoben. Kaum ist die Abstimmung aber gewonnen, fällt die SRG völlig unbegreifliche, fatale Fehlentscheidungen, indem sie die Radiojournalisten von Bern an den Standort Leutschenbach zügeln lässt. Wäre es wirklich um die Kosten gegangen, hätte man beispielsweise die SRG-Verwaltung von der Giacomettistrasse nach Zürich auslagern können. Dies wäre journalistisch überhaupt nicht relevant gewesen.
«Ich halte diese Zügelaktion für das Image der SRG für absolut katastrophal»
Aber warum stört Sie dieser Entscheid so?
Ich halte diese Zügelaktion für das Image der SRG für absolut katastrophal. Es ist mir unbegreiflich, warum der Verwaltungsrat diesem Vorschlag, der neue Angriffsflächen schafft, zugestimmt hat. Es braucht nicht viel Fantasie, um festzustellen, dass eine Halbierungsinitiative, die jetzt lanciert würde, gute Gründe hätte, angenommen zu werden. Dieser Entscheid hat die Raison d’Être der SRG verletzt. Gerade in der Politik hat man damit sehr viel Goodwill verloren. Ich bin überzeugt, dass sich dies noch rächen wird.
Sie selbst sind medienpolitisch sehr aktiv. CH-Media-Verleger Peter Wanner fordert eine Erhöhung der indirekten Presseförderung auf 70 Millionen Franken (persoenlich.com berichtete). Wie stehen Sie dazu?
Ich bin in die Medienpolitik hineingerutscht, weil ich seit Beginn meiner Amtszeit Mitglied der staatspolitischen Kommission bin. Medienpolitik war früher in Bern kein grosses Thema. Voraussetzen möchte ich, dass ich, wäre ich selbst Verleger, keine Ahnung hätte, wie ich das ganze Problem lösen könnte. Gleichzeitig ist es eine Tatsache, dass sich das Geschäftsmodell des Journalismus massiv verändert. Mittelfristig braucht es keine Verlagshäuser mehr, um Journalismus zu betreiben. Die Funktion der reinen Berichterstattung wird immer unwichtiger, weil sie auch ohne Journalismus geschieht. Was hingegen bleibt, ist das Interesse an der Einordnung. Die Frage, die sich stellt, ob jemand in naher und auch ferner Zukunft dafür zahlen will. Zunehmen werden die Quersubventionierungen. Persönlich macht mir die zunehmende Medienkonzentration Sorgen – auch wenn dies höchstwahrscheinlich viele Leser gar nicht bemerken, da sie kaum mehrere Tageszeitungen konsumieren. Aber der Mainstream im Journalismus nimmt zu, die Vielfalt ab.
Und die indirekte Presseförderung?
Ich halte es für falsch, dass die Verleger jetzt nach dem Staat rufen. Die Gewinne privatisierte man jahrzehntelang, mögliche Verluste will man jetzt sozialisieren. Gerade von einem liberalen Menschen wie Peter Wanner hätte ich dies nicht erwartet. Aber vielleicht müssen wir uns mit der bitteren Tatsache abfinden, dass es irgendwann keine Zeitungen mehr gibt. Vielleicht ist der Journalist, wie man ihn heute kennt, ein aussterbendes Relikt. Das Berufsbild wandelt sich enorm, auch die Organisation, wie journalistische Dienstleistungen auf dem Markt bestehen können. Aber auch den Hufschmied gibt es heute nicht mehr, ohne dass dadurch gleich die Schweiz ins Elend gestürzt wäre. Was meines Erachtens nicht aussterben wird, ist wie gesagt das Bedürfnis nach einer journalistischen Einordnung. Mit grossem Interesse verfolge ich Projekte wie die «Republik». Doch auch hier stellt sich die Frage: Geht es langfristig ohne Mäzenatentum? Lässt sich Journalismus so verkaufen, dass man allein davon leben kann? Oder schafft man es, im digitalen Zeitalter auch andere Einkünfte als die aus der Werbung zu generieren? Grosse Medienkonzerne verdienen ihr Geld längst nicht mehr mit Journalismus, sondern finanzieren ihn – im Gegenteil – quer aus anderen Geschäften.
Das tönt ja alles sehr pessimistisch.
Nicht pessimistisch, aber besorgt. Die direkte Demokratie lebt von der Diskussion, der Debatte, den verschiedenen Ansichten – wofür Medien essenziell sind. Und ich sehe auch Chancen, gerade in der Digitalisierung. Auch für die Parteien, die unabhängiger werden von den Medien. Und als Christ glaube ich ohnehin, dass alles immer wieder gut kommt. Dieses Grundvertrauen müssen Christdemokraten haben.
Das ausführliche Interview mit Gerhard Pfister lesen Sie in der aktuellen «persönlich»-Ausgabe. Dort spricht er auch über die neue Bundesrätin Viola Amherd, verpasste Chancen und die Eigenart des Schweizer Systems.
An der Dreikönigstagung vom Mittwoch in Zürich spricht Pfister über «Thesen für die ausstehende medienpolitische Grundsatzdebatte». persoenlich.com berichtet ausführlich vom Anlass.